User Experience von Business Anwendungen – der neue Key Differentiator

04.08.2017
5 Min.
User Experience von Business Anwendungen – der neue Key Differentiator für Anbieter und Unternehmen. Was im Consumer Bereich heute über den Erfolg oder Misserfolg entscheidet, ist im Bereich der Business Anwendungen eben erst angekommen: Eine gute User Experience für Kunden, Mitarbeiter und Partner!

Hohe Erwartungen an das Kundenerlebnis

Mehr denn je sind Unternehmen im Rahmen der Digitalisierung gefordert, optimale Kundenerlebnisse über alle Kontaktpunkte zu liefern, sei es um einen Wettbewerbsvorteil zu schaffen oder einen zu erhalten. Bereits 2020 wird das Kundenerlebnis den Preis oder das Produkt als Key Differentiator überholen. Was im Consumer Bereich heute bereits matchentscheidend ist, zeigt sich nun auch im Business Bereich: Nur wer es schafft die Bedürfnisse der Kunden, Mitarbeiter und Partner gesamtheitlich abzuholen, effizient in den täglichen Arbeiten zu unterstützen und ein ausserordentliches Benutzererlebnis zu bieten, wird sich in Zukunft von der Masse abheben können.

Der Kunde von heute ist nun wirklich König

Der Kunde wählt heute seinen bevorzugten Weg der Kontaktaufnahme zum Unternehmen selber – sei es über digitale oder physische Kanäle. Dabei sind die Kunden bereits an hervorragende Kundenerlebnisse gewöhnt und haben entsprechend hohe Erwartungen. 80% der Käufer sind bereit, mehr zu bezahlen für ein besseres Kundenerlebnis und über 70% des gesamten Kauferlebnisses basiert darauf, wie sich der Kunde fühlt oder behandelt wird. Umgekehrt wirkt sich ein schlechtes Kundenerlebnis in den Onlinekanälen gnadenlos aus: 79% der Kunden die sich nicht sofort abgeholt fühlen, setzen ihre Suche auf einer anderen Seite fort. Wobei hierunter „sofort“ weniger als 3 Sekunden gemeint sind.

 

Disruptive Start-Ups zeigen wie es geht – die gesamtheitliche Customer Journey

In Branchen wie dem Handel, Hotellerie oder Finanzbereich droht den traditionellen Unternehmen der direkte Kundenkontakt abhanden zu kommen. Neue Anbieter wie Uber, Airbnb oder Zalando differenzieren sich längst nicht nur über den Preis. Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren von disruptiven Start-Ups liegt gerade in der Perfektionierung der Digitalisierung aller Prozesse und dem entsprechenden Benutzererlebnis für Kunden, Partner und Mitarbeiter.
So versteht es Uber beispielsweise sowohl Passagiere, Taxifahrer wie auch die eigenen Mitarbeiter nahtlos miteinander zu verbinden und das gesamte Erlebnis persönlich zu gestalten. Als Kunde werde ich auf der ganzen Journey abgeholt. Bereits bei der Buchung sehe ich den ungefähren Preis, die Strecke und kenne den Namen meines Taxifahrers, dessen Bewertung durch andere Kunden. Diese neue Transparenz schafft Vertrauen und Sicherheit. Kurz vor dem Eintreffen des Taxis erhalte ich dann eine Push-Meldung auf mein Smartphone mit der ungefähren Ankunftszeit, Auto Typ, Farbe und Nummernschild des Uber Taxis. Somit geht keine Zeit verloren bei der Ankunft und ermöglicht mir, in Ruhe meinen Kaffee fertig zu trinken, statt am Strassenrand zu warten. Dasselbe gilt für das Ende der Fahrt: Die Bezahlung ist bereits erledigt und ich kann direkt bei der Ankunft weiter zu meinem nächsten Ziel, ohne mich um Bargeld oder Kreditkartenzahlungen zu bemühen. Dieses Beispiel zeigt auf, dass ein gutes Benutzererlebnis nicht nur von der Technologie, einer App oder einer schön gestalteten Benutzeroberfläche abhängt, sondern die Bedürfnisse aller Beteiligten umfassend abdeckt – und zum richtigen Zeitpunkt und Kontext vor, während und nach der Fahrt unterstützt.

UBER: Perfekte User Experience über die gesamte Reise, sowohl vor, während als auch nach der Fahrt.

Die Chancen der herkömmlichen Unternehmen

Viele traditionelle Branchen haben die Trends verschlafen. Als Reaktion versucht nun der Schweizer Taxiverband Taxisuisse mit seiner neun App «go!» Uber entgegenzuhalten. Ob dies mehr als drei Jahre nach dem Markteintritt von Uber noch reicht, wird sich zeigen.
Dabei gibt es durchaus Chancen, die Stärken der herkömmlichen Unternehmen wie die bestehende Kundenbasis und das Vertrauen in die Marke mit dem Potenzial der Digitalisierung zu vereinen. So ergänzt die Digitalisierung den persönlichen Kontakt der Mitarbeiter mit den Kunden und verbessert damit direkt das Kundenerlebnis. Ein Beispiel ist das Beratungsgespräch eines Kundenbetreuers einer Versicherung. Dank der Beratungsapplikation auf dem Tablet kann er seinem Kunden vor Ort die persönliche Situation visuell simulieren und mögliche Lücken grafisch aufzeigen lassen. Dies verbessert die Beratung anhand von Fakten die sofort verfügbar sind und der Kunde muss nicht mehrere Tage auf ein Angebot warten.
Ein weiteres Beispiel ist der Handel, bei dem alle Kontaktpunkte sowohl online wie physisch im Laden nahtlos integriert werden. Kundenkarten sind zentral gespeichert, jederzeit in der App verfügbar statt im vollen Portemonnaie und Rabatte gelten für mich als Kunde unabhängig ob ich etwas online oder im Laden gekauft habe. Unter dem Stichwort Omnichannel experimentiert die Branche hier noch und sucht nach relevanten Mehrwerten wie der Online Bestellung mit Pick-up im Laden, der Online Reservation von Möbeln zum Probesitzen vor Ort oder dem physischen Bestellknopf «Dash» der das Bestellen von alltäglichen Verbrauchsprodukten wie Waschmittel oder Tintenpatronen zu Hause zum Kinderspiel macht.

User Experience für Mitarbeiter

Die vorigen Beispiele zeigen, dass die Kunden heute von guten Kundenerlebnissen verwöhnt sind. Sie bestimmen selber wie und wann sie mit einem Unternehmen kommunizieren und wechseln sehr schnell zur Konkurrenz, wenn das Kundenerlebnis nicht stimmt.
Doch selbst Mitarbeiter erwarten heute mehr. Einfach zu bedienende Business Anwendungen wirken sich direkt auf die Mitarbeiter Motivation, Effizienz und Fehlerquoten aus: Bei 90% aller Anwender wirkt sich eine einfach zu bedienende Anwendung direkt positiv auf die Arbeitsmotivation aus, 80% aller Anwender verlassen eine schwer zu bedienende Anwendung nach maximal drei Versuchen, für 83% aller Benutzer ist eine nahtlose User Experience über alle Plattformen und Geräte wichtig. 50% der Anwendungsfehler können durch eine klar strukturierte Benutzeroberfläche reduziert werden.
Um hier mithalten zu können braucht es ein modernes Umfeld, effiziente Prozesse und Applikationen, welche die täglichen Aufgaben optimal unterstützen.

User Experience von Standard Business Anwendungen

Mittlerweile haben auch grosse Anbieter von Business Software wie SAP, Salesforce und Microsoft die Zeichen der Zeit erkannt und überarbeiten ihre Standardprodukte intensiv hinsichtlich der „User Experience“ für die Mitarbeiter im Unternehmen selbst. Einer der Pioniere im CRM Bereich ist SugarCRM, mittlerweile unter den Top 5 Anbieter weltweit. Gestartet mit einer Open Source Software hat SugarCRM innerhalb von 10 Jahren ein grosses Eco-System an Partnern und Modulen geschaffen. Basierend auf einer Kundenbasis von über 1 Million Firmenkunden und einer riesigen Entwicklergemeinschaft hat sich die Firma vor einigen Jahren neu positioniert und als eine der ersten das Thema User Experience im CRM Bereich erfolgreich ins Zentrum gestellt. Die augenfälligste Neuerung war dabei die komplette Überarbeitung der Benutzerschnittstelle und die nativen Mobile Apps für iOS und Android.
Andere Anbieter haben die User Experience Revolution im Business Bereich lange nicht wahrhaben wollen und sind erst spät auf den fahrenden Zug aufgesprungen. Nicht immer freiwillig. Ein Beispiel dazu ist SAP. Laut Insidern drohte einer der wichtigsten Kunden von SAP abzuspringen, falls SAP ihre Business Applikationen nicht grundlegend hinsichtlich der User Experience verbessert. Als Reaktion darauf stellte SAP ein Team von User Experience Analysten, Designer und Berater zusammen und erarbeitete zusammen mit dem Kunden vor Ort eine Vision für zukünftige Business Anwendungen. Die Grundlage von SAP Fiori und UI5 war geboren. Mittlerweile basieren alle neuen SAP Applikationen auf diesem UX Konzept und Framework und als Krönung für das Engagement hat SAP 2015 den renommierten Red Dot Design Award dafür gewonnen. Das Thema User Experience stellt heute für SAP ein Kernthema dar und wird selbst vom CEO aktiv weitergetrieben und kommuniziert. Seit einiger Zeit wird zudem das SAP Frontend Framework UI5 als Open Source Version OpenUI5 kostenlos für Entwickler – auch von SAP fremder Software – zur Verfügung gestellt. SAP erhofft sich so, die Entwickler–Community zu gewinnen, sein Image hinsichtlich User Experience zu verbessern und das SAP Eco System zu verbreitern.

 

SAP Fiori Applikationen für Desktop, Tablet und Smartphone (Bild: SAP)

Dasselbe gilt für Salesforce, welches noch bis vor zwei Jahren mit einem uralten, mausgrauen Interface daherkam. Mittlerweile setzt Salesforce mit dem Lightning Interface neue UX Standards und versucht gleich wie SAP mit der Open Source Variante neue Entwickler und Kunden zu gewinnen.

Die neue Lightning Oberfläche von Salesforce (Bild: Salesforce)

Microsoft war in den letzten Jahren stark mit der Konsolidierung ihrer ERP und CRM Lösungen beschäftigt welche neu unter dem Namen Microsoft Dynamics 365 primär in der Cloud angeboten werden. Die aktuellen Lösungen die derzeit in der Praxis im Einsatz sind, lassen hinsichtlich der User Experience einige Wünsche offen. Während bei der ERP Lösung Dynamics AX/NAV die alten Benutzeroberflächen und Branchenlösungen überwiegen, kommt Microsoft Dynamics 2016 moderner, luftig und mit viel (zu viel) Weissraum daher. Die Navigation ist teils inkonsequent und die vielen neuen Fenster und Pop-Ups entsprechen nicht den modernen Webapplikationen von heute. Dies wird sich aber schon bald ändern. Microsoft arbeitet mit Hochdruck an der Konsolidierung und erste Resultate z.B. im Bereich Reporting (Power BI), Service (CRM) sowie die Office 365 Integration mit den nativen Apps für iOS und Android sehen vielversprechend aus. Dazu kommt, dass Microsoft in den letzten Jahren sehr innovativ und offen unterwegs ist, mit Windows 10 und Office 365 dem Thema User Experience neue Beachtung schenkt, auch bei der Hardware mit dem Surface Pro oder Surface Studio punktet und damit sogar Apple den Wind aus den Segeln nimmt.

 

Die neue Benutzeroberfläche von Microsoft Dynamics 365 mit Power BI (Bild: Microsoft)

Als Kontrast zu den grossen Anbietern besetzen kleinere, agile Start-Ups nun Nischen oder Kundensegmente. Dabei spielen einfach zu bedienende Applikationen in der Cloud eine immer wichtigere Rolle. Obwohl viele von der Funktionalität nicht mit den herkömmlichen Anbietern mithalten können, sind sie sehr erfolgreich. Beispiele in der Schweiz sind bexio, eine Business Software für Kleinunternehmen und myfactory, eine Lösung für KMU. Beide müssen nicht auf Legacy Systeme Rücksicht nehmen und entwickeln in kurzen Releasezyklen neue Funktionen, welche dank der cloud-basierten Lösung rasch den Kunden zugänglich gemacht werden können. Im Vergleich dazu stellt der jährliche Release-Zyklus herkömmlicher Software manche Anwender auf die Geduldsprobe.
Auch im Bereich der Open Source Lösungen gibt es vielversprechende Entwicklungen hinsichtlich der User Experience. SuiteCRM oder SpiceCRM bieten beispielsweise eine flexible Alternative zu den kommerziellen Systemen und basieren auf dem weit verbreiteten SugarCRM Kernsystem, eines der Top 5 CRM Systeme weltweit. Zu den Kunden gehören mittlerweile auch internationale Konzerne wie BP, Olympus oder die Schweizerische Post.

Open Source Lösungen wie SuiteCRM oder SpiceCRM bieten eine flexible Alternative zu den kommerziellen Systemen (Bild: SpiceCRM)

Bei der Integration der Standard Anwendungen durch Partner stehen auch heute noch die fachlichen Kompetenzen, Business Anforderungen und die Technologie im Fokus. Die User Experience geht oft vergessen oder wird erst zum Thema, wenn die ersten Resultate bei der Zielgruppe durchfallen und das Projekt zu scheitern droht. Daher lohnt es sich, sich bereits vor Projektbeginn Gedanken zur Integration von UX zu machen und sich entsprechende Hilfe zu holen, falls die UX Kompetenz intern nicht vorhanden ist. Nebenbei können so Entwicklungskosten gespart werden.
Wie man konkret vorgeht, um die User Experience von Business Anwendungen zu verbessern, auf was man in der Praxis achten sollte und wie UX im Unternehmen und in Projekten erfolgreich integriert wird, lesen Sie im zweiten Teil zu „User Experience für Business Anwendungen“.
Zum Autor
Christoph B. Bochsler, Managing Partner Cando
Über Cando
Cando ist eine Schweizer UX Agentur und Pionier im Bereich User Experience für Business Anwendungen. Seit über 10 Jahren entwickelt Cando aussergewöhnliche Kundenerlebnisse für Unternehmen wie Swisscom, SBB, Schweizerische Post, ETH, Zürich Versicherung und viele weitere nationale und internationale Unternehmen.
Dabei setzt Cando auf einen Mix aus modernen User Centered Design Methoden, kombiniert mit wissenschaftlichen Ansätzen und langjähriger Praxiserfahrung aus Innovationsprojekten. Cando berät Kunden nicht nur, sondern setzt auch selber um – vom Prototyp bis zur komplexen Business Anwendung.
Als unabhängiger und neutraler Partner unterstützt Cando Unternehmen, Start-Ups und Anbieter bei der Ideenfindung und Innovationen, entwickelt neuartige Applikationen oder optimiert bestehende Business Anwendungen hinsichtlich der User Experience.
Cando stellt zudem einzelne UX Experten für Projekte zur Verfügung, baut firmeninterne UX Teams auf und sorgt für die nahtlose Integration von UX in den agilen Entwicklungsprozess.
Mehr zu Cando und zum Thema: www.cando-image.com/ux4business

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