On- und Offline-Daten: Nur zusammen richtig stark

14.01.2022
5 Min.
Kundendaten werden überall gesammelt, ob offline im Supermarkt mit den Punktesammelkarten oder Online mit dem eigenen Account in den diversen Shops und Marktplätzen. Doch erste wenige Anbieter verbinden die beiden Welten zu einem kundenzentrierten Einkaufserlebnis. In diesem Fachartikel erfahren Sie, was eigentlich alles möglich wäre – und warum Sie gut daran tun, sich auch in Ihrem Unternehmen damit zu beschäftigen. Denn Ihre Konkurrenz schläft nicht.
 
Es ist eine Tatsache: Viele Kunden informieren sich online, bevor sie einen Kauf tätigen, einen Vertrag abschliessen oder einen Dienstleister auswählen. Der Vertragsabschluss findet aber immer noch häufig offline statt. Man spricht von sogenannten ROPO (research online, purchase offline) bzw. ROBO (research online, buy offline) Kunden.
 
Der Schritt des Kunden von der Online- in die Offline-Welt kann vielfältige Ursachen haben. Weiss man jedoch über das Verhalten der Kunden Bescheid, indem man den Offline-Kauf mit der vorhergegangenen Online-Information verknüpft, kann das Kaufverhalten spezifisch angegangen und zum eigenen Vorteil genutzt werden. 
 
 

Freie Sicht dank kanalübergreifender Datenverknüpfung

Egal, wie gut die Analyse ist: Wer Online- und Offline-Daten getrennt betrachtet, sieht immer nur einen Teil des Bildes. Erst die Verknüpfung der beiden Welten setzt die Einzelteile zu einem Gesamtbild zusammen. Bei vielen Firmen sind die Kundendaten noch über diverse Abteilungen verteilt: Die Business Intelligence (BI) oder Kunden Analytics Abteilung wertet klassische Stammdaten aus, das Digitale Marketing kennt das Kundenverhalten auf den digitalen Kanälen sowie den eCommerce-Plattformen, das Social Media Team interagiert mit der Kundschaft in den Sozialen Netzwerken und das User Experience (UX) Team versucht, der Kundschaft das bestmögliche Online-Erlebnis auf den eigenen Webseiten zu ermöglichen. 
 
Jedes dieser Teams arbeitet mit unterschiedlichen Tools und sammelt unterschiedliche Daten über anonyme oder bekannte Kunden. Ein Austausch, der nicht nur kanalübergreifend, sondern auch abteilungsübergreifend funktionieren muss, stellt viele Unternehmen vor Probleme. Dennoch lohnt sich die Investition, denn in der Folge bietet sich nicht nur eine komplette 360°-Sicht auf die eigene Kundschaft: Wenn die Kundendaten an einem zentralen Ort zusammenfliessen, arbeiten alle Abteilungen mit der gleichen Grundlage und können die Stammdaten (Kundenprofile) wiederum mit neuen Informationen und Daten anreichern.
 
 

Die Lösung – Eine Customer Data Platform

Die Industrie hat das Problem mittlerweile erkannt und bietet als Lösung eine sogenannte Customer Data Platform (CDP): Anders als klassische Analysetools beobachtet eine CDP nicht nur einen Kanal, sondern analysiert den Kunden über all seine Berührungspunkte mit dem Unternehmen, egal ob online oder offline. Eine CDP merkt sich das Verhalten des Besuchers kanal- und device-übergreifend und kann die gewonnen Informationen in Echtzeit anderen Systemen zur Verfügung stellen.
 
 

Dazu ein praktisches Beispiel:

  • Am Tag 1 besucht ein Nutzer über seinen Laptop unsere Seite. Er informiert sich über französische Rotweine aus dem Anbaugebiet Bordeaux in der Preiskategorie 29 CHF bis 50 CHF. Er legt ein paar Weine in den Warenkorb, bricht den Online-Kauf aber ab.
  • Am Tag 5 findet der Kunde unseren Newsletter in seiner E-Mail-Inbox. Er klickt auf die Weine in Aktion. Nun wissen wir, dass es sich um den gleichen Besucher wie vor 4 Tagen handelt. Da er unsere Seite über den Newsletter aufgerufen hat, wissen wir dank der hinterlegten E-Mail-Adresse (erika.muster@beispiel.com), dass es sich um Frau Muster handelt. Ausserdem können wir durch den Klick annehmen, dass Frau Muster gut auf Aktionsangebote anspricht.
  • Am Tag 7 geht Erika Muster ins Geschäft und kauft sich eine Auswahl feiner Bordeaux Weine. Der Verkäufer fragt Frau Muster, ob der Einkauf dem Kundenkonto zugewiesen werden darf und er ihr die Quittung inkl. Verkostungsnotizen per E-Mail zustellen kann. Nun ist der Einkauf (offline) mit dem Kundenkonto (online) verknüpft.
  • Am Abend des gleichen Tages meldet sich Frau Muster zuhause mit dem Tablet beim Weinportal mit ihrem Login an, um die Verkostungsnotiz zu lesen. Nun können wir auch die Browservergangenheit des Tablets diesem Kunden zuordnen.
 
 
(Illustration: zweipunkt GmbH)
 
 

Was nützen uns diese Daten?

Ab diesem Moment sind Daten aus verschiedenen Online-Kanälen mit Offline-Kundeninformationen verbunden. Über den Online-Kanal haben wir erfahren, dass der Versand des Newsletters zum Verkauf geführt hat. Und dank der Verknüpfung mit den Offline-Daten können wir auf das Kaufverhalten aus dem traditionellen Geschäft zurückgreifen. 
 
Diese Informationen können in Echtzeit weiterverarbeitet werden und dienen etwa der Marketing Automation (Personalisierung der Webseite, Newsletter, Mailing) oder dem Retargeting und Upselling über Marketingplattformen wie GMP und SalesCloud. Ausserdem wird durch die Verknüpfung eine Datenbasis geschaffen, auf deren Grundlage mit Data Science Methoden Muster gefunden und Modelle abgeleitet werden können, um Produkte und Dienstleistungen weiterzuentwickeln und noch besser auf die Kundenbedürfnisse abzustimmen.
 
Daten helfen zudem, jedem Kunden eine persönliche Customer Experience zu ermöglichen. Im traditionellen Geschäft ist diese bereits seit langem Standard – je nach Branche wird sie sogar erwartet. Ein Stammkunde im Dorfladen seines Wohnorts erwartet, mit Namen angesprochen zu werden und vom Verkäufer auf neue Produkte hingewiesen zu werden, die seinem Geschmack entsprechen.Der Kunde fühlt sich als Person wahrgenommen und wertgeschätzt und verlässt das Geschäft mit einem positiven Gefühl. 
 
Ein solches Einkaufserlebnis mit positivem Abschluss für Kunde und Unternehmen wird auch online angestrebt. Dank den Daten aus Online- und Offline-Kanälen wird der Online-Kontakt für den Kunden zu einer durchgehend positiven und personalisierten Erfahrung.
 
 

Ennet dem Teich

In den USA und in Grossbritannien ist die Nutzung einer CDP bereits deutlich verbreiteter als in der DACH-Region. Wer diesen Weg in der Schweiz einschlägt, ist der Konkurrenz also mindestens einen Schritt voraus. Es ist aber auch Vorsicht geboten: Die Einführung einer neuen Technologie ist mit Kosten verbunden. Wer sich entscheidet, eine CDP anzuschaffen, sollte den Anbieter mit Bedacht wählen, um nicht von einer Blackbox in die nächste zu wechseln und unter Umständen gar in ein Abhängigkeitsverhältnis abzurutschen.
 
Eine gute CDP sollte agnostisch sein und mit möglichst vielen Anbietern aus den Bereichen Analytics, Marketing, Cloud, Customer Relationship Management und Business Intelligence zusammenarbeiten. Es sollte zudem unbedingt darauf geachtet werden, dass die Hoheit über Ihre Kundendaten bei Ihnen bleibt: Verschenken Sie diese wertvolle Ressource nicht an irgendeinen Technologieanbieter!
 
 

First Party Data

Die Anschaffung einer CDP hat einen weiteren grossen Vorteil: Sie ist der erste Schritt in Richtung einer First Party Data Strategy. Aktuell beruhen viele Aktivitäten im Online-Marketing auf Third Party Cookies. Deren Zeit neigt sich aber dem Ende zu: Viele wichtige Internetbrowser haben damit begonnen, die Nutzung von Third Party Cookies massiv einzuschränken. Google Chrome wird Anfang 2023 nachziehen. Spätestens dann dürften Third Party Cookies definitiv abgelöst werden. Zukunftsfähige Strategien beruhen auf First Party Daten, wie sie in einer CDP verwaltet werden. Wer auf eine CDP setzt, ist also auch dafür gewappnet.
 
 

Zum Abschluss

Wundern Sie sich also nicht, wenn sich zukünftig Ihre Autoverkäuferin nach Ihrem Wohlbefinden erkundigt und Sie ganz nebenbei auf eine Aktion hinweist, die genau auf Ihre Bedürfnisse abgestimmt ist. Oder wenn sich danach Ihr Versicherungsberater meldet und Sie fragt, ob Sie Bedarf nach einer Autoversicherung haben. Diese Firmen haben den ersten Schritt gemacht, die Online-Welt erfolgreich mit dem traditionellen Geschäft verbunden und einen Mehrwert aus den Informationen generiert, um die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden noch besser erfüllen zu können.  
 
 

Der Autor

Philipp Grossenbacher ist Gründer der zweipunkt GmbH, einer Agentur für Digitale Analyse und Datenvisualisierung. Die Digitale Analyse begleitet ihn seit über 20 Jahren, er ist fasziniert von den Möglichkeiten, wie Daten gesammelt und genutzt werden können. Wer das Potenzial der Daten erkennt und bereit ist, diesen Weg zu gehen, ist vielen schon einen Schritt voraus. 
 
 

 

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