Wer sich in der Welt von Grossprojekten bewegt, muss mit Superlativen umgehen können. Allein für den Bau des unterirdischen Pumpspeicherkraftwerks Nant de Drance lieferte die Marti Technik AG eine Tunnelbohrmaschine mit 9,45 Metern Durchmesser, eine 5,5 Kilometer lange Förderbandanlage sowie ein Kieswerk. Das Vorhaben umfasste ein Projektvolumen von 50 Millionen Schweizer Franken und hat eine Laufzeit von sechs Jahren. Die Komplexität solcher Vorhaben stellt höchste Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Projektmanagements. Bei Marti Technik gehört dazu auch der Bau grösserer Infrastrukturanlagen wie etwa das Teil-Los der elektromechanischen Ausrüstung des Lötschbergtunnels. Hier koordinierte der Anlagenfertiger als Generalunternehmen eine Vielzahl von Partnerunternehmen, welche die Komponenten der Lüftungs-, Brandschutz- und Sicherheitstechnik lieferten.

Ausgangslage: Insellösungen verhindern die Nutzung gemeinsamer Daten

Bei komplexen Grossaufträgen kommt es immer stärker darauf an, dass unsere Projektleiter ein Maximum an Prozesstransparenz erhalten. Nur wenn tagesaktuelle Informationen zu Terminlage, Arbeitsfortschritt, Lieferstatus und Budgettreue vorliegen, gewinnen wir genug Planungssicherheit, um auch kapitalintensive Grossprojekte erfolgreich zu organisieren“, weiss Peter Rufer, Leiter Projektentwicklung bei Marti Technik. Mit dem vorherigen Informationsmanagement war eine solche Sicht auf die Wertschöpfung nicht zu haben. Bis Anfang 2011 planten und steuerten die Projektbeteiligten ihre Aufgaben mit Excel-basierten Software-Werkzeugen, die sie sich im Laufe der Jahre in Eigenregie zugelegt hatten. Da eine datentechnische Integration dieser Insellösungen zu hohen Kosten geführt hätte, fand der projektübergreifende Informationsaustausch in erster Linie informell statt. Aus Mangel an geeigneten Informationen waren die Projektverantwortlichen in erster Linie auf ihr Bauchgefühl angewiesen, um den Auftragsverlauf zu steuern, so etwa in den Bereichen Einkauf und Versand. Aufgrund des Geschäftswachstums entschied sich Marti Technik, sämtliche Wertschöpfungsprozesse aus allen Geschäftsbereichen in einer einzigen IT-Lösung abzubilden, um eine umfassende Prozesstransparenz zu erreichen.

Zielsetzung: Transparenz bei der Organisation und Abwicklung von Grossprojekten

Einzel- und Auftragsfertiger wie Marti Technik müssen während der gesamten Projektlaufzeit Konstruktionsänderungen verarbeiten können. Um trotzdem planen zu können, nutzen sie wachsende Auftragsstücklisten, über die sich die zu entwickelnde Anlage zunächst skizzieren und dann schrittweise präzisieren lässt. Dabei muss die Auftragsstückliste so flexibel sein, dass sich Kapazitäten im eigenen Haus und bei Partnern so ordern lassen, dass über die gesamte Projektlaufzeit eine gleichmässige Auslastung erfolgt und möglichst niedrige Einkaufspreise anfallen.

An die laufend aktualisierte Auftragsstückliste knüpfen sich alle Transaktionen und Buchungen des Auftragsmanagements. Geben die Konstrukteure eine aktualisierte Stückliste frei, müssen alle involvierten Stellen wie etwa die Auftragsleitstelle automatisch erkennen, ob anhand einer früheren Version der Stückliste Beschaffungsvorgänge angestossen wurden, oder ob durch Konstruktionsänderungen ein zusätzlicher Handlungsbedarf entsteht.

In der Flexibilität der Versandsteuerung liegt eine weitere zentrale Anforderung an das integrierte Auftragsmanagement. Marti Technik muss ein komplexes Baustellenmanagement organisieren, in welches zusätzlich zur eigenen Produktion auch zahlreiche Lieferanten einzubinden sind. In der Praxis geht es darum, die Packstücke den Versandeinheiten, genannt Colli, eindeutig zuzuordnen. Die Monteure müssen auf der Baustelle mit minimalstem Suchaufwand erkennen, wo welches Bauteil zu finden ist. Angesichts von bis zu 100 Ladungen bzw. Teillieferungen, die oft mehrere Container gleichzeitig umfassen, entsteht ein hohes Mass an Komplexität.

Lösungskonzept: Massgeschneiderte Lösung dank Flexibilität des ERP-Systems

Gemeinsam mit einem Unternehmensberater analysierte Marti Technik 2009 seine Geschäftsprozesse und erstellte ein Pflichtenheft, welches an sieben ausgewählte Anbieter versandt wurde. Davon blieben drei übrig, die sich ausreichend für die auftragsspezifische Arbeitsweise des Maschinen- und Anlagenbaus geeignet zeigten. Die Endauswahl stützte sich auf mehrtägige Workshops und Referenzbesuche. Im Anschluss entschied sich Marti Technik für das Auftragsmanagementsystem ams.erp, welches das Beratungs- und Softwarehaus ams.erp Solution AG speziell für die Arbeitsabläufe von Einzel- und Auftragsfertigern ausgelegt hat. „Den Ausschlag gab die weitreichende Offenheit der Business-Software, dank derer wir das gesamte Spektrum unserer Geschäftsfelder ihren jeweiligen Anforderungen entsprechend abbilden können“, begründet Peter Rufer die Entscheidung von Marti Technik und fügt hinzu, dass die Flexibilität des neuen Systems nicht zuletzt auch in einer Teillösung deutlich wurde, welche die ams-Berater für das Rücknahmegeschäft von Marti Technik ausgearbeitet hatten. Diese Teillösung trägt dem Umstand Rechnung, dass zahlreiche Fördertechnikaufträge über den Verkauf und den Rückkauf beziehungsweise die Vermietung von Occasionanlagen erfolgen. ams.erp konnte eine umfassende Lösung aufzeigen, wie sich die mit dem Rücknahmeverfahren einhergehenden betriebswirtschaftlichen und fertigungsbezogenen Aufgaben managen lassen.

Die positiven Ergebnisse des Auswahlverfahrens bestätigten sich auch im Verlauf der Systemeinführung, die im Frühjahr 2010 begann. Als Ausgangspunkt diente die bereits vorliegende Geschäftsprozessanalyse. Im Februar 2011 ging die Basisinstallation des neuen Auftragsmanagements in den Produktivbetrieb über. In einer ersten Phase umfasste das System die Geschäftsbereiche Fördertechnik und Schalungsbau sowie den Bereich der Elektrotechnik, der den Anlagenbau bedient. Im Mai 2011 folgten der Anlagenbau „Steine und Erden“, das Infrastrukturgeschäft und der übrige Teil der Elektrotechnik. Angefangen beim Vertrieb, verläuft die unterstützte Prozesskette über Produktentwicklung, Einkauf, Arbeitsvorbereitung, Fertigung, Versandlogistik und Montage bis zum Service Management. Hinzu kommen Querschnittsaufgaben wie zum Beispiel Projektcontrolling. Bei der Abbildung seiner komplexen Unternehmensabläufe blieb Marti Technik so nah wie möglich am Standard der Software.

Um den Überblick über die Versandlogistik zu wahren, nutzt Marti Technik das in ams.erp integrierte Collierungsmodul, mit dem sich die Versandabläufe im Einklang mit dem übrigen Auftragsmanagement abwickeln lassen.

Nennenswerte Erweiterungen gab es für das bereits erwähnte Occasiongeschäft. Zudem erhielt der Schweizer Anlagenbauer eine Schnittstelle zur Finanzbuchhaltung Navision, die konzernweit in der Marti Holding genutzt wird, sowie eine Schnittstelle zum Dokumentenmanagementsystem Saperion.

Fazit: Planungssicherheit dank der gemeinsamen Nutzung aktueller Daten

In der Einführung von ams.erp sieht Peter Rufer einen erheblichen Transparenzgewinn für Marti Technik. Insbesondere erlaubt das Auftragsmanagementsystem ein projektbegleitendes Controlling. Über die mitlaufende Kalkulation gibt das System fortwährend darüber Auskunft, ob der Projektfortschritt den Planungen entspricht. „Mit dieser Rückmeldung sichern wir unser Geschäft. Da unsere lang laufenden Projekte erhebliches Kapital binden, ist es äusserst wichtig, so schnell wie möglich über eventuelle Schieflagen informiert zu werden, um so wirtschaftlich gegensteuern zu können“, unterstreicht Peter Rufer.