Wo bitte geht es nach New Work?

29.07.2020
6 Min.
Homeoffice und Videokonferenzen waren in den letzten Monaten für viele neuer Alltag, der Coronakrise sei Dank. Ist das nun schon «New Work» oder vielleicht die erstrebenswerte Arbeitswelt 4.0? Nicht ganz, denn es braucht nicht nur die passende Technologie, sondern auch grundsätzliche strategische Überlegungen sowie das Mitziehen der Mitarbeitenden, um die neuen Möglichkeiten für alle Beteiligten gewinnbringend zu nutzen. Doch wie schafft eine Firma den Weg zu New Work und in die Arbeitswelt 4.0?
 
(Bild: Mohamed Hassan / pixabay.com)
 
Sie laufen einmal durch die Kulturveränderung, nehmen aber bitte auch Ihre Mitarbeitenden mit, direkt auf die technischen Möglichkeiten zu und dann sind Sie am Beginn Ihres Weges angekommen.
 
Das wäre dann bereits die Abkürzung oder eigentlich ist es der Weg zur Arbeitswelt 4.0. Denn würde ich diesen Routenplan aus philosophischer Sicht und somit vom reinen Ursprung der New Work These schreiben, wäre allem voran darüber nachzudenken, wo uns diese Reise hinbringen soll und welche Hoffnungen oder Erwartungen wir haben.
 
Oder wie es Frithjof Bergmann, der Gründer der New Work Bewegung, erklärt: Es geht darum herauszufinden, was wir wirklich, wirklich wollen.
 
New Work beschreibt keine Methode, die mittels Tools oder durch klare Strukturen in eine Organisation implementiert werden kann oder deren Wirksamkeit im üblichen Sinn messbar wäre, und kann deshalb auch nicht im Unternehmen einführt werden. 
 
Aber auf die Frage nach dem Sinn von Arbeit in unserer heutigen Zeit, die immer häufiger und lauter gestellt wird, möchten die jungen Generationen jetzt auch Antworten haben. 
 
Bislang wurde viel über die Voraussetzungen geschrieben und refereirt, die es innerhalb der Unternehmen braucht, um den Sprung in eine Arbeitswelt der Zukunft zu bewältigen. Allem voran gibt es Tipps zur digitalen Transformation, zu neuer Führung, veränderter Hierarchie und Kommunikation, sowie zur Anpassung der rückständigen Strukturen in der physischen Arbeitswelt; kurz zu Mensch, Arbeitsort und Technik. Oder aussagekräftiger, weil umfassender auf Englisch: People, Place, Technology. Wirklich angewendet und umgesetzt wurde davon aber kaum etwas.
 
In welcher Geschwindigkeit sich aber die Notwendigkeit des Handelns bei all diesen Themenbereichen einstellen kann, wurde uns durch die vergangenen Monate aufgrund des Lockdowns wegen der Corona Pandemie zum ersten Mal wirklich bewusst.
 
Aus diesem «Massenexperiment», wie es Barbara Josef in einem aktuellen Interview nennt, resultierten neue Erkenntnisse: Homeoffice tut nicht weh und man stellt mit grosser Überraschung fest, flexibel zu arbeiten ist in vielen Branchen und fast überall möglich. Die Angestellten arbeiten auch ohne Kontrolle - und Stimmen aus den Chefetagen lassen Sorge darüber verlauten, dass sogar eher mehr gearbeitet wird.
 
Berichten zufolge verlaufen Meetings viel effizienter und konstruktiver, eine Fülle von Wissenstransfer durch Webinare wird online und sehr oft kostenlos zur Verfügung gestellt und man rückt trotz «Social Distancing» gefühlt näher zusammen.
 
Sogar das wichtige Business-Meeting mit dem Geschäftspartner in Übersee muss nicht vor Ort durchgeführt werden, sondern findet umweltfreundlich und massiv kostengünstiger als Video-Konferenz statt. 
 
Einen weiteren interessanten Aspekt, der dann wieder New Work betrifft, dürfte sein, dass die Diskussionen um das bedingungsloses Grundeinkommen wieder angeschoben werden.
 
Neue Führung ist notwendiger denn je und die Aufholjagd zur verpassten digitalen Transformation kann beginnen.
 
Es gibt nicht das Rezept, um einen erfolgreichen Wandel zu gewährleisten, aber alle Unternehmen sollten jetzt aus dieser Erfahrung lernen, wieder neugierig und hungrig werden. Es ist an der Zeit, sich wieder dem «Why» bewusst zu werden.
 

Eine Organisation beherbergt so viele unterschiedliche Bedürfnisse, wie sie Mitglieder hat.

 
«Die digitale Transformation findet ohne die Mitarbeiter statt». Mit diesem Titel wurden die Ergebnisse zur Studie der FHNW, an der ich mitwirken durfte, veröffentlicht – und genau dort muss zwingend der gemeinsame Beginn für einen Wandel gesetzt werden, auch in Richtung «New Work».
 
Je grösser der Betrieb, umso schwieriger wird es die Mitarbeiterzufriedenheit in einzelnen Themenbereichen zu analysieren und die wesentlichen Probleme im Unternehmen zu identifizieren. Aufschluss darüber kann nur eine Befragung geben, die auch offene Kritik am Management zulässt. 
 
Den Angestellten muss heute die Möglichkeiten gegeben werden, das System bewusst und aktiv mitzugestalten und Einfluss zu nehmen. Es braucht Einsicht und Weitsicht, die Art und Weise des Einsatzes der bisherigen Managementinstrumente in Frage zu stellen. 
 
Viele Massnahmen sind bekannt, wie die Einführung einer positiven Fehlerkultur. Denn die Anforderung, keine Fehler zu machen, führt nicht zu weniger Fehlern, sondern vor allem zu einer wesentlich höheren Anstrengung, solche zu suchen. Immer verbunden mit enormem Zeitaufwand, etwaige Fehler zu vertuschen.
 
Vertrauen gehört ebenfalls dazu, denn warum sollte ich davon ausgehen, dass Arbeitnehmende bewusst eine Entscheidung treffen werden, die unserem Unternehmen schadet? Die Umsetzungen müssen im Team und in Vorbildfunktion innerhalb der Leitungsebenen erfolgen.
 
Die Rolle der Führungskräfte wird von «Kontrolle und Aufsicht» in «Coaching und Mitarbeit auf Augenhöhe» korrigiert werden müssen.
 

Arbeitswelt 4.0 ist die Reaktion auf die digitale Transformation, während New Work einer neuen Haltung zur sogenannten Lohnarbeit entspricht.

 
Ohne die Digitalisierung wäre neue Arbeit in dieser Art und Weise gar nicht denkbar. Durch die technischen und infrastrukturellen Möglichkeiten können wir arbeiten wo und eigentlich auch wann wir wollen. Das wird sich in vielen Unternehmen nachhaltig etablieren und der Auflösung des Einzelbüros in eine neue Arbeitsumgebung sollte nichts mehr im Wege stehen.
 
Die Integration von flexiblen Arbeitsmodellen und die Akzeptanz für mobiles Arbeiten wird auch in KMU eine der grössten Konsequenzen sein, die aus der hoffentlich überstandenen Krise erfolgen wird.
 
Demzufolge werden Schreibtische geteilt (Shared Desk/Flexible Office) und die Relevanz von Coworking wird weiterhin zunehmen, wobei ich sicher bin, dass sich nur wenige der rein gewinnorientierten Spaces halten werden. Bereits heute eröffnen vielerorts Banken und Versicherungen solche Räumlichkeiten oder unterstützen diese, um eine neue Zielgruppe anzusprechen. Wichtig ist: in gut besuchten Kreativ-Räumen finden sich oft die innovativen und selbstständigen Mitarbeiter, die wir im Unternehmen dringend brauchen.
 

Um disruptive Veränderung hervorzubringen, müssen wir Wissen teilen.

 
Unzählige Firmen haben innerhalb weniger Wochen ihre Geschäftsfelder neu ausgerichtet und dies in einem Tempo, das sie selbst wohl noch im letzten Jahr für unmöglich gehalten hätten.
 
Das Angebot auf den Onlinemarkt ist explodiert und es entstehen immer wieder neue Märkte rund um digitale Produkte.
 
Wissen und Entwicklung stehen dabei hoch im Kurs. Aber begründet durch die veränderte Kommunikation über digitale Medien und Online-Zusammenarbeit, sind Kollaborationsplattformen und Projektmanagementsoftware der Megatrend. Wir müssen weg vom Arbeiten als Einzelkämpfer und im Teamgedanken allen die Möglichkeit geben, auf Informationen zuzugreifen, sie aber damit nicht von der Tätigkeit abhalten, wie es bisher mit den Massen von E-Mails geschah.
 
Es gibt inzwischen einige Tools für Home-Office und Remote Work, auch im Open Source. Wirklich durchgesetzt haben sich aber lizensierte Systeme, da Support und Weiterentwicklung vertraglich gewährleistet sind. 
 
  • Amazon, Dropbox, Google-Drive und Microsoft OneDrive bieten günstige Cloud-Dienste und Datenspeicher an.
  • Bei Anbietern von Gruppenchats, kommen wir an Slack, dank der präzisen Suchfunktion und Integrationen nicht vorbei, ebenfalls nicht an WhatsApp Business. Microsoft Teams ersetzt Skype for Business, Threema und Teamwire sind ebenfalls geläufig. 
  • Für Video und Audio Konferenzen bietet Zoom umfangreiche Funktionen, GoToMeeting sogar mit HD-Unterstützung, Google Hangouts ist kostenlos und funktioniert direkt über den Browser – auch hier kommt Microsoft Teams für komplexe Kollaboration als einer der grössten Player ins Spiel.
  • Im Projektmanagement gehen Jira, Trello, Asana, Wrike, Meistertask, Miro und Bitrix24 ins Rennen; mit der einfachen Handhabung und im Rahmen der DSGVO punktet factro.
 
In meinem aktuellen Interview mit dem deutschen Anbieter konnte ich weitere wichtige Hinweise für die digitale Zusammenarbeit geben.
 
Das ist nur eine Auswahl. Die minimale Zeitspanne zur schnellen Sicherung der Unternehmenskommunikation machte es KMU oft unmöglich, die vielen Anbieter hinreichend auf ihre Anwendungsmöglichkeiten zu testen. Ich persönlich würde mir eine klare Übersicht auf der Homepage wünschen, welche die Entscheidungswege vereinfacht und beschleunigt.
 
Um digitale Werkzeuge aber langfristig sinnvoll einsetzen zu können, gehört es dazu, die Mitarbeitenden hinreichend zu befähigen und aktive Anleitung zu garantieren. 
 

8 Punkte als kleine Roadmap in die Arbeitswelt 4.0/New Work

  1. Umfrage zur Mitarbeiterzufriedenheit im Unternehmen
  2. Leitbild und Werte als gemeinsame Orientierung entwickeln und manifestieren 
  3. Selbstverantwortliches Handeln der Mitarbeitenden fördern und fordern
  4. Wertschätzende Massnahmen integrieren, die nicht in direkter Verbindung mit dem Unternehmen stehen
  5. Massnahmen wie Employer Brandig, zur Identifikation mit dem Unternehmen einführen
  6. Infrastruktur für innovatives und gesundes Arbeiten ermöglichen
  7. Flexible Arbeitsort- und Arbeitszeitmodelle anbieten, mit technischer Unterstützung und entsprechender Befähigung 
  8. Regelmässige Präsentation der Umsetzung und Weiterentwicklung der Ergebnisse durch neue Methoden

    Heike Bauer (2020), gonline.ch, mitarbeiterzufriedenheit.ch

 

Die Autorin

Heike Bauer hilft Organisation bei den ersten Schritten in eine neue, digitale Arbeitswelt, mit den Instrumenten eines zeitgemässen NEW-WORK-Ansatzes. Sie identifiziert schnell und unkompliziert die Stolpersteine im Unternehmen, die den Weg für einen echten kulturellen Wandel in die neue Arbeitswelt versperren und unterstützt mit einem kompetenten Partner-Netzwerk.
 
 

 

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