Sind wir mal ehrlich. GEVER oder Elektronische Geschäftsverwaltung ist letztlich nichts anderes als das Dokumentenmanagement der Öffentlichen Verwaltung. Worum geht es dabei? Sehr summarisch formuliert, um das Management von Akten. Stichworte: Dokumenten-Lebenszyklus inkl. Archivierung und Records Management. Mir als Schreibendem – wohl weil zu jung – ist nicht klar, warum nicht einfach der Begriff Dokumentenmanagement verwendet wird für das, was nun GEVER heisst. Eigentlich spricht nichts dagegen. Die Eigenart der öffentlichen Verwaltung ist gelegentlich, dass sie eigene Begrifflichkeiten verwendet, um bestimmte Dinge zu bezeichnen, die analog auch in der Privatwirtschaft vorkommen. Aber es kommt noch besser. Über die Schweizer Grenze hinaus schauend stellt man fest, dass das gleiche Thema in Österreich mit Elektronischem Akt (ELAK) bezeichnet wird. Und in Deutschland wurde das gleiche Thema früher als DOMEA (Dokumentenmanagement und elektronische Archivierung im IT-gestützten Geschäftsgang) und seit 2012 unter dem Namen Organisationskonzept elektronische Verwaltungsarbeit veröffentlicht. Viel Standardisierungsarbeit wurde in der Schweiz und in Deutschland in dieser Domäne geleistet, mit etwas zweifelhaftem Ausgang.

Die Lösung des GEVER-Rätsels

Möglicherweise haben die verschiedenen Bezeichnungen des Dokumentenmanagements in der Öffentlichen Verwaltung ja einfach damit zu tun, dass die Geschäftsverwaltung in der Öffentlichen Verwaltung ganz unterschiedliche Ausprägungen annehmen kann. Da kann es um die Entwicklung von Gesetzesvorschlägen gehen, da kann es um die Verschriftlichung von Gesetzen und Verordnungen oder politischen Programmen gehen. Bescheide aller Art fallen unter den Begriff Dokumente. Es kann aber auch um das Dokumentenmanagement im Zusammenhang mit Büroautomation (Word-Dokumente, Powerpoint-Präsentationen, etc.), Fotos, Filmen und Weiterem gehen, aber auch um Dokumente, welche in Datenform in Fachanwendungen gehalten werden, etwa Belege in einer Gemeindeverwaltungslösung. Ob das Management dieser Daten alleine in einem einzigen System, eben dem GEVER-System erfolgen soll? Man zweifelt.

Erfordernis einer klaren Positionierung von GEVER in der Öffentlichen Verwaltung

Und daraus resultiert bereits das nächste Problem. Wenn es nach gewissen Apologeten geht, dürfen keine Dokumente mehr in anderen Systemen oder Dateiablagen mehr gehalten werden, sondern nur noch im GEVER-System oder eben im Dokumentenmanagement-System – das scheint völlig unrealistisch. Die GEVER-Idee hat zugegebenermassen – sofern GEVER am richtigen Ort eingesetzt wird – den Charme oder Vorteile, dass Dokumente nicht über unzählige dezentrale Stellen hinweg mehrfach und redundant und womöglich nicht versioniert gehalten werden. Denken wir nur mal an die Tatsache, dass wir die Dokumente als Email-Attachments die wir an Adressaten und CC-Adressaten senden, dann ja plötzlich dutzendfach irgendwo gespeichert halten. Eine einmalige Haltung von Dokumenten, auf die man nur noch referenziert, ist grundsätzlich ein sehr löblicher Vorsatz. Spart man doch dadurch teuren Speicherplatz und damit Rechenpower und letztlich Geld.

Nur machen heute öffentliche Verwaltungen, wenn sie sich dem GEVER-Thema widmen, den Bock zum Gärtner. Da wird dann davon gesprochen, dass das GEVER-System das Lead-System für Dokumente und – noch schlimmer – auch für Geschäftsprozesse darstellen soll. Daneben soll es keine anderen Systeme mehr geben dürfen. Das tönt so ähnlich wie wenn aus unternehmens-architektonischer Sicht das Dokumentenmanagement- oder GEVER-System über allen anderen Fachanwendungen in der Verwaltung stehen soll oder muss.

Zumindest in Teilen müsste das Gegenteil der Fall sein. Es müsste sich unterordnen, oder generischer gesagt: Wissen wir denn eigentlich genau, wofür wir GEVER-Systeme einsetzen sollen? Für Alles oder für nur sehr Weniges?

Die differenzierte GEVER-Betrachtung

Eine differenzierteres Betrachtung des Einsatzes von GEVER-Systemen – etwa im Kontext von unterschiedlichen Bereichen des Verwaltungshandelns – müsste wie folgt aussehen. Denken wir an Bereiche wie die politische Verwaltung, in welcher eben Gesetze, Vorschläge dazu und Verordnungen sowie politische Programme ausdifferenziert und entwickelt werden, mag eine dominante Position des GEVER-Systems durchaus Sinn machen. Denken wir an andere Bereiche der Verwaltung, etwa die Vollzugs- oder Leistungsverwaltung, die zuständig ist für das Verwaltungshandeln gegenüber Bürgern und Unternehmen sowie anderen Verwaltungen, dann ist hier meist der Einsatz von spezifischen Fachanwendungen Tatsache. Hier dürfte aus architektonischer Sicht das GEVER-System tendenziell eher für Input- und Output-Dokumenten-Verwaltung oder für den Transport von Dokumenten eingesetzt werden.

„Revisited“, heisst es im Titel. Ja, wir sind diesbezüglich immer noch gleich weit. Ausschreibungen bei Gemeinden, Kantonen und dem Bund hin oder her. Ob ausgehend von den obigen Überlegungen bei klarer Fokussierung von GEVER-Projekten in der öffentlichen Verwaltung diese Projekte nicht eventuell kleiner und überschaubarer wären? Möglicherweise schon; vor allem wären sie wohl architektonisch klarer positioniert und abwickelbar. Hat mal jemand von einem Anforderungsmanagement gesprochen im GEVER-Umfeld, in dem genau die oben thematisierten Sachverhalte reflektiert werden? …

GOV@CH 2015: Software-Messe und Academy Day für öffentliche Verwaltungen

Die Berner Fachhochschule (BFH) und deren E-Government-Institut veranstalten parallel zur topsoft in derselben Halle 5 die GOV@CH – eine auf Verwaltungslösungen ausgerichtete Softwaremesse. Gemeinden, Kantone und Bund sowie deren von IT betroffene Personen sowie IT-Beschaffer bei Bund, Kantonen und Gemeinden haben an der topsoft und an der GOV@CH die einzigartige Chance fast alle relevanten Softwareprodukte, welche auch in Verwaltungen zur Anwendung kommen, vor Ort studieren und evaluieren zu können, vom GEVER-System bis hin zum Office-Paket oder der ERP-Lösung in ganz unterschiedlichen Skalierungsformen.

Zudem veranstaltet die BFH parallel zu den beiden Messen die Academy KMU (25.08.2015) und die Academy Government (26.08.2015), zwei Veranstaltungen mit je ganztägigen thematischen Streams unter anderem zum GEVER-Thema, zum BPM-Thema, zum Cloud-Computing in der öffentlichen Verwaltung sowie zum Thema IT-Strategie, IT-Governance und IT-Servicemanagement in der öffentlichen Verwaltung.

GOV@CH Messe & Konferenz für Digitale Verwaltung
25./26. August 2015, Messe Zürich

Link zur Website GOV@C

 

 

 

 

 

 

Konrad Walser

Prof. Dr. Konrad Walser ist Dozent und Senior Researcher am E-Government-Institut der Berner Fachhochschule | www.e-government.bfh.ch. Er ist Co-Organisator und Programmleiter der Gov@CH  – der neuen Messe und Konferenz für Digitale Verwaltung.