Das ERP-System ist seit Jahrzehnten das Herzstück vieler Unternehmens-ITs. Und der Markt ist im Prinzip voll davon. Allein in der topsoft Marktübersicht buhlen 126 IT-Anbieter mit 168 ERP-Systemen um die Gunst der Kundschaft. Trotzdem drängen weiterhin neue ERP-Lösungen auf den Markt. Warum? Wir haben die Experten gefragt und erfahren, warum es immer noch Innovationen im ERP-Markt braucht.

Symbolbild Firefly
Wie kommt man als Schweizer IT-Anbieter auf die Idee, im Jahr 2024 ein neues ERP-System auf den Markt zu bringen? Ist das Angebot nicht schon gross genug? Dieser Frage sind wir nachgegangen und haben Experten befragt, deren Unternehmen dieses Jahr ein neues ERP-System vorgestellt haben.
Befragt haben wir
Maurice Hälg, Direktor und Mitgründer
Immensive SA sowie
Uwe Singer, Geschäftsführer
boreas AG. Schon die erste Frage kommt auf den Punkt:
Warum entwickelt man als IT-Anbieter im Jahr 2024 noch ein neues ERP-System? Gibt es nicht schon genügend Lösungen?
«Grundsätzlich schon, aber eben nicht die Richtigen» meint Uwe Singer ganz pragmatisch. «Momentan findet auf dem Markt eine Konzentration statt, viele kleine Anbieter werden geschluckt und deren ERP-Systeme verschwinden vom Markt. Das Bedürfnis nach flexiblen und überschaubaren Lösungen, welche von regionalen Partnern entwickelt werden, nimmt deshalb zu. Zudem darf man nicht vergessen, dass eine Entwicklung mit den heute verfügbaren Werkzeugen längst nicht mehr so zeitintensiv ist wie früher. Es kann also auch viel rascher auf Wünsche von den Anwendern eingegangen werden.»
Maurice Hälg schlägt in dieselbe Kerbe: «Ja, da gibt es tatsächlich sehr viele Produkte auf dem Markt. Leider sind aber bestehende Systeme entweder oft für ganz spezifische Aufgaben zugeschnitten oder sie kommen mit unzähligen Modulen. In beiden Fällen benötigt man sehr viel Zeit, Energie und Geld für die Einführung/für die Konfiguration. ZenERP funktioniert sofort «out of the box» und enthält sämtliche Elemente für alle operativen Prozesse einer Firma an einem zentralen Ort – und dies sogar unter Einhaltung der strengsten Anforderungen, wie sie zum Beispiel für die Medizintechnik relevant sind.»
Beide befragten Unternehmen haben 2024 ein neues ERP-System entwickelt. Und so drängt sich die Frage auf:
Was waren für Sie die Hauptgründe, im Jahr 2024 ein von Grund auf neues ERP zu entwickeln?
Maurice Hälg antwortet mit einem kurzen Rückblick auf die Firmengeschichte und führt dann an: «Ein zentrales Motiv für die Entwicklung eines eigenen ERP-Systems war der Wunsch, alle relevanten Funktionen an einem Ort zu vereinen, anstatt zahlreiche Softwarelösungen mit inkompatiblen Schnittstellen zu verwenden. So sind nun alle Bereiche an einem Ort gebündelt und arbeiten nahtlos miteinander vernetzt, ohne externe Schnittstelle.
ZenERP war ursprünglich als interne Lösung konzipiert. Doch im Laufe der Jahre kamen Externe immer wieder in Berührung mit ZenERP, waren begeistert und wollten das System übernehmen. Und so haben wir uns entschieden, das Produkt offiziell zu kommerzialisieren.»
Für Uwe Singer zählt ein Grund ganz besonders: «Die Nähe zum Kunden. «KMU für KMU» ist die Devise. Ein ERP allein ist noch keine Garantie für eine wirkliche Verbesserung in den eigenen Prozessen. Wichtig ist, dass dieses ERP auch rasch und unkompliziert an die Bedürfnisse und laufenden Änderungen angepasst werden kann. Das lässt sich aber nur dann machen, wenn man 100 Prozent der Entwicklung selbst in der Hand hat.»
«Eine neue Generation von Software soll die neuen Technologien und auch die neueste Generation von Benutzern unterstützen.» Uwe Singer, Geschäftsführer boreas AG
Viele IT-Anbieter entwickeln ihre ERP-Lösung ständig weiter, echte Neuentwicklungen sind eher die Ausnahme. Deshalb unsere Frage an die zwei ERP-Experten:
Warum hat man nicht die bestehende Lösung weiterentwickelt? Oder gab es noch gar keine vorher?
Uwe Singer sieht praktische Gründe: «Eine neue Generation von Software soll die neuen Technologien und auch die neueste Generation von Benutzern unterstützen. Wenn wir nun versuchen, die bestehende Lösung mit einem neuen Anstrich moderner aussehen zu lassen, so ist dies nur teilweise erfolgreich und führt früher oder später in eine Sackgasse. Darum haben wir immer wieder mit komplett neuen Lösungen bei Zeile Null begonnen und daraus jeweils eine neue Generation unseres ERP geschaffen. Das Know-how wird übernommen, nicht aber der Sourcecode.»
Bei Maurice Hälg sind branchenspezifische Vorgaben die Hauptgründe: «Für Medizinsysteme gelten besondere Anforderungen an die Nachverfolgbarkeit, festgelegt in der Norm ISO 13485. Ein zentrales Element dieser Norm ist die ‹Individual Traceability›, die eine vollständige Rückverfolgbarkeit aller Komponenten und die lückenlose Dokumentation aller Arbeitsschritte umfasst. ZenERP zeichnet jeden Dateneintrag und jede Änderung automatisch auf, wodurch jederzeit Audits durchgeführt werden können.
Diese Anforderungen werden normalerweise nur von wenigen, sehr kostspieligen ERP-Systemen erfüllt, die aufwendig implementiert werden müssen. Bei ZenERP wurden diese Vorgaben von Anfang an in die Software-Architektur integriert und arbeiten im Hintergrund ohne zusätzlichen Aufwand für unsere Kunden. Auch Unternehmen ausserhalb des medizinischen Bereichs profitieren von diesen grundlegenden Mechanismen.»
Nicht jede ERP-Lösung hat die gleichen Stärken. Darum die Frage an die zwei Fachleute: Welche spezifischen Bedürfnisse oder Alleinstellungsmerkmale deckt Ihr ERP-System ab?
Da fallen Maurice Hälg verschiedene Qualitäten ein: «Für uns zählen die vollständige Nachverfolgbarkeit und die nahtlose Integration des QMS zu den herausragenden Merkmalen von ZenERP – besonders für ein SaaS-ERP, das nicht erst über Monate hinweg aufwendig und kostenintensiv konfiguriert werden muss. Man merkt in allen Aspekten von ZenERP, dass das System komplett von Grund auf entwickelt wurde, quasi auf der grünen Wiese, und dabei konsequent auf maximalen und sofortigen Mehrwert für das Business ausgerichtet ist.»
Auch Uwe Singer braucht nicht lange zu überlegen: «Kurz gesagt: Transparenz und Effizienz. Wir haben zwei Stossrichtungen, welche wir bei der Konzeption und Entwicklung unseres ERP umsetzen. Zum einen ist das eine konsequente und vollständig integrierte Prozessorientierung. Es geht dabei nicht, wie in den meisten Fällen, einfach um die visuelle Abbildung von Prozessen, sondern um die effektive Steuerung und Automation aller Prozesse in einem Betrieb durch das ERP. Zum anderen haben wir eine Technologie implementiert, welche ein weitreichendes Customizing ohne Verlust der Releasefähigkeit erlaubt. Diese beiden Punkte ermöglichen einerseits eine Anpassung des ERP an den Betrieb und anderseits ein laufendes ‹Mitwachsen› in der Zukunft.»
«Der Wunsch ist, alle relevanten Funktionen an einem Ort zu vereinen, anstatt zahlreiche Softwarelösungen mit Schnittstellen zu verwenden.» Maurice Hälg, Direktor und Mitgründer Immensive SA
Und zum Schluss wünschen wir uns von den Interviewpartnern einen Blick in die Glaskugel.
Wie sehen Sie die Zukunft des ERP-Marktes? Sehen Sie Technologien, die den Markt komplett verändern werden? Die Künstliche Intelligenz, zum Beispiel?
Als erster blickt Maurice Hälg in die Sterne: «Mit unseren Kunden diskutieren wir regelmässig, ob ein ERP durch kollaborative Plattformen wie Monday, Asana oder Trello ersetzt werden könnte. Dies ist nicht der Fall, da die Bedeutung strukturierter Daten oft massiv unterschätzt wird. Ein ERP ist weit mehr als nur Task-, Projekt- und Zeitmanagement.
Das bekannteste ERP-System, SAP, startete in den 1970er Jahren und dominiert noch heute den Markt. Obwohl es in die Jahre gekommen ist, basiert die Wirtschaft auf den Konzepten von SAP & Co. und ist darauf abgestimmt. Keine Technologie könnte dieses Setup kurzfristig vollständig verändern. Auch wenn viele an KI denken, sehen wir bei ZenERP darin vor allem eine Möglichkeit zur Effizienzsteigerung in der Datenaufbereitung und -abfrage, also bei der Interaktion mit einem ERP. Die Notwendigkeit für die Organisation aller Unternehmensdaten bleibt jedoch unberührt.»
Auch Uwe Singer sieht sinnvolle Einsatzmöglichkeiten für KI: «Momentan sind wir daran, in den Bereichen der Warenbewirtschaftung (Bestellvorschlag) und der Logistik (Tourenplanung) Elemente der KI anzubinden. Vieles davon ist zwar noch experimentell, aber in Zukunft werden diese Technologien zum Standard werden. Seit vielen Jahren redet man jedoch von SaaS, was jedoch einen Betrieb der Software in der Cloud erfordert. Bisher haben sich Firmen mit diesem Gedanken nur widerwillig auseinandergesetzt. COVID hat hier zu einem globalen Umdenken geführt und die Digitalisierung wird nun als Vorteil angesehen. Auch die im Browser betriebenen Applikationen sind inzwischen in Bezug auf Visualisierung und Bedienung (Tastatur) deutlich besser geworden. Neue Browser ermöglichen dies erst. Somit gehen wir davon aus, dass es in Zukunft wirklich in Richtung SaaS gehen wird.»
Auch im Jahr 2024 gibt es wirklich gute Gründe, ein neues ERP-System zu programmieren. Und vielleicht geben diese Ausführungen anderen IT-Anbietern einen Anstoss, einmal über eine neue Benutzeroberfläche hinauszudenken – denn bloss mit etwas Schminke passt sich kein ERP-System den modernen Anforderungen an.
Die Fragen gestellt hat Cyrill Schmid. Die Antworten wurden hier auszugsweise wiedergegeben. Alle Fragen und Antworten finden Sie hier:
Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 24-4
Das Schweizer Fachmagazin für Digitales Business kostenlos abonnieren
Abonnieren Sie das topsoft Fachmagazin kostenlos. 4 x im Jahr in Ihrem Briefkasten.