Progressive Web Apps – reif für B2B E-Commerce Anwendung?

11.03.2020
3 Min.
Digitale B2B-Handelskanäle haben mehr und mehr Umsatzrelevanz. Entsprechend mehren sich die Fragen nach geeigneten E-Commerce-Technologien, um auf veränderte Nutzungsgewohnheiten und Bedürfnisse von Anwendern zu reagieren. Im Fokus künftiger mobiler Anwendungsentwicklungen stehen Möglichkeiten, mit einer einzigen Web-Applikation alle Endgeräte und Displaygrössen bedienen zu können. Die Frage ist, für wen diese neuen Technologien sinnvoll sind und ob sie bereits die nötige Marktreife haben. 
 
(Bild Gerd Altmann / pixabay.com)
 
Der Umsatz im B2B-Umsatz in Deutschland wächst kontinuierlich: 2018 hat er laut dem Branchenreport der IFH Köln ein Volumen von 1300 Milliarden Euro erreicht. Der Grossteil entfiel auf automatisierte Beschaffungsprozesse (EDI), etwa ein Viertel entstand aus B2B-Einkäufen über Websites, Onlineshops und Marktplätze. Dieser Umsatzanteil aus nicht-automatisierten Prozessen verzeichnete in der Zeit von 2012 bis 2018 ein jährliches Wachstum von 15,4 Prozent. Eine Studie zu B2B-E-Commerce von Intellishop AG in Zusammenarbeit mit dem ECC Köln von 2019 zeigt, dass 86 Prozent der befragten Unternehmen einen eigenen Onlineshop für den Vertrieb nutzen. Apps für Mobile Shopping setzt etwa ein Drittel der Befragten ein, 41 Prozent planen deren Einführung. Zudem gehen rund 80 Prozent davon aus, dass die Bedeutung von mobilen Endgeräten im B2B-Kaufabschluss zunehmen wird. Kanalübergreifende Einkaufsoptionen für Geschäftskunden sind demzufolge für Unternehmen durchaus umsatzrelevant.
 
 

Progressive Web Apps  – eine Applikationsentwicklung für alle Plattformen 

Bei diesen Zahlen hat es Sinn, sich mit innovativen Technologien auseinander zu setzen, die derzeit für E-Commerce unabhängig vom Endgerät in der Diskussion stehen. So steigt etwa das Interesse an Progressive Web Apps (PWA). Ursprünglich von Google im Jahr 2015 eingeführt, haben PWAs bereits viel Aufmerksamkeit erregt, da sie relativ einfach, schnell und kostengünstig zu entwickeln und zudem ausgesprochen benutzerfreundlich sind. Sie sehen ähnlich aus wie mobile Apps und lassen sich genauso bedienen, werden aber mit Hilfe von Webtechnologien erstellt, die sie betriebssystemunabhängig machen. Dadurch entfallen etwaige regelmässige Updates, da dies über die Aktualisierung des gewählten Browsers mit den neuesten Funktionen und APIs erfolgt. Kurz: PWAs vereinen die Vorteile von nativen Apps und Responsive Websites auf einer zentralen Plattform. Doch inwieweit sind sie tatsächlich reif für den Einsatz im B2B-E-Commerce?
 
 

Service-Worker sorgen für nötige Offline-Fähigkeit

Die Offline-Fähigkeit ist ein weiterer Bereich, in dem PWAs punkten – ein wesentlicher Aspekt für Geschäftskunden, die über mehrere Kanäle Produktinformationen abrufen und Bestellungen aufgeben. Im Gegensatz zu einem herkömmlichen Webbrowser oder einer mobilen Anwendung funktionieren PWAs auch ohne eine aktive Internetverbindung. Durch den Einsatz von Service-Worker, einem Java-Script mit eigenem Cache, können Informationen gespeichert und geladen werden, die in früheren Sitzungen abgefragt oder eingegeben wurden. Besteht wieder eine Internet-Verbindung, werden nur die Daten neu geladen bzw. synchronisiert, die aktualisiert werden müssen. Dabei wird die gleiche Anwendungs-Shell beibehalten, was eine reibungslosere, nativere Erfahrung ermöglicht. Allerdings: PWA-Benutzer können offline keine Bestellung übermitteln– diese Informationen werden jedoch verarbeitet, sobald sie wieder online sind.
 
Ein weiteres nützliches Merkmal von PWAs ist ihre Fähigkeit zur Integration mit anderen Funktionen auf einem Endgerät, sei es ein Adressbuch, Zahlungsinformationen oder eine Kamera. Inwieweit dies möglich ist, hängt jedoch vom Betriebssystem des Geräts ab. Apple beispielsweise erlaubt den PWAs noch nicht den Zugriff auf die volle Funktionalität seiner Geräte – Apple hat erst im letzten Jahr lediglich angekündigt, seine Geräte PWA-fähig zu machen. 
 
 

Single Page Applications als Startpunkt für PWA-Strategien

Obwohl PWAs in der Tech-Community als heisses Thema gehandelt werden, sind sie noch wenig verbreitet – allein ihre Definition sorgt noch häufig für Verwirrung. Einige Unternehmen machen keinen Unterschied zwischen PWAs und Einzelseitenanwendungen (Single Page Applications/SPAs). Dies sind Websites, die durch Dezentralisierung sehr schnell reagieren. Das heisst, bei einer SPA stellt der Server nur die Nutzdaten bereit und sendet sie an den Browser. Der Webclient verwaltet die Sitzung und kann selbstständig auf Benutzeraktionen reagieren. Während die Website genutzt wird, werden für eine kontinuierliche Darstellung nur die notwendigen Informationen aktualisiert.
 
Eine SPA ist damit nur der erste Schritt zur Entwicklung einer PWA, aber keine eigentliche PWA. Dies wird häufig nicht klar unterschieden. Auch wenn Unternehmen ihren Kunden mit SPAs eine PWA-ähnliche Erfahrung bieten, gehören sie ohne die Offline-Funktionalität nicht in die Kategorie einer PWA.
 
 

Technologischer Generationswechsel – nicht akut, aber absehbar

Zur Beurteilung, wie die nächste Web-Applikation bzw. E-Commerce-Anwendung aussehen soll, sind zunächst die Anforderungen der Kunden wesentlich. Welche Elemente des Online-Kaufprozesses sind für sie am wichtigsten? Ist es die nahtlose Multi-Channel-Erfahrung, die Bereitstellung der neuesten Produktinformationen oder die Offline-Verfügbarkeit? Obwohl PWAs im Vergleich zu mobilen Apps vom Ansatz her für Anwender einen einfacheren Zugang sowie eine konsistentere Benutzererfahrung bieten, ist die Technologie noch in der Entwicklung begriffen. Aktuell fehlt noch die breite Marktreife und bis dahin dürfte es noch etwas dauern.
 
Dennoch wird deutlich: Klassischen Webanwendungen, die aus mehreren, untereinander verlinkten HTML-Dokumenten bestehen, werden auf absehbare Zeit abgelöst durch Applikationstechnologien, die nicht mehr zwischen Desktop und Mobilgerät unterscheiden. Es ist daher für Unternehmen ratsam, diese Entwicklung sorgsam zu beobachten und bei zukünftigen Planungen zur Modernisierung ihres E-Commerce-Auftritts zu berücksichtigen – dies betrifft sowohl die Auswahl der technologischen Plattform als auch das Designkonzept, das mit Technologien wie PWA neue Anforderungen erfüllen muss.
 
 

Der Autor

Arno Ham, Chief Product Officer bei Sana Commerce