Wie lässt sich die Modernisierung von Legacy-Systemen am besten bewältigen? Die möglichen Vorteile sind enorm, der Weg zur schlussendlichen Lösung aber oft nicht einfach erkennbar.
Als Nutzer erwarten wir effiziente Systeme die unser Leben vereinfachen und unsere Arbeit möglichst gut unterstützen. Dies ist aber oft nicht der Fall. Ein Grund dafür kann die fortgesetzte Abhängigkeit von Legacy-Systemen sein – diese bestehen in der Regel aus Kernsoftware, die aus einer Vielzahl von Gründen nicht ersetzt oder aufgerüstet wurde, obwohl es eigentlich neuere und bessere Technologien gibt.
Diese Systeme einfach zu ersetzen ist auf den ersten Blick die logische Folgerung. Ein solches Vorgehen ist aber nicht immer die beste Option und manchmal ist es aufgrund verschiedener Umstände auch nicht möglich. In den meisten Fällen sind Organisationen gezwungen Legacy-Systeme beizubehalten, und wählen daher als Alternative eine Modernisierung oder Erweiterung der betroffenen Umgebungen.
(Symbolbild: niko-AdobeStock)
Was ist ein Legacy-System?
Zunächst einmal definieren wir den Begriff "Legacy-System". In der IT-Steinzeit (ca. 1980er Jahre) war die elektronische Aktenverwaltung (Electronic Records Management, «ERM») eine perfekte Lösung für Unternehmen und Organisationen. Es gab dabei eine zentrale Ablage, die alle Kundenunterlagen, Rechnungen und eine Vielzahl anderer Back-Office-Prozesse enthielt. Diese Ablage, als Anlaufstelle für alle Geschäftsdaten, war intelligent, schnell und unverzichtbar.
Wenn Probleme auftauchten oder die Software nicht ganz das tat, was sie sollte, konnte man sie ausbessern oder umgehen. Ein typisches ERM wurde ständig um neue Anwendungen und Programme ergänzt, die jeweils einen überzeugenden Business Case auf dem Weg zur Digitalisierung umsetzten. Diese Erweiterungen waren dabei nicht eigenständig, da sie ja auf das zentrale ERM zugriffen. Mit der Zeit barg jede Ergänzung und Korrektur aber das Risiko das Gesamtsystem zu beeinträchtigten und erhöhte die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls.
In der heutigen Welt, in der Kunden und Unternehmen im Rahmen der digitalen Prozessautomatisierung einen nahtlosen Datenaustausch benötigen, sind diese riesigen Systeme komplex und unflexibel geworden. Sie genügen den dynamischen Anforderungen der heutigen Zeit oft nicht mehr.
Gründe für die Modernisierung von Legacy-Systemen
1. Sicherheits- und Compliance-Risiken in Legacy-Systemen
Digitale Sicherheit ist ein allgegenwärtiges Thema. Hacker hatten jahrzehntelang Zeit, Schwachstellen in Legacy-Systemen zu entdecken und Informationen darüber zu teilen. Einige Systeme werden nicht mehr vom ursprünglichen Anbieter unterstützt, da dieser vielleicht nicht einmal mehr existiert oder von einem anderen Unternehmen übernommen wurde. Legacy-Systeme können daher ein hohes Risiko darstellen. Patches zur Behebung von Schwachstellen müssen unter Umständen intern erstellt werden, was die IT-Abteilung zusätzlich belastet.
Auch die Compliance (Einhaltung von Vorschriften) bereitet Kopfzerbrechen. Anforderungen wie KYC (Know Your Customer) werden für Unternehmen immer wichtiger und sind in der Regel im Bank-, Finanz- und Versicherungswesen obligatorisch, ebenso Datenschutzmassnahmen wie PSD2 und GDPR. Mit einem Legacy-System sind solche Anforderungen oft wesentlich schwieriger umzusetzen, da sie nicht für diesen Grad an digitaler Komplexität konzipiert wurden.
2. Instandhaltung von Legacy-Systemen
Wartung und Support von Legacy-Systemen sind kostspielig und erfordern meist spezielle technische Fähigkeiten. Einige Systeme basieren immer noch auf heute archaisch anmutenden Programmiersprachen. Bei Vorstellungsgesprächen mit jungen neuen Mitarbeitern ist die Frage "Wie gut verstehen Sie COBOL?" vielleicht nicht die erste, die ein IT-Manager stellen möchte, aber sie kann entscheidend sein, wenn es darum geht, ein Legacy-System weiter zu betreiben.
Jede neue Anwendung, um die das System erweitert wird, kann Komplikationen und unvorhergesehene Auswirkungen mit sich bringen. Alle Komponenten müssen mit allen anderen Systembestandteilen kommunizieren, um zeitgemässe Anforderungen wie mobile Anwendungen und den zunehmenden Einsatz von KI zu ermöglichen. Dies kann zu einer grossen Herausforderung werden, wenn verschiedene Soft- und Hardwaregenerationen über dasselbe System miteinander verbunden sind. Während die Cloud mögliche Lösung bietet, ist der Weg dahin oft weit.
3. Verbesserung der operativen Effizienz
Oft führen einzelne Abteilungen ihre eigenen Softwarelösungen ein, um den Bedürfnissen gerecht zu werden. Diese Lösungen sind meist nicht für die gesamte Organisation zugänglich, was zu isolierten Abläufen führt. Die Beseitigung von Silos wird bei Legacy-Systemen noch schwieriger, und die Verbindung veralteter Kernsysteme mit neuen, spezialisierten Anwendungen stellt die IT-Abteilung vor grosse Herausforderungen.
4. Kosten für die Wartung von Legacy-Systemen
Hohe Kosten sind ein entscheidender Nachteil von Legacy-Systemen. Ältere Umgebungen erfordern meist mehr Aufmerksamkeit und Wartung als neuere Systeme. IT-Manager müssen aber nicht nur solche Altsysteme betreiben, sondern auch gleichzeitig neue digitale Initiativen umsetzen. Legacy-Systeme verursachen dabei zusätzliche Kosten und binden Mittel die nicht für den eigentlich Weg in die Zukunft bereitstehen. Nach Angaben des U.S. Office of Management and Budget entfielen 2019 «über 80 % aller IT-Ausgaben auf den Betrieb und die Wartung von Legacy-Systemen, da diese Probleme in Bezug auf Effizienz, Cybersicherheit und Missionsrisiken mit sich bringen. Darunter sind z. B. ständig steigende Kosten für die Wartung und die Unfähigkeit, aktuelle oder neue Anforderungen zu erfüllen».
Strategien zur Modernisierung von Legacy-Systemen
Es gibt eine Vielzahl an Lösungsstrategien, jede mit einem unterschiedlichen Grad an Komplexität und anderen Vorteilen. Die Kunst liegt darin den richtigen Ansatz für die Modernisierung der eigenen Legacy-Systeme zu wählen.
1. Re-Architecting
Neuprogrammierung und Überführung des Codes in eine neue Anwendungsarchitektur versprechen verbesserte Funktionalität, sind aber zeitaufwändig und kostspielig. Ausserdem sind neue Fehler und Probleme auch hier zu erwarten. Hier kommt möglicherweise die alte IT Maxime «If ain’t broke, don’t fix it» («Wenn es nicht kaputt ist, repariere es nicht») zum Zuge.
2. Re-Factoring
Beim Re-Factoring wird die Struktur des vorhandenen Codes so verändert, dass er optimal auf die aktuellen Anforderungen zugeschnitten ist. Das System beseitigt dabei einige der technischen Altlasten. Es bleibt dabei aber immer noch dasselbe alte System, schlanker und effizienter, aber ohne nennenswerten Zusatznutzen.
3. Re-Hosting
Es gibt Unternehmen, die das Hosting und den Betrieb des Systems für Sie übernehmen, alle Daten migrieren und eine grössere Funktionalität bereitstellen, die den Digitalisierungsbedürfnissen eines Unternehmens entspricht. So ist das Problem der Modernisierung von Legacy-Systemen - scheinbar - gelöst, ohne dass es zu grossen Störungen kommt.
Es bleiben zwei wesentliche Probleme: das Risiko, dass Ihre Daten nicht mehr in Ihren Händen sind, und die Kosten. Ein Re-Hosting ist meist mit höheren Auslagen verbunden, und ähnlich wie bei der alten Definition eines Beraters, der "Ihre Uhr ausleiht, um Ihnen die Zeit zu sagen", werden viele der Kernfunktionen oft gut im eigenen Haus betreut. Es sind dabei fast immer die Add-ons und Ad-hoc-Patches, die Legacy-Systeme gefährden, nicht die Datenbankfunktionen, für die sie ursprünglich konzipiert wurden.
4. Rip and Replace
«Rip and Replace» ist die drastischste und invasivste aller Möglichkeiten. Ein Beispiel, dass diesen Ansatz notwendig macht kann die Integration eines akquirierten Unternehmens sein, bei dem eine Standardisierung der IT-Verfahren erforderlich ist. Ähnlich verhält es sich, wenn für ein bestimmtes System kein Support mehr angeboten wird. Hier kann es an der Zeit sein, von Grund auf neu zu beginnen. Auch wenn es grossartig klingt, wieder bei null anzufangen, werden bei diesem Ansatz auch funktionierende Ressourcen des Legacy-Systems komplett ersetzt, mit allen entsprechenden Risiken.
Bei all diesen Ansätzen geht es schlussendlich nicht darum, dass Legacy-Systeme per se schlecht sind, sondern dass sie den heutigen Anforderungen oft nicht mehr genügen.
5. Wrap and Renew
Ein weiterer Weg zur Erreichung der Digitalisierungs- und Kosteneffizienz-Ziele besteht darin, Anwendungen vom System abzukoppeln, indem sie davon abstrahiert werden. Daten, Datenquellen und Datensicherheit können mit der richtigen Plattform abstrahiert werden. Durch diesen "Wrap and Renew"-Ansatz können die Anwendungen ihr Potenzial voll ausschöpfen und das Kernsystem wird nicht durch ständige Anforderungen belastet. Die Anwendungen werden «agnostisch» und es spielt keine Rolle, woher die Daten kommen, solange sie einfach und schnell geliefert werden.
Leicht zu beschreiben, schwer umzusetzen. Oder doch nicht? Mit dem Aufkommen von Low-Code-Lösungen und der Bereitstellung visueller integrierter Entwicklungsumgebungen (IDEs) können nun auch einfache Entwickler erhebliche Fortschritte bei Effizienz und Betrieb von Systemen erzielen. Das bedeutet einfache und verständliche grafische Benutzeroberflächen (GUIs), die Drag-and-Drop-Funktionen und, wenn notwendig, Handkodierung ermöglichen. In den meisten Fällen können Workflows jedoch mit Hilfe bestehender Vorlagen erstellt werden und erfordern nur minimale Anpassungen.
Bereits 2016 erklärte das Marktforschungsunternehmen Forrester, dass Low-Code-Plattformen Anwendungen sechs- bis zwanzigmal schneller erstellen können und dass diese den digitalen Wandel durch kürzere Entwicklungszeiten beschleunigen. In Bezug auf Software schätzt Forrester ausserdem eine zehnfache Steigerung der Entwicklungsgeschwindigkeit.
In der Regel erfordern Low-Code-Lösungen immer noch eine gewisse fachliche Aufsicht durch die IT-Abteilung, zumindest sobald eine Lösung einmal in Betrieb genommen wird. In der Entwicklungsphase werden jedoch keine oder nur weniger Ressourcen und Kosten von IT-Fachpersonal (oder externen Beratern und Programmierern) gebunden. Stattdessen können die Fachspezialisten, die am besten wissen, wie die App funktionieren sollte, das System entwerfen.
Mit der "Wrap and Renew"-Option können Unternehmen aller Arten und Grössen kosteneffizient bessere Kundenerlebnisse bieten, indem sie die neueste UX-Technologie nutzen. Mit diesem Ansatz profitieren die Kunden von automatisierten Prozessen von Anfang bis Ende.
Möchten Sie mehr über die Möglichkeiten zur digitalen Transformation Ihrer Geschäftsprozesse erfahren? Gerne erörtern wir mit Ihnen gemeinsam Optionen mit geringem Aufwand die nächsten Schritte in Angriff zu nehmen. Wir freuen uns auf Ihren Kontakt.
Die smart outcome GmbH bietet, zusammen mit der Partnerfirma ITadvise GmbH, Lösungen im Bereich der digitalen Prozessautomatisierung auf Basis der
Oriana Plattform an.
Kontakt: Daniel Lehmann, Geschäftsführer smart outcome GmbH, Effretikon