Kaum ein Bereich entwickelt sich so schnell wie die Informatik. Neue Systeme drängen auf den Markt, Prozesse werden automatisiert, Jobs verändern sich. Nur die ERP-Systeme scheinen wie Felsen in der Brandung zu sein, stabil und unverrückbar. Aber stimmt das? Sind die ERP-Lösungen wirklich so beständig und widerstehen sie tatsächlich allen modernen Entwicklungen? Nein, ganz im Gegenteil. Auch die ERPs verändern sich, sie gehen mit der Zeit, wandeln sich, werden flexibler und bald auch intelligenter. Wir haben bei vier ERP-Anbietern nachgefragt, wie sie die Zukunft der ERP-Systeme sehen. Wie werden sich ERP-Lösungen in der Zukunft verändern? Was wünscht die Kundschaft? Und wer hat beim Rennen zum Erfolg die besseren Karten, die kleinen oder die grossen IT-Anbieter? Hier lesen Sie die Antworten von Fabian Kopp, Marketing & Business Development bei der Swiss21.org AG.
Fabian Kopp, Swiss21.org AG
Welche Benutzeranforderungen haben sich in den letzten Jahren am stärksten verändert (z. B. Technologie, Usability, Integrationen, Anwendungen)?
Im Bereich Usability sind die Erwartungen sicherlich stark gestiegen.
Mit dem Aufkommen von Cloudlösungen und die Demokratisierung von Smartphone etc. erwarten die heutigen User einfache und abgespeckte «Bildschirme».
Hinzu kommt der Trend, einzelne branchen- oder funktionsspezifische Lösungen und Apps einfach an die Kernapplikation anbinden zu können.
Wie sieht Ihre Zukunftsstrategie im ERP-Markt aus? Was beschäftigt Sie am meisten und wie sieht die Umsetzung konkret aus?
Wir gehen davon aus, dass der «Middleman» durch digitalisierte Prozesse ersetzt werden.
Anders formuliert: viele bürokratische Arbeiten, welche Menschen im System erfassen, werden zukünftig automatisiert. Beispiele sind Spesen, Ferienanträge, Absenzen, Tages- und Stundenrapporte von Aussendienstlern, Wohnungsabnahmen, Anmeldeverfahren bei Wohnungssuche, Rapportierung der Maschinenstunden usw.
So werden wir mittelfristig User-Lizenzen verlieren. Konkret müssen wir alle diese neuen «User-Profile» durch spezifische Angebote für uns gewinnen. Deshalb integrieren wird Mobile-Lösungen für das Erfassen von Spesen, Zeit und Leistungen und evaluieren die Möglichkeit, die digitale Unterschrift ins Angebot aufzunehmen.
Wer hat bei der Softwareentwicklung künftig die besseren Karten: grosse Hersteller aufgrund mehr Ressourcen oder kleine Anbieter wegen ihrer höheren Agilität?
Ist markbedingt. Im Mid-Upper-Market und Grosskunden-Markt, wo Akteure wie SAP, proAlpha, ProConcept und Abacus aktiv sind, wird es für kleinere Akteure immer schwieriger werden. Die Anforderungen der Kunden sind gross und es braucht viel Entwicklungskraft oder Liquidität, um sich das Know-how zuzukaufen.
Im Entry-Level, wo Bexio, Klara und Swiss21 tätig sind, ist die Einstiegsschwelle niedriger, auch weil viele Open Source-Lösungen existieren und als Grundlage dienen können.
Welche Trends werden die ERP-Zukunft in den nächsten 10 Jahren am meisten prägen?
Es wird vermehrt Anbieter geben, welche sich auf einen Nischenmarkt oder eine spezifische Funktion spezialisieren. Beispiele sind Spesenapps, Mieter- oder Einwohnerportale, aber auch Lösungen für Zahnärzte, Physiotherapeuten, Dienstleister oder Handwerker. Diese besitzen oft keine Lösung für die Buchhaltung, Lieferantenverwaltung und die Lohnverwaltung.
Dank der Demokratisierung der Rest-APIs wird das Anbinden dieser Lösungen immer einfacher. Nebst den technischen Aspekten wird sich auch das ganze Lizenzgeschäft ändern. Die neue Generation von Entscheidungsträgern ist mit Abo-Modellen «aufgewachsen». Es wird immer schwerer werden, Projekte mit Lizenzkosten zu verkaufen. Man braucht nicht mehr «Besitzer» der Ware zu sein.
Vielen Dank für das Gespräch!
Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 23-1
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