Grosshandel könnte bei der digitalen Transformation und KI abgehängt werden

02.12.2025
3 Min.

Der Grosshandel steht an einem kritischen Punkt – und droht bei Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz den Anschluss zu verlieren. Warum der Handlungsdruck so hoch ist und welche technologischen Schritte jetzt unverzichtbar werden, erläutert Carsten Schröder in diesem Beitrag.

 

Auch im Grosshandel werden umfassende Digitalisierungsmassnahmen und ein klarer KI-Fahrplan immer mehr zur Pflicht (Bild zVg von Haufe X360)

 
 
Schon vor etwa zehn Jahren wurden erste Stimmen laut, die dem Grosshandel in Deutschland grosse Versäumnisse bei der Digitalisierung bescheinigten und Probleme prognostizierten. Die Reaktion der Grosshändler, so wird heute klar, war bisher deutlich zu verhalten: Noch immer verlassen sich viele in der Branche auf veraltete Technologien. Excel-Tabellen, Datensilos sowie Medien- und Technologiebrüche gehören auch gegenwärtig nach wie vor vielerorts zum Alltag. Spätestens dann, wenn der Wettbewerb mit Automatisierung und der Einführung von Künstlicher Intelligenz (KI) erfolgreich loslegt, wird sich hier schnell die Spreu von Weizen trennen.
 
Scheinbar ist man der Meinung, dass man sich weiter durchmogeln kann, solange die Gewinnmargen noch ausreichend hoch sind. Aber alle Entwicklungen deuten darauf hin, dass sie kontinuierlich abschmelzen, wenn technologisch nicht schleunigst nachgerüstet wird. Und das ist auch gesamtwirtschaftlich beunruhigend, denn der Grosshandel ist mit einem Jahresumsatz von 1,7 Billionen Euro und über zwei Millionen Beschäftigten ein zentraler Pfeiler unserer Volkswirtschaft – und von elementarer Bedeutung für zahlreiche Branchen, von der Industrie über das Handwerk bis hin zum Einzelhandel.
 
Dabei fungiert er nicht nur als Bindeglied zwischen den Anbietern und Abnehmern von Produkten aller Art, sondern hat auch eine Filterfunktion. Er spielt eine wichtige Rolle bei der Kontrolle von Bedarf, Angebot und Qualität. Hier muss klar werden: Ein „too big to fail‘“ gibt es nicht. Seine Grösse und Macht schützen den Grosshandel nicht vor den wachsenden Herausforderungen unserer Zeit. Wir stehen vor einem tiefgreifenden strukturellen Wandel, der die klassischen Geschäftsmodelle immer stärker unter Druck setzt.
 
Auch der Bundesverband Grosshandel, Aussenhandel, Dienstleistungen (BGA) mahnt mit deutlichen Worten: „Es gibt keine Alternative zur Digitalisierung – auch nicht im Grosshandel“, so eine seiner Kernbotschaften, die verdeutlicht, wie massiv sich Technologien auf sämtliche Bereiche des B2B-Handels auswirken. Während im Einzelhandel E-Commerce-Plattformen und automatisierte Prozesse bereits etabliert sind, haben viele Grosshandelsunternehmen zwar mit ersten digitalen Schritten begonnen, stehen jedoch angesichts der schnellen Marktentwicklung vor immer höheren Hürden.
 

Die Kundschaft entscheidet

Aus der Sicht der Kundinnen und Kunden erfüllt der Grosshandel häufig die rasant steigenden Mindestanforderungen nicht mehr – und droht deshalb abgehängt zu werden. Einkäufer im B2B erwarten heute ganz selbstverständlich dieselben bequemen und effizienten Einkaufserlebnisse, die sie privat aus dem B2C-Onlinehandel kennen. Und sie erwarten, dass auch die wesentlich komplexeren Prozesse im B2B-Handel entsprechend komfortabel, schnell, präzise und in Echtzeit digital abgebildet werden. Ist das nicht der Fall, wenden sie sich schnell Wettbewerbern zu, die ihre Bedürfnisse erfüllen.
 
Diese B2B-spezifischen Strukturen und Prozesse benötigen ausgereifte digitale B2B-Kundenportale, die auf eine zentrale, durchgängige, sauber strukturierte Datenbasis zurückgreifen und so alle Informationen jederzeit und aktuell für den jeweiligen Kunden personalisiert vorhalten: Bestellhistorie, individuell verhandelte Preise und Rabatte, Lieferstatus oder Verfügbarkeiten. Aber auch weiterführende Funktionalitäten sind längst technologisch möglich und kundenseitig gewünscht, etwa automatisierte Nachschub-Prozesse mit definierbaren Schwellenwerten.
 

KI jetzt schon immer mitdenken

Immer wenn wir über die Automatisierung von Prozessen reden, müssen wir schon heute KI mitdenken. Sie eröffnet in diesem Bereich enorme Potenziale, insbesondere, was die Effizienz betrifft. Dabei geht es nicht nur darum, Kunden möglichst schnell und bedarfsgerecht zu bedienen, sondern auch darum, dem zunehmenden Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen.  
 
Dem Grosshandel muss allerdings klar werden, dass der Einsatz von KIs als Grundvoraussetzung eine solide und gut strukturierte Datenbasis benötigt, wie sie etwa ein leistungsstarkes, modular aufgebautes und skalierbares ERP-System aus der Cloud bietet. Es gewährt auch schon ohne KI Preistransparenz im Einkauf durch automatisiert abrufbare Angebote von Lieferanten und erleichtert Aufbau und die Pflege eines Pools an Zulieferern, mit dem sich Probleme in Lieferketten besser bewältigen lassen. Auf Knopfdruck liefert es einen 360°-Überblick über alle Prozesse in Echtzeit, von der Bestellung über Lagerbestände und Lieferzeiten bis hin zu Rechnungsstellung und -eingang. Nur wenn volle Informations-Transparenz und durchgängige Prozesse über Abteilungsgrenzen und Standorte hinweg existieren, kann eine KI Aufgaben übernehmen und korrekt ausführen. Sie benötigt viele Datensätze, um daraus lernen zu können. Der Umstieg von veralteten (Silo-)Technologien auf ein integriertes System stellt aktuell also die erste Stufe der digitalen Transformation dar, deren zweite Stufe erst der Einsatz von KI sein wird.
 
Viele Grosshändler stehen jetzt also vor einer wegweisenden Entscheidung, ihre digitalen Hausaufgaben zu machen und Ordnung und Struktur in ihre Daten und Prozesse zu bringen. Tun sie es nicht, werden digitalisierte Wettbewerber einfach weitermarschieren und die Nachzügler abhängen.
 
 

Der Autor

 
Carsten Schröder ist CEO von Haufe X360 
 
 
 
Haufe X360 c/o 2p team GmbH | 6300 Zug | www.haufe-x360.ch
 
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