Meine Ansicht zum Thema eVoting ist gleich wie zu E-Government: Überlassen wir die Diskussion weiterhin den IT-Sicherheitsexperten, werden wir wohl nie elektronisch wählen und abstimmen können. Hundertprozentige Sicherheit gibt es keine. Nicht einmal das raffinierteste System, so es denn jemals entwickelt werden sollte, ist unbezwingbar. Jede noch so sicher geglaubte Lösung kann gehackt werden. Es wird immer Schlupflöcher geben, welche Missbrauch ermöglichen. In alltäglichen Online-Transaktionsumgebungen haben wir uns inzwischen daran gewöhnt und mehr oder weniger mit einem gewissen Risikofaktor abgefunden. Das Einhalten gewisser Sicherheitsregeln im Gebrauch mit elektronischen Medien nehmen in Kauf. Warum also bei eVoting so zögerlich? Auf diese Frage möchte ich drei Antworten mit Ausrufezeichen geben.

Ausrufezeichen #1: eVoting mit allen Mitteln vorantreiben!

Überlasst den Dialog zu  eVoting nicht den IT-Security-Experten, sondern den Bürgerinnen und Bürgern, welche eVoting (z.B. im Ausland) nutzen. Wir alle wünschen einen möglichst einfachen Zugang ohne allzu vielen Sicherheitsstufen. Dies mag im Widerspruch stehen zu den Anforderungen von Sicherheitsexperten, die nicht notwendigerweise zur Benutzerfreundlichkeit beitragen müssen. Mein erstes Ausrufezeichen lautet daher: Mit eVoting ungeachtet der Kritik einfach weiter fahren, und ja, auf breiter Fläche für alle ausrollen und ermöglichen. Nicht nur für Auslandschweizer, die uns – in meinen Augen – für diese komfortable Partizipationsmöglichkeit zu grösstem Dank verpflichtet sind. Wieso nicht noch weiter gehen und auch für Ausländer in gewissen Fragen elektronische Teilnahmeformen ermöglichen? Wieso soll Partizipation der Bürgerinnen und Bürger nicht auch in anderen Phasen des Policy Cycles z.B. elektronisch reger genutzt werden? Eine Frage, die noch keine hinlängliche Antwort gefunden hat. eVoting-Plattformen könnten entsprechend auch dafür eingesetzt werden.

Übrigens: Hat schon jemand die Frage gestellt, wie sicher das Ausfüllen und Einwerfen des Papierprodukts für das Wählen und Abstimmen ist? Ist in diesem Diskurs einfach kein Thema. Und doch gab es in der Vergangenheit immer wieder Fälle, wo auch diese traditionelle Form der Partizipation am Gemeinwesen verfälscht wurde. Ist die Papierversion zum Abstimmen und Wählen so viel sicherer? Keineswegs. Wie gesagt, absolute Sicherheit gibt es nicht. Wir bemühen uns, mit diesen neuen Gegebenheiten und auch Unsicherheiten leben zu lernen. Eine Aus- oder Weiterbildung dazu gibt es nicht, auch nicht in der Schule oder im Studium. Wir lernen das alle mit mehr oder weniger bitteren eigenen Erfahrungen selbst.

Meine Überlegungen gehen in eine ganz andere Richtung. Statt den herkömmlichen Gegensatz im E-Government und auch im eVoting zu zelebrieren, nämlich Schalter physisch versus Schalter online, sollten wir vermehrt alle möglichen Medien in die Diskussion miteinbeziehen, die neuerdings zur Verfügung stehend und die z.B. auch für eVoting-Zwecke genutzt werden können. Dazu gehören zum Beispiel mobile Telefone, Chat, SMS, Facebook, Xing und was dergleichen mehr existiert. Wir sollten anfangen, in Richtung einer Balance zu denken: Schalter- oder Online-Wahlurnen sollten zwei von mehreren Kommunikationskanälen sein, über welche sich Bürgerinnen und Bürger zu Anliegen melden können. Warum nicht auch das Telefon? Banken demonstrieren heute, dass man auch elektronische Transaktionen bis hin zu Börsendeals abwickeln kann ohne elektronischen oder physischen Beweis für die persönliche Identität. Gelöst wird das mit einer Reihe von Fragen, deren Antworten nur die jeweilige Person kennt.

Ausrufezeichen # 2: Bürgernahen Kanalmix finden!

Die Überlegungen sollten dahin gehen, dass die öffentliche Verwaltung eine Balance findet zwischen ihrem Kanalangebot und den Wünschen für eVoting und E-Government der Bürger. Meine Bitte lautet: Nicht nur einfach apodiktisch den Online-Schalter als Alternative zum physischen Schalter als Maxime vertreten – und das ist mein zweites Ausrufezeichen – sondern einen breiten, bürgernahen  Kanal-Mix finden. Ich bin überzeugt, dass die Sicherheitsdiskussion zum eVoting dann verschwinden wird. Klar werden wir auch weiterhin noch über Sicherheitsaspekte reden, aber eben grundsätzlicher und nicht kanalspezifisch. Mit einem bürgernahen, realitätsbezogenen Kanalmix werden Abstimmen und Wählen zu einem interessanten Leistungsangebot, welches wir als Bürger nutzen können. So wie wir z.B. andere Leistungen des Einwohnerwesens nutzen.

Ausrufezeichen # 3: Künftige E-Government Modelle diskutieren!

Ich wünsche mir endlich einen politischen Diskurs darüber, in welcher Form wir künftig bürgerzentriertes E-Goverment führen und einführen wollen. Wir sollten uns öffentlich damit beschäftigen, was dies für den Mix an Interaktionskanälen aus Sicht der Bürger oder der öffentlichen Verwaltung für Konsequenzen hat. Noch interessanter ist an dieser Möglichkeit, dass wir dann im Rahmen zunehmend knapperer Ressourcen auch neue Formen der Organisation von Gemeinden, Kantonen, Bundesämtern diskutieren können, die weit über das einfache Schema „Gemeindefusion ja/nein“ hinausgehen. Mögliche Bündelungen in noch nicht existierenden umfassenden Front Offices von Gemeinden versus mögliche Bündelungen im Bereich Back Office von Gemeinden könnten das Thema sein. Affaire à suivre!

Gerne diskutiere ich mit Ihnen über Möglichkeiten und Zukunft von eVoting und E-Government. Besuchen Sie uns auf der GOV@CH am 25./26. August 2015 in der Messe Zürich.

 


Messeinformationen GOV@CH


 

Datum

Dienstag, 25. August 2015 , 9–19 Uhr (anschl. EMEX-Night)

Mittwoch, 26. August 2015, 9–17 Uhr

Ort

Messe Zürich, Halle 5, Wallisellenstrasse 49, 8050 Zürich

Tickets

www.topsoft.ch/ticket. Das Ticket gilt auch für die gleichzeitig stattfindende Marketingmesse SuisseEMEX und die topsoft.

 

Konrad Walser

Prof. Dr. Konrad Walser ist Dozent und Senior Researcher am E-Government-Institut der Berner Fachhochschule | www.e-government.bfh.ch. Er ist Co-Organisator und Programmleiter der Gov@CH  – der neuen Messe und Konferenz für Digitale Verwaltung.