Das ERP und die Umsysteme

30.05.2023
8 Min.
Über ERP-Systeme wurde schon viel geschrieben. Die üblichen Floskeln zu Zielen, Risiken etc. sollen hier deshalb unerwähnt bleiben, denn dafür gibt es Bücher. Auch was die Aufgaben der Personen im Projekt sind, ist wohl allen klar. Erwähnenswert sind jedoch die Aspekte, die wirklich ausschlaggebend sind, insbesondere die Menschen hinter einem Projekt. Vieles wurde in der Vergangenheit in Sachen ERP falsch gemacht, auch gibt es nicht «das eine ERP», das für alle passt. Als Digital Native lebe ich die IT mit Leidenschaft, wie man auch am folgenden Artikel sieht.
 
 

Symbolbild blue-planet-studio / AdobeStock
 
 
Fragt man jemanden, was ein ERP ist, kann kaum einer in einem schlüssigen Satz erklären, für was dieses System gebraucht wird. Warenwirtschaftssystem oder Produktionssystem sind wohl Schlagworte, die fallen. 
 
Das liegt daran, dass man in Vergangenheit das ERP-System zweckentfremdet hat. Man dachte, eine Applikation für alles sei für die User am einfachsten. Die Systeme wurden dadurch jedoch träge und konnten dafür auf einmal fancy Dinge, welche nichts mit dem eigentlichen Verwendungszweck zu tun hatten. 
 
Genau diese Erfahrung hat uns zu einem Best-of-Breed Ansatz gebracht, dieser Kombination unterschiedlicher spezialisierter Lösungen (auch von Drittanbietern) über bidirektionale Schnittstellen, zu einer individuellen und bedürfnisgerechten Gesamtlösung. In der SABAG nutzen wir die Applikationen in Zukunft genau dafür, wofür sie gebaut wurde, nämlich gemäss der Definition:
 
«ERP steht für Enterprise Resource Planning. Es handelt sich um eine Softwarelösung, die es Unternehmen ermöglicht, verschiedene Geschäftsprozesse wie Finanz- und Rechnungswesen, Einkauf, Produktion, Lagerlogistik und Vertrieb zu integrieren und zu automatisieren. Das Ziel von ERP ist es, Informationen und Daten in Echtzeit zu erfassen und zu verarbeiten, um die Geschäftsabläufe zu optimieren und die Effizienz des Unternehmens zu steigern.»
 
 

Zeit der Serverlandschaften ist vorbei

Wurden in Vergangenheit immer grössere Serverlandschaften gebaut, um ein halbwegs performantes ERP-System zu betreiben, so hat die Cloud mit skalierbaren Lösungen an Stellenwert gewonnen.
 
In der Vergangenheit mussten viele KMUs bemerken, dass unsere IT-Systeme anfällig sind. Hackerattacken gehören zur Tagesordnung und haben schon einige Firmen über Monate hinweg in eine Ausnahmesituation gebracht. Auch der Mangel an Security Engineers ist ein wohlbekanntes Problem. Im Gegensatz zu den meisten Firmen kann ein Techgigant wie beispielsweise Microsoft sehr viel Geld in Security investieren, was eine Cloudlösung sehr attraktiv macht. 
 
 

Das Projektteam

Ein ERP-Projekt erfordert ein Team von Spezialisten, die über notwendige Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen. Wird dies gepaart mit neuen Mitarbeitenden, welche noch über jugendlichen Schaffungsdrang verfügen, dann wird aus dem Team ein Erfolgsgarant. 
 
Ein IT-Spezialist benötigt dann einen Sparringpartner in Form eines Fachspezialisten, der meistens als Enduser tätig ist. Hier die optimale Balance zu finden, ist ebenfalls entscheidend für den Erfolg eines Projektes. 
 
Die Leitung eines solch divergenten Teams ist für den Projektmanager eine Herausforderung. Er ist verantwortlich für die Planung, Steuerung und Überwachung des Projekts sowie für die Kommunikation mit dem Team und den Stakeholdern. Es ist von Vorteil, wenn dieser Projektmanager hervorragende Skills in Kommunikation und Networking mitbringt. Ausserdem ist es seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass ein spürbarer Teamspirit entsteht, der alle gegenseitig zu Höchstleistungen anspornt. 
 
 

Das Projekt

Ein erfolgreiches ERP-Projekt hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die klassischen Faktoren können Sie in Fachbüchern nachlesen. Hier sind ein paar weitere, welche ich jedem Unternehmen ans Herz lege.
 
Hat man einen passenden Partner gefunden, der die Branche kennt und somit die Sprache des Endusers spricht, ist es besonders wichtig, nahe am Software-Standard zu bleiben. Dies und die weiteren Projektziele, die nicht nur IT-Kennzahlen umfassen, müssen jedem Projektmitglied klar sein.
 
Für uns war relevant, dass wir min. 30% schnellere Prozesse wollen. Dafür wurden die Prozesse end2end im alten ERP gemessen, um im Nachhinein einen Vergleich anstellen zu können. Es ist somit spürbar für den User. 
 

Meilensteine müssen gefeiert werden

Über den Projektfortschritt sollte man regelmässig mit Newslettern informieren, so dass auch alle, die nicht im Projekt aktiv mitarbeiten, Bescheid wissen. Und besonders wichtig: Feste soll man feiern, wie sie fallen. Jeder Meilenstein muss gefeiert werden. In diesen technischen Projekten wird der Mensch häufig vergessen, ist aber einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. 
 
Die SABAG ist eine Gruppe von sieben eigenständigen rechtlichen Gesellschaften. Hinzu kommt die Komplexität einer Mehrspartenorganisation, welche aufgrund der Produktpalette unterschiedliche Prozesse zur Folge haben. 
 
Wir haben die Prozesse gemeinsam harmonisiert und von allen Gesellschaften und jeder Sparte Personen hinzugezogen, welche in der Unternehmung ein hohes Ansehen geniessen. In Zukunft wird jede Gesellschaft nach denselben Prozessen arbeiten. Somit hätten wir einige unserer Hauptziele «Nahe am Standard» und «vereinheitlichte Prozesse» erreicht.
 

Grössere Effizienz, weniger Fehler

Im Falle der SABAG ist die geplante Digitalisierung der Lagerlogistik beachtlich. Die Einführung von Scannern reduziert die Fehlerquote und automatisiert die gesamten Lagerprozesse von der Einlagerung über die Kommissionierung bis hin zur Auslieferung. Man reduziert gedruckte Lieferscheine und weiss bereits vor der Einlagerung, welche Produkte vom Lieferanten nächstens geliefert werden. Ein gruppenweites Flottenmanagement verhindert im besten Falle alle Leerfahrten und die Lastwagen werden anhand der geplanten Touren in optimaler Reihenfolge beladen. 
 
Der Generationswechsel von der DFÜ (Einwahlmodem) zur VDSL-Generation bringt hier ganz neue Anforderungen zutage. Unsere Generation ist, wie auch die nächste, welche noch die Schulbank drückt, konstant online, immer connected. Eine Handysucht würde ein Psychologe sicher bei den meisten von uns diagnostizieren. Wir möchten überall und zu jeder Tageszeit an Produkte kommen und deren Verfügbarkeit abfragen. Deswegen gehen ERP-Systeme und E-Commerce-Lösungen Hand in Hand. Die Gefahr, zur gleichen Zeit solch grosse Projekte zu stemmen, bringt die IT und deren Partner an ihre Grenzen. Man muss also das Projektportfolio engmaschig kontrollieren und Changes in Schach halten.

 

 

Schlusswort

Ob SAP oder Microsoft Dynamics tut wohl nicht viel zur Sache. Die Wahl des passenden ERP-Partners ist hier entscheidend. In den letzten Jahren zeigt sich, dass gerade bei Microsoft das Augenmerk vermehrt auf Schweizer KMUs in der Baubranche gefallen ist. Viele unsere Lieferanten, Kunden und Mitbewerber evaluierten zur gleichen Zeit eine neue Lösung. Nach zwei Jahren Evaluation, Referenzbesuchen und das Zuziehen von IT-Kennzahlen war es für uns eine logische Konsequenz nach AX 2012 R3 weiterhin auf das Pferd Microsoft zu setzen, einfach mit einem anderen Jockey/Partner. 
 
 

Die Autorin

Michèle Bammert arbeitet als Leiterin Business Applikationen und Stellvertreterin des IT-Leiters der SABAG Gruppe in der Baunebenbranche. In den nächsten zwei Jahren leitet sie die Einführung des neuen ERP-Systems und dessen Umsysteme.
 
 
 
Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit SWONET - SWISS WOMEN NETWORK
 
 
 
 

Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 23-1

 

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