Wo steht der 3D Druck nach dem Hype?

19.08.2024
5 Min.
Die schweizerische Förderagentur Innosuisse hat im Rahmen der Nationalen Thematischen Netzwerke und des Innovation Booster Programmes von 2017 – 2024 den 3D Druck durch den Innovation Booster Additive Manufacturing (IBAM) gefördert und damit diese Technologie in der Schweiz massgeblich vorangebracht.

 

Additiv gefertigte Brillengestelle (Erstellt mit HP Jet Fusion Drucker) Bild: H. Holsboer

 

Rückblick und neue Möglichkeiten und Chancen mit dem 3D Druck

Der 3D Druck existiert schon seit den 1980iger Jahren. Er begann mit lichtaushärtenden Kunststoffen, welche mit UV-Strahlen schichtweise verfestigt wurden. Aufwendige Vorrichtungen und Prozesse ermöglichten das Verfahren, diese fanden somit vorwiegend in Laboren Anwendungen. 
 
Als die ersten Filament-Drucker zur Marktreife gelangten, wurde diese günstige Technologie in der Öffentlichkeit bekannt. Mit diesem Verfahren werden Kunststoffe auf eine einfache Art durch Aufschmelzen schichtweise zu 3D Objekten geformt. Durch die ausgereifte 3D Druck-Software und das handliche Verfahren konnten theoretisch bald alle «aus dem Nichts» komplexe Objekte drucken, was zu überbordenden Erwartungen führte.
 
Der Wechsel von der subtraktiven, beispielsweise zerspanenden, Fertigung zur additiven Fertigung bedingt jedoch einen fundamentalen Wechsel in der Denkweise darüber, wie Produkte, Werkzeuge und Hilfsmittel erstellt werden können. Wenn nun der 3D Druck mit den hergebrachten Kenntnissen und Erfahrungen in Konstruktion und Produktion zur Anwendung kommt, wird nicht nur das Potenzial dieser Technologie verspielt, es überwiegen sogar die Nachteile – wie beispielsweise das teurere Ausgangsmaterial oder die längeren Produktionszeiten. 

Wo eignet sich die Anwendung der additiven Fertigung?

Das enorme Potenzial der additiven Fertigung zeigt sich beispielsweise bei den folgenden Anwendungen:
  • Personalisierte Produkte
  • Leichtbauanwendungen
  • Objekte mit komplexen Geometrien
  • Zusammenführung diverser Teile in Baugruppen 
  • Funktionsintegration (z. B. Sensoren, Mehrmaterialdruck)
  • Erstellung von Werkzeugen, z. B. mit integrierten Kühlkanälen
  • Wiederverwertung von aufbereiteten Stoffen (z. B. als Filament, Granulat oder Pulver)
  • Ersatzteilbereitstellung
  • Reparatur von Verschleissteilen
  • Produktion nahe beim Kunden für vereinfachte Lieferketten, dadurch tiefere Logistikkosten, kürzere 
Lieferzeiten, weniger Zollkosten

In welchen Branchen verspricht die additive Fertigung Vorteile?

In der Medizin und der Medizintechnik werden vorwiegend patientenspezifische Lösungen benötigt. Ob dies nun Modelle für die Operationsplanung, Implantate, Prothesen und zugehörige Bohrschablonen, Orthesen, Hörgeräte, Schuhe, Hautersatz oder sogar Medikamente sind, immer müssen diese für den jeweiligen Patienten angepasst werden. Etliche der erwähnten Anwendungen werden heute schon für den Markt zum Teil in grösseren Serien additiv gefertigt. 
 
In der Raumfahrt- und Luftfahrttechnik finden strapazierfähige und leichte Bauteile ihre Anwendung. Bei Satelliten werden beispielsweise Stützstrukturen für Solarpanels benötigt, bei Flugzeugen führen Gewichtsreduktionen zu Kraftstoffeinsparungen.
 
Bei der Energieerzeugung und bei Transportfahrzeugen nützen sich Bauteile ab. Hier können beispielsweise Turbinenblätter oder Räder durch Auftragsschweissen wieder einsatzfähig gemacht werden. Auch können Motorenteile (z. B. Magnetstatoren) in ihrer Geometrie optimiert werden, sodass diese Aggregate deutlich höhere Nutzeffekte erzielen.
 
Im Bereich des Recyclings können verschiedenste Materialien für eine erneute Verwendung aufbereitet werden. Organische Stoffe wie Obstkerne, Kaffeesatz, Fasern oder Holzabfälle können als Pellets oder als Filament zur Herstellung von Vorrichtungen, Verpackungsmaterialien und weiteren Gebrauchsgüter verwendet werden. 
 
Auch in der Baubranche finden die Vorteile der additiven Fertigung Anwendung. Mit optimierten Betonmischungen können, ohne Schalungen, schichtweise Mauern aufgebaut werden, die Hohlräume für Isolation und Haustechnik vorsehen. Zudem können 3D gedruckte Schalungen – oftmals in Kunststoff – kunstvolle Bauformen ermöglichen.
 
In der Elektrotechnik werden zunehmend mehr filigrane Kühlkörper, hochkomplexe HF-Antennen und mehrlagige Leiterplatten additiv hergestellt. Zusätzlich werden direkt auf Gehäusen oder auf flexiblen, hautfreundlichen Bandagen Leiterbahnen und Sensoren aufgedruckt.
 
Zu guter Letzt findet der 3D Druck auch im Lebensmittelbereich Anwendung. Mahlzeiten für Kinder und Senioren können in Form, Farbe, Konsistenz und Zutatenmischungen bedarfsgerecht aufbereitet werden. Im Weiteren können Schokoladen kunstvoll, beispielsweise für Tortenverzierungen, gedruckt werden. 
 

Gründe für eine verzögerte Marktdurchdringung 

Doch warum verzeichnet die additive Fertigung nicht grössere Erfolge? Fehlende Fachkräfte, die Unkenntnis, welche 3D Druck-Verfahren optimal wären, unvollständige Normierung, der Daten- und Kopierschutz und insbesondere der oft bestehende Widerwille, Neues anzunehmen und so zum Erfolg zu verhelfen, all das verzögert den Durchbruch der additiven Fertigung.
 
Die additive Fertigung ermöglicht nicht nur Alleinstellungsmerkmale von Produkten, sondern kann auch Kostenvorteile generieren. Dies ist jedoch erst möglich, nachdem die Probleme im Unternehmen analysiert wurden. Die aus dieser Analyse abgeleiteten Vorschläge müssen mit den Stärken des 3D Drucks abgeglichen werden, um erfolgreiche Lösungen zu schaffen.
 

Status und Entwicklung des 3D Drucks in der Schweiz

Das Leading House AM Network, welches als Nationales Thematisches Netzwerk (NTN) und als Innovation Booster Additive Manufacturing (IBAM) durch die Innosuisse gefördert wurde, konnte die Durchdringung dieser Technologie in der Schweiz von 2017 bis 2024 begleiten und voranbringen.
 
In den ersten Jahren konnte das AM Network den interessierten Kreisen die Technologie näherbringen und sie über die Möglichkeiten des 3D Drucks aufklären. Grössere Konferenzen und Fachveranstaltungen ermöglichten die Bildung einer Interessensgemeinschaft. Aufgrund der kaum spürbaren Kundenvorteile für den Endkonsumenten, schwächte sich in den Folgejahren der vorherrschende Hype ab. Gleichzeitig etablierten sich im professionellen Bereich (B2B) weitere Fertigungstechnologien für diverse Anwendungsfälle. Dies erschwerte den Einstieg für Schweizer KMUs. Investitionen von oftmals über eine viertel Million CHF konnten somit nicht gerechtfertigt werden.
 
Verschiedene 3D Druck-Dienstleister mit zum Teil jahrelanger Erfahrung, ermöglichten Firmen Ihre Projekte zu realisieren, gerieten dann aber einerseits im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie in Schwierigkeiten und anderseits ist die Zurückhaltung der KMUs gegenüber dieser für sie neuen Technologie noch nicht ganz überwunden.  
 

Fazit:

Das Ziel, dass der 3D Druck eines der vielen Standard-Fertigungsverfahren darstellt, ist noch nicht erreicht. Die Komplexität und die Vielseitigkeit aber auch die sich noch schnell verändernden Technologien stellen weiterhin eine Hürde dar und werden dafür aber Partnerschaften mit spezialisierten Dienstleistern begünstigen.
 
Die Neuausrichtung auf additive Fertigungsverfahren ist ein Prozess, der Zeit erfordert. Doch schon in naher Zukunft wird diese innovative Technologie zunehmend auch Einzug in die Schweizer Fertigungslandschaft halten und sie nachhaltig prägen.
 
 

Der Autor

 
Hendrik Holsboer ist Managing Director bei IBAM und Netzwerkprofi im Bereich des Additiven 
Fertigungsverfahrens (AM). www.ibam.swiss

 

 

 

Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 24-1

 

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