Fast in allen Spitälern werden eHealth-Projekte abgewickelt. Auf politischer Ebene liegen die Hoffnungen auf dem Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG). Wie so oft bei grossen Vorhaben wird die Umsetzung nicht primär top-down zum Erfolg führen. Einzelne lokale Lösungen, welche überschaubare Komplexität aufweisen und später zu einem Ganzen reifen können, scheinen erfolgversprechender.

Die Spitäler und übrigen Leistungserbringer tun sich mit eHealth-Projekten schwer. An der Schnittstelle zwischen Technologie und den Prozessen fehlen Fachleute; ausgebildete Wirtschaftsinformatiker sind der Schlüssel zum Erfolg.

Als Integrationslotsen bieten ausgebildete Wirtschaftsinformatiker wertvolle Unterstützung bei der Systemeinführung

Als Integrationslotsen bieten ausgebildete Wirtschaftsinformatiker wertvolle Unterstützung bei der Systemeinführung

Informationstechnologie als Erfolgsfaktor

Noch nie sind in Spitälern so viele Projekte, welche die Einführung von Informationstechnologie in patientennahe Bereiche zum Inhalt haben, gelaufen, wie zurzeit. Es sind Projekte, welche die Schaffung eines Krankenhaus-Informationssystem (KISI, den Aufbau fachspezifischer Dokumentationsbereiche, die Prozessunterstützung, die Gestaltung von Workflows und den Datenaustausch mit vor- und nachgelagerten Partnern zum Inhalt haben. Es wird viel in den Ausbau der Informationstechnologie investiert, und die mit den Investitionen verbundenen Erwartungen sind hoch. Zu Recht!

Organisationen des Gesundheitssystems widmen sich unter dem Anreiz neuer Finanzierungssysteme vermehrt einem unternehmensweiten Prozess- und Informationsmanagement. Zudem konkretisieren sich die politischen Vorgaben, das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier wird im Eidgenössischen Parlament positiv verhandelt. Egal unter welchem Titel und Schwerpunkt die Projekte aufgesetzt werden, sie enthalten als zentralen Erfolgsfaktor immer die Integration von Prozessen der Fachabteilung mit aktueller Informationstechnologie. Diese Integration ist die Kernkompetenz von Wirtschaftsinformatiker/-innen.

Das Engagement in eHealth ist seit Jahren gross, trotzdem bewegt sich der Grad der Zufriedenheit über die Ergebnisse auf bescheidenem Niveau. Allzu oft hört man unzufriedene Stimmen. Management, Fachabteilungen aber auch die Vertreter der Informatikabteilung sind unglücklich, die Projektleitenden wirken resigniert und frustriert. Weshalb ist das so? Spezialisten in den Fachabteilungen, Ärzte, Pflegende, Therapeuten und weitere Berufsgruppen die in ihrer Kernaufgabe hervorragende Leistungen erbringen, haben durchaus ein Verständnis für die von ihnen gelebten Prozesse. Daneben haben wir eine mit qualifizierten Berufsleuten und modernster Technologie ausgerüstete Informatikabteilung mit einer Industrie im Rücken, welche innovative und brauchbare Lösungen im Markt anbietet. Trotzdem will die Zusammenarbeit im Projekt nicht recht gelingen.

Der Integration wird zu wenig Beachtung geschenkt

Eine Führungskraft hat es folgendermassen auf den Punkt gebracht: «Wir hätten uns bei der Systemeinführung einen Integrationslotsen gewünscht, wir waren ohne Dirigenten, ohne Dolmetscher zwischen Informatik und Fachabteilung überfordert». Zentraler Erfolgsfaktor im  ICT-Projekt ist die Integration von Prozessen und Kulturen einerseits und Informatiktechnologie andererseits, die Schaffung eines sozio-technischen Gesamtsystems. Am Erfolg dieser Integration wird die für das Projekt verantwortliche Person gemessen, darin gründet die Wahrnehmung aller Beteiligten. In der Ausgangslage stehen sich zwei grundsätzlich unterschiedliche Hauptakteure, die Fachabteilungen und die Informatik, gegenüber. Im eHealth-Projekt ist die Distanz der Denk- und Handlungsweise zwischen diesen Akteuren noch wesentlich grösser, als in anderen Branchen. Diese Tatsache ist als Folge der hohen Spezialisierung auf beiden Seiten nachvollziehbar. Die Pfeiler der Brücke stehen weit auseinander und ohne kompetente Brückenbauer in Projektteams geraten die Projekte in Schieflage. Leider mangelt es oft an kompetenten Wirtschaftsinformatikern. Die Folgen sind dramatisch. Es besteht kein einheitliches Verständnis über die Ziele und Anforderungen. Die Aktivitäten im Projekt sind nicht konsequent auf das Ergebnis ausgerichtet, die Akteure koordinieren das Handeln nicht, es entstehen Machtkämpfe, Spannungen, Reibungsverluste. Die Projekte verzögern sich, die Kosten explodieren: Nebenwirkungen der übelsten Art. Der entstandene Scherbenhaufen wird durch ein Nachfolgeprojekt mit identischen Mangelerscheinungen abgelöst. Beobachtungen zeigen, dass überall dort, wo die eHealth-Projekte entsprechend den Erwartungen verlaufen, genügend Ressourcen für die Integration, die Vermittlung zwischen den Akteuren und das Erklären und Umsetzen gemeinsam gefundener Lösungen eingesetzt werden.

Wirtschaftsinformatik eHealth

In den Fachabteilungen der Kliniken und in den Informatikabteilungen bieten sich immer wieder Persönlichkeiten an, welche für die Übernahme von Projektverantwortung geeignet und motiviert scheinen. Also überträgt ihnen der Auftraggeber diese Rolle und wirft sie damit ins kalte, oft eisige Wasser. Dadurch werden wertvolle Talente verheizt. Weitsichtige Unternehmensführungen fördern jene Personen, welche sich zur Übernahme von Verantwortung anbieten. Sie sichern ihnen die notwendige Unterstützung zur Vorbereitung und Begleitung der anspruchsvollen Aufgabe. Dies kann durch ein Coaching eines erfahrenen Beraters geschehen. Auf dem Bildungsmarkt gibt es gute Angebote zur spezifischen, umfassenden Weiterbildung. Wirtschaftsinformatik ist eine äusserst attraktive Perspektive für Fachleute aus Pflege, Medizin- und Paramedizin, aus Medizintechnik und Administration, die erworbene Fachkompetenz in Lösungen der Informationstechnologie einzubringen.

SDIM3145Reto De Martin, executive MBA und Wirtschaftsinformatiker, Geschäftsleiter und Bildungsverantwortlicher des VIW Verband der Wirtschaftsinformatik, ist als Senior Berater / Projektleiter bei der CSP AG, St. Gallen und Bern, tätig und hat jahrelange Führungs- und Projekterfahrung, unter anderem als CIO einer Klinik. Als Berater ist er spezialisiert, in verschiedenen Häusern den Bereich ICT strategisch und operativ zu gestaltet und aufzubauen.

www.viw.ch