Wie lange braucht es noch Banken?

Der Begriff "Open Banking" sorgt in der Bankenwelt für Aufsehen. Denn vielleicht braucht es bald keine Banken mehr und eine einzige App übernimmt sämtliche Banking-Funktionen. Wie könnte die Zukunft das Bankings aussehen?
 
In der Bankenwelt ist seit kurzer Zeit ein neuer Begriff aufgetaucht, der etwas für Unruhe sorgt: Open Banking. Unter Open Banking versteht man die Verwendung offener Schnittstellen (API, engl. Application Programming Interface), mit denen Entwickler von Drittanbietern Anwendungen und Dienste rund um das Finanzinstitut erstellen können und eine einfache Integration dieser Angebote erlauben. Das heisst, dass man übermorgen oder irgendwann in der Zukunft nur noch eine einzige App mit Banking-Funktionen benötigt.
 
Symbolbild Gerd Altmann via Pixabay 
 
 
Vielleicht kennen Sie Bill Gates’ Zitat aus dem Jahr 1994: “Banking is essential, banks are not”. Wenn wir das nun auf heutige Verhältnisse aktualisieren, dann können wir das Zitat wie folgt wiedergeben:

 

Open Banking is essential, banks are not. 

 
Kürzlich hätte ich Open Banking wirklich brauchen können. Mein Handy hat sich völlig verabschiedet. So musste ich es in einer langwierigen Prozedur auf die Werkseinstellungen zurücksetzen. Da hätte ich mir eine einzige App gewünscht, mit allen Beziehungen zu meinen Finanzinstituten. Open Banking wird das einmal möglich machen. 

 

Das Finanzsystem der Zukunft 

 
Dereinst wird es keine Smartphones mehr geben. Alles wird in der Cloud gespeichert sein, auch die Apps, die wir bei Bedarf aufrufen möchten. Wir benötigen anstelle eines Smartphones nur einen Zugang zur Cloud. Dieser kann in Form einer Datenbrille mit integriertem Kopfhörer oder über Sensoren und Funkchips in Kleidungsstücken erfolgen. Einen weiteren Zugang stellen Bots in Form von Hologrammen dar. Der Zugriff zur Cloud ist dank einer Kombination aus Passwort, Voiceprofile, Face Recognition und Geolocation "absolut sicher". Die Cloud weiss zum Beispiel, wo sich eine Person gerade aufhält. So ist ein Zugang zur Cloud der betreffenden Person nicht gleichzeitig von einem anderen Ort aus möglich.
 
Zahlungstransaktionen erfolgen vorwiegend per Voice. Der Kopfhörer im Ohr meldet den fälligen Rechnungsbetrag bei einem Einkauf, wobei der Käufer diesen Betrag per Sprache und seinem Voiceprofile bestätigt. Ebenso können auch Kredite unterwegs und sofort gesprochen werden. Der Finanzbot meldet sich dabei und unterbreitet zugleich alle Möglichkeiten und Angebote der Finanzinstitute und Crowdlending-Plattformen. Für eine Investitionsmöglichkeit meldet sich der Finanzbot in Form eines Avatars oder Hologramms und zeigt das Objekt der Begierde mit den Konditionen. 

 

KI und Blockchain bestimmen das Banking von morgen

 
Banking der Zukunft wird von zwei wesentlichen Entwicklungen geprägt oder bestimmt werden. Einerseits ist es die Künstliche Intelligenz und andererseits ist es die Blockchain mit Kryptowährungen. 

Blockchain und Kryptowährungen

  • Zahlungstransaktionen lassen sich heute schon dank Kryptowährungen ohne Intermediär, also ohne Banken, durchführen. 
  • Investments brauchen keine Bank mehr. Alle Vermögenswerte lassen sich heute "tokenisieren" d. h. digitalisieren. Statt einem Beteiligungspapier kauft man Token als Anlage.
  • Mit der dritten Kategorie der Kryptowährungen, der Utility Token, lassen sich Werte innerhalb eines Ökosystems verschieben. Ein Beispiel: Einem Porsche Panamera wurde in einem Proof of Concept ein Krypto-Wallet mit der Kryptowährung IOTA eingebaut. Der Porsche war nun in der Lage, die Parkgebühr der Parkuhr selbständig bei Wegfahrt des Autos zu bezahlen. Ein solcher Prozess wird auch M2M genannt, Machine to Maschine. Es braucht dazu keine Banken.

KI und Bots übernehmen das Private Banking

Vielleicht lachen wir über die Robo Advisor von heute - noch. Doch die Entwicklung geht rasend schnell und wie in anderen Bereichen hat eine disruptive Technologie für grosse Umwälzungen gesorgt (Kodak, Nokia etc.). Morgen präsentiert möglicherweise ein neues FinTech seinen Robo Advisor, der eine bessere Beratung als ein Mensch bietet. 

 

Die Banken müssen sich komplett neu erfinden

 
Die Banken haben heute noch die Chance, das Zepter selbst in die Hand zu nehmen und die schon lange nötigen Veränderungen anzustossen. 

Die Disruption in der Medienbranche als Vorbild für die Finanzbranche?

In der Medienbranche haben Google & Co. gesorgt, dass kein Stein auf dem anderen blieb. Doch haben sich auch die grossen Verlage mit dem Zukauf digitaler Geschäftsmodelle teilweise neu erfunden. Doodle beispielsweise gehört zur TX Group (vormals Tamedia). 
 

Die Disruption in der Finanzbranche

So wird es auch der Finanzbranche ergehen. Sie müssen sich komplett neu erfinden. Revolut und N26 beispielsweise haben mit ihren Smartphone-Banken für Furore gesorgt. Diese konnten bei der Gen Y und Z punkten, weil bei ihnen der Kunde und die UX im Fokus steht. 
 
Die Finanzbranche wird sich ähnlich radikal wie die Medienhäuser anpassen müssen. Open Banking allein genügt nicht, um sich gegen die neuen Player behaupten zu können. Open Banking wird im Gegenteil zu mehr Wettbewerb unter den Anbietern führen. 
 
Doch geht die wirkliche Konkurrenz von den Techgiganten aus. Stellen wir uns vor, Apple und Google kündigen morgen an, sie seien jetzt auch eine Bank und werten damit ihre bestehenden Zahlungslösungen auf. Und dann gibt es ja auch noch Amazon, Facebook mit Libra oder WhatsApp, Alipay und Tencent mit WeChat. 

Der digitale Tsunami kommt - so oder so

Wie lange braucht es wohl noch Banken im heutigen Sinne? Was denken Sie? Können die Banken sich analog der Medienhäuser neu erfindens? Schreiben Sie mir!
 
 
Der Autor:
 
 
Jörg Eugster ist ein Online-Pionier der ersten Stunde. Er engagiert sich als begeisterter Botschafter der digitalen Zukunft. Anders als viele Bedenkenträger schürt der Digitalisierungsoptimist jedoch keine Furcht vor Robotern und künstlicher Intelligenz. Stattdessen setzt er auf das riesige Potenzial der digitalen Revolution, deren Power er als Publizist und Vortragsredner in die Welt trägt.