Wie können wir das Vertrauen in Daten und Informationsintegrität in Zeiten von KI sicherstellen?

22.01.2025
5 Min.

Generative Künstliche Intelligenz (KI) verändert nicht nur Arbeit und Kommunikation, sondern stellt auch tiefgreifende Fragen zur Verlässlichkeit digitaler Informationen. Wie können wir in einer Welt voller KI-generierter Inhalte sicherstellen, dass Daten vertrauenswürdig bleiben? Dieser Artikel zeigt die Herausforderungen, analysiert die Risiken und präsentiert konkrete Lösungen, um eine nachhaltige Information-Governance sicherzustellen.

 

Bild generiert durch den Autor mithilfe von ChatGPT 4o

 

Die Bedrohung der Informationsintegrität

Generative KI ermöglicht, Texte, Bilder oder sogar Videos zu erstellen, die kaum von menschlichen Werken zu unterscheiden sind. Während diese Technologien enorme Effizienzgewinne versprechen, bergen sie auch erhebliche Risiken:
 

Unklare Herkunft von Daten

Die Transparenz von Daten wird gefährdet, weil ohne deutliche Hinweise auf die Herkunft eines Inhalts unklar ist, ob dieser von einem Menschen oder einer KI erstellt wurde. Nutzer können nicht nachvollziehen, wer hinter einem Text steht und auf welcher Grundlage er verfasst wurde. Hinzu kommt, dass KI-Modelle häufig auf unbekannte oder intransparente Datenquellen zugreifen. Diese fehlende Transparenz untergräbt das Vertrauen in digitale Inhalte, da weder Authentizität noch Verlässlichkeit von Informationen unabhängig beurteilt werden können. In einer Welt, in der Informationen die Grundlage für Entscheidungen sind, wird diese Unsicherheit zu einem immer grösseren Problem.
 

Manipulation und Ideologisierung

KI wird gezielt genutzt, um Inhalte zu manipulieren und Meinungen zu beeinflussen. Ein bekanntes Beispiel ist die US-Wahl 2016, bei der russische Bots mit Hilfe von KI Millionen Fake-News-Beiträge auf Facebook und Twitter verbreiteten, um Wähler zu spalten und zu manipulieren (Quelle: Senate Intelligence Committee Report, 2019). Solche Fälle zeigen, dass KI in der Lage ist, Desinformation zu verbreiten und Vertrauen zu zerstören. Leider muss davon ausgegangen werden, dass jeweils nur die Fälle publik gemacht werden, die dem eigenen Wertesystem zuträglich sind, aber der Einsatz dieser Methoden mittlerweile allgemein verbreitet ist.
 

Datenverwertung in geschlossenen Kreisläufen

KI-Systeme trainieren zunehmend auf Daten, die von anderen KI-generierten Inhalten stammen, anstatt von originalen, von Menschen erstellten Daten. Dadurch entstehen geschlossene Kreisläufe, in denen Fehler, Verzerrungen oder ungenaue Informationen aus dem ursprünglichen Datensatz übernommen und weiter verstärkt werden. Dieser Effekt, der sich als „Daten-Inzucht“ bezeichnen lässt, führt dazu, dass die Qualität der Inhalte mit der Zeit automatisch abnimmt. Ein Beispiel ist die Erstellung von Nachrichtenartikeln: Wenn eine KI-generierte Nachricht als Trainingsdatenquelle für andere KI-Modelle dient, können sich bewusste Ungenauigkeiten oder tendenziöse Formulierungen vervielfachen, was die Verlässlichkeit der Inhalte zunehmend in Frage stellt.
 
Das Resultat ist ein dramatischer Vertrauensverlust. Wenn wir nicht wissen, ob Informationen echt oder manipuliert sind, stellt sich die Frage: Wie können wir darauf basierend Entscheidungen treffen?
 

Warum das wichtig ist: Vertrauen ist unser Fundament

Verlässliche Informationen sind das Fundament einer funktionierenden Gesellschaft. Fehlt diese Zuverlässigkeit, können sich Manipulationen und Fehlentscheidungen durch alle Ebenen ziehen, sei es in Wirtschaft, Politik oder der Gesellschaft. Im Schweizer Wertesystem, das auf Transparenz und Mitbestimmung basiert, ist Sicherheit besonders zentral. Entscheidungen durch Volksabstimmungen oder Initiativen setzen voraus, dass Bürger Zugang zu korrekten und unverfälschten Informationen haben. Manipulierte Daten oder gezielte Desinformation können nicht nur die demokratische Entscheidungsfindung punktuell schwächen, sondern unser politisches System untergraben.
 
Ein Vergleich: Während in zentralistischen Systemen die Manipulation von Informationen leichter unentdeckt bleibt, kann in der Schweiz die hohe Bürgerbeteiligung und der direkte Einfluss auf Entscheidungen eine natürliche Schutzfunktion bieten. Doch diese Schutzfunktion ist nicht nur nicht unfehlbar, sondern kann schlimmstenfalls sogar zur Gefahr werden. Sollten beispielsweise gezielt fehlerhafte oder tendenziöse Daten Eingang in Abstimmungsunterlagen oder politische Diskussionen finden, könnte die öffentliche Meinung unwissend Opfer einer gesteuerten Ideologisierung werden. Das Resultat sind Entscheidungen, die nicht auf sachlichen Grundlagen, sondern auf falschen Annahmen basieren – mit potenziell langfristigen Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft.
 
In einer Welt, die zunehmend von KI-generierten Inhalten geprägt ist, müssen wir deshalb sicherstellen, dass Daten nicht nur verfügbar, sondern auch transparent und nachvollziehbar sind. Ohne diese unveränderbare Nachweisbarkeit von Herkunft und Integrität der Daten könnten selbst etablierte Demokratien wie die Schweiz gefährdet sein. Informationsintegrität ist somit nicht nur ein technisches Thema, sondern auch ein politisches und gesellschaftliches Risiko.
 

Transparenz und Nachvollziehbarkeit schaffen

Die gute Nachricht ist, dass es konkrete Wege gibt, um die Integrität von Informationen auch in einer Welt voller KI-generierter Inhalte zu gewährleisten. Unternehmen müssen sich jedoch bewusst sein, dass das Thema weit über technologische Herausforderungen hinausgeht – es ist ein strategischer Imperativ. Denn Daten sind nicht nur Rohmaterial für Entscheidungen, sie sind längst zum zentralen Vermögenswert der digitalen Wirtschaft geworden. «Data is the new oil», wie der britische Mathematiker Clive Humby bereits 2006 betonte. Sie sind der Treibstoff für Innovationen und die Grundlage von Wettbewerbsvorteilen. Ohne Integritäts-Nachweise riskieren wir, dass dieser Treibstoff Feuer fängt.
 

Lösungsansatz 1: Daten-Labeling als Digital Product Passport (DPP)

Daten-Labeling ist ein entscheidender Schritt, um die Herkunft und Integrität von Daten transparent und überprüfbar zu machen. Ähnlich wie ein Produkte-Pass in der physischen Welt Informationen über die Herstellung und den Ursprung eines Produkts enthält, um die Einhaltung von Nachhaltigkeitszielen nachzuweisen, sorgt ein Datenlabel dafür, dass digitale Inhalte von der Quelle bis zur Nutzung lückenlos verfolgt werden können. Dies wird durch Metadaten ermöglicht. Sie versehen jeden Datensatz mit Informationen wie Erstellungszeitpunkt, Urheber und Änderungsverläufen.
 
Ein praktisches Beispiel dafür bietet die Lebensmittelindustrie, in welcher Blockchain-Technologie genutzt wird, um die Lieferkette von Produkten wie Kaffee oder Fisch nachvollziehbar zu machen. Dieselbe Methode kann auf digitale Daten angewandt werden. Unternehmen könnten beispielsweise sicherstellen, dass jede von ihnen erstellte Datei mit einem digitalen Fingerabdruck versehen wird, der manipulationssicher in einer öffentlichen Blockchain gespeichert ist. Ein solcher Ansatz gewährleistet, dass jede spätere Änderung des Datensatzes erkennbar wird. Auch der Zugriff auf Daten kann eine solche Änderung auslösen, was vor unberechtigten Zugriffen Schutz bietet.
 
Für Unternehmen bedeutet das nicht nur mehr Sicherheit, sondern auch Compliance-Vorteile. In Branchen wie der Finanzwirtschaft oder dem Gesundheitswesen, wo regulatorische Anforderungen zunehmen, ermöglicht Daten-Labeling eine einfache und effiziente Nachverfolgung von Daten. So könnten Banken beispielsweise nachweisen, dass Kundendaten ausschliesslich für autorisierte Zwecke verwendet wurden. Dies schützt vor rechtlichen Konsequenzen und stärkt gleichzeitig das Vertrauen der Kunden.
 

Lösungsansatz 2: Zentrale Datenarchivierung – Kontrolle und Effizienz 

Ein weiterer zentraler Schritt, um die Integrität von Informationen zu sichern, ist die zentrale Archivierung von Daten. Während viele Unternehmen ihre Daten in unterschiedlichen, oft dezentralen Systemen speichern, erhöht eine zentrale Lösung nicht nur die Kontrolle, sondern auch die Effizienz. Ein zentrales Datenarchiv stellt sicher, dass alle relevanten Informationen an einem Ort gesammelt, gesichert und unveränderbar dokumentiert werden.
 
Ein praktisches Beispiel bietet die Pharmaindustrie. Klinische Studiendaten werden dort in zentralen, manipulationssicheren Archiven gespeichert, um regulatorischen Anforderungen zu genügen. Ein solches System lässt sich leicht auf andere Branchen übertragen. Ein Unternehmen könnte ein zentrales Archiv schaffen, das alle internen und externen Daten mit einem digitalen Fingerabdruck versieht. Jede Änderung oder Nutzung wird automatisch protokolliert, was spätere Audits erleichtert und Manipulationen nahezu unmöglich macht.
 
Für Unternehmen bedeutet dies eine erhebliche Verbesserung ihrer Dateninfrastruktur. Ein zentrales Archiv reduziert die Abhängigkeit von Drittanbietern und verhindert sogenannte «Daten-Silos», bei denen wichtige Informationen in einzelnen Abteilungen isoliert und für andere unzugänglich sind. Zudem schützt es vor rechtlichen und finanziellen Risiken, wenn Daten jederzeit überprüfbar und transparent genutzt werden können. In einer Welt, die sich von der Wissensgesellschaft zur Datengesellschaft entwickelt, ist es unabdingbar, dass Unternehmen ihre Daten zentral archivieren und als Originale verifizierbar machen. Das schafft Sicherheit. Es ist wichtig die eigene Firma oder Brand/Marke auch digital positiv zu positionieren, um ihren Wert zu sichern.
 

Jetzt handeln, um Glaubwürdigkeit zu wahren

Generative KI wie OpenAI verändert die Art und Weise, wie Informationen entstehen und genutzt werden. Dabei stellt sie die Informationsintegrität vor enorme Herausforderungen. Wenn wir nicht handeln, riskieren wir ein digitales Chaos, in dem Wahrheit und Fälschung ununterscheidbar werden. Die Konsequenzen wären tiefgreifend: Vertrauensverlust, Manipulation und eine Gesellschaft, die ihre Entscheidungsgrundlagen verliert.
 
Das Internet, wie wir es heute kennen, könnte zur unbrauchbaren Datenmüllhalde werden.
 
Doch die Zukunft ist nicht alternativlos. Mit Technologien wie Daten-Labeling, zentralen Archivierungssystemen und klaren Richtlinien können wir die Basis für eine digitale Welt schaffen, in der Informationen wieder vertrauenswürdig sind. In den Worten des Science-Fiction-Autors Philip K. Dick: «Reality is that which, when you stop believing in it, doesn‘t go away.»
 
Die Zeit zu handeln ist jetzt. Hoffen wir nicht auf Zufälle – sondern gestalten wir aktiv die Zukunft einer nachhaltigen Information Governance. Ohne Transparenz und Nachvollziehbarkeit werden Daten nicht nur ihre Bedeutung verlieren, sondern aktiv die Grundlagen unserer Entscheide gefährden. 
 
Gerne können Sie Anregungen und Gedanken zu diesem spannenden und durchaus kontroversen Thema an friedrich.kisters@originstamp.com senden.

 

 

Der Autor

Friedrich Kisters ist CEO von OriginStamp AG. Seine Expertise in Künstlicher Intelligenz und Fälschungsschutz-Technologien ist geprägt von der Suche nach nutzbringenden Software-Lösungen für Unternehmen. www.originstamp.com

 

 

Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 24-4

 

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