Mit wenigen Klicks wird das gewünschte Zwischenzeugnis nicht nur individuell für die Mitarbeitende erstellt, sondern auch direkt im Dossier abgelegt. Die vorgesetzte Person signiert das Dokument elektronisch und die Antragstellerin erhält ihr fixfertiges Zeugnis. Was in Grossfirmen schon Realität ist, davon können KMUs oft nur träumen.
Symbolbild erstellt von Firefly
Dabei liegt gerade im HR-Bereich sehr viel Digitalisierungspotenzial brach, das die Unternehmen nutzen könnten, um effektivere Steuerungshebel zu gewinnen. Dieser Beitrag soll die entsprechenden Möglichkeiten und Stolpersteine auf dem Weg zu einem digitalen HR aufzeigen. Dazu haben wir einerseits Studien aus dem DACH-Raum herangezogen, die einen guten Richtwert bieten, wo HR aktuell steht und wohin es sich bewegt, andererseits werfen wir einen Blick auf die Praxis, wie es dort um die Digitalisierung und Automatisierung des HR steht.
Welche Erkenntnisse zeigen aktuelle Studien?
Interessanterweise hinkt gerade die klassische Personalverwaltung den anderen Unternehmensbereichen hinterher – dies, obwohl Digitalisierung im HR-Bereich als zentral erachtet wird und sich die Administration aufgrund ihrer Datenressourcen und Prozessorientierung ja geradezu anbietet für Automatisierung. Einzig im Bereich Recruiting wurde in den vergangenen zwei Jahren deutliche Fortschritte erzielt. Trotz vorhandener Datenressourcen und dem erkannten Potenzial von Technologien wie KI wird deren Einsatz zögerlich vorangetrieben, was auch in neueren Studien bestätigt wird, die eine Stagnation der Digitalisierung in Unternehmen allgemein und insbesondere in HR-Services aufzeigen. Nur etwa 20 % der HR-Abteilungen nutzen KI-Anwendungen in ihren Prozessen, obwohl der Bedarf an strategischen HR-Kennzahlen und die Erwartungen der Führungskräfte an eine weitergehende Digitalisierung hoch sind.
Doch was sind die Gründe für den tiefen Digitalisierungsstand in den HR-Abteilungen? In diesen wesentlichen Punkten sind sich die Studien mehrheitlich einig:
Ein häufiges Problem bei der HR-Digitalisierung ist das Fehlen einer klaren strategischen Priorisierung, was dazu führt, dass keine gezielten Bedürfnisanalysen durchgeführt werden. Statt zuerst die Probleme zu analysieren und dann die passende Technologie zu entwickeln, wird oft die Technik vor den Nutzen gestellt. Zudem sind viele Prozesse und Strukturen zu langsam und wenig innovativ, was in der Folge zu mangelhaften und inkompatiblen Daten führt, die den Fortschritt weiter hemmen. Eine Folge davon ist das Fehlen von verfügbaren und qualitativ hochwertigen Daten sowie mangelnde Kompatibilität mit bestehenden (veralteten) Systemen.
Fehlende Ressourcen: Wenn die strategische Relevanz nicht erkannt wird, bleiben auch die nötigen Investitionen aus. Dadurch fehlt es an Kompetenz, um die HR-Digitalisierung voranzutreiben und erfolgreich umzusetzen. Externe Expertise einzukaufen ist kostspielig und schafft eine zusätzliche Schnittstelle, die potenziell zu Reibungsverlusten führen kann.
Bei der HR-Digitalisierung schwingen zwangsläufig Datenschutz- und ethische Bedenken mit. Die Gefahr von Datenschutzlücken ist besonders zu beachten, da es sich um sensible personenbezogene Daten handelt, hier sind einige rechtliche Fragen noch ungeklärt. Ethische Bedenken ergeben sich v.a. aufgrund fehlender Transparenz der verwendeten Algorithmen. Gerade in diesem Bereich ist KI besonders anfällig für Fehlinterpretationen, da sie durch historische Daten lernt. Wichtig ist hier, einen vernünftigen Weg zu finden, die Daten zu verwerten und gleichzeitig keine individuellen Rückschlüsse zuzulassen. Daher ist es entscheidend, KI-Ergebnisse kritisch zu prüfen, um sicherzustellen, dass Entscheidungen auf fundierten und fairen Grundlagen basieren. Die Verantwortung liegt dabei bei den Personalverantwortlichen.
Nicht selten ist in Unternehmen Widerstand gegenüber KI und technologischen Veränderungen anzutreffen, besonders in traditionellen Unternehmenskulturen. Zudem bremsen starre Organisationsstrukturen und eine an Bewährtem festhaltende Kultur die Weiterentwicklung. Anpassungsfähige, kompetente und entwicklungsbereite Mitarbeitende sind daher unerlässlich.
Ein Blick in die Praxis – KI Nutzung im HR
Der Blick in die Praxis bestätigt die oben erwähnten Erkenntnisse aus den betreffenden Studien. Dies möchten wir am Beispiel eines Teils des Recruiting-Prozesses illustrieren.
Der Initiierungsprozess beginnt mit der Stellenmeldung und dem Bewilligungsprozess, woraufhin die relevanten Eckpunkte der Position erfasst werden. Diese bilden die Grundlage für die Entwicklung einer Sourcing-Strategie und die Erstellung des Ausschreibungsprofils, das anschliessend auf geeigneten Plattformen veröffentlicht wird. Die eingehenden Bewerbungen werden von der Personal- und Fachabteilung geprüft und die passenden Kandidierenden zum Interview eingeladen. Alle Schritte dieses Prozesses erfolgen manuell und unabhängig voneinander. Allein in diesem Teil lassen sich diverse Teilschritte automatisieren und koppeln, vorausgesetzt, die notwendigen Grundlagen wie umfassende Dokumentationen, definierte Workflows, eingebettete Trigger und fein abgestimmte Prompts sind vorhanden.
Bei einem Kunden haben wir folgenden Use-Case erfolgreich implementiert: Die Grundlage bildet ein umfassendes Sheet zur Erfassung aller Stellenanforderungen, das der Führungskraft vorausgefüllt mit relevanten Informationen zur Verfügung gestellt wird, basierend auf vorhergehende Rekrutierungen. Dieses finale Sheet dient der KI als Ausgangspunkt, um verschiedene Workflows zu starten, wie die Meldung an die Bewilligungsstelle, die Erstellung einer firmenspezifischen Stellenanzeige (einschliesslich kultureller Faktoren, CI/CD-Wording oder Zielgruppensprache). Zudem werden massgeschneiderte LinkedIn-Post-Vorschläge für die Führungskraft erstellt und eine E-Mail mit allen relevanten Informationen versendet. Ein weiterer Trigger aktiviert die Erstellung eines individuellen Interview-Fragebogens oder einer Fallstudie. Schliesslich erinnert die KI rechtzeitig daran, ob die Ausschreibung verlängert oder deaktiviert werden soll.
Der Prozess kann bis hin zur Vertragserstellung durchgängig automatisiert unterstützt werden, sodass das HR den administrativen Aufwand auf ein Minimum reduzieren kann. Gleichzeitig rücken die Personalisierung und die Nähe zum Business stärker in den Fokus. Auch für die Führungskräfte werden zeitraubende Tätigkeiten deutlich verringert.
Der beschriebene Automatisierungsprozess lässt sich auch auf andere wesentliche HR-Aufgaben übertragen. Beispielsweise das Formulieren von Zeugnissen, Vertragsänderungen oder die Organisation von Lernangeboten können firmenspezifisch und unter Einhaltung der Datenschutzrichtlinien mithilfe von KI effizient gestaltet und grösstenteils automatisiert erledigt werden.
Die erwähnten Studien zeigen, wo die aktuellen Pain-Points liegen, und verdeutlichen die Notwendigkeit von technischem Know-how, vertieftem Business-Verständnis, klaren Strukturen, solider Datengrundlage sowie kreativen Ansätzen. Insbesondere in HR-Abteilungen sind diese Voraussetzungen oft unzureichend, wie die Studien und unsere Kundenpraxis belegen. Vor der Automatisierung benötigte man etwa 10 Stunden für die Besetzung einer einfachen Stelle; durch Automatisierung konnte dieser Aufwand um 50% reduziert werden. Bei einem Hiring-Volumen von mehreren hundert Stellen jährlich, führte dies zu einer deutlichen Entlastung des operativen Recruitings um beinahe 50%. Diese Einsparungen verdeutlichen das Potenzial effizienter Prozesse.
Fazit
Gerade für KMU, wo strategische HR-Aufgaben oft bei den Führungskräften liegen, sind Investitionen notwendig, um administrative Entlastung zu schaffen und die Führungskräfte für das Kerngeschäft freizustellen. Zudem sollten Unternehmen in Datenmanagement und Mitarbeiterschulungen investieren, um kritisches Denken sowie den Umgang mit Daten und KI zu stärken. Die hohe Nachfrage nach diesen Kompetenzen zeigt sich auch in den entsprechenden Weiterbildungslehrgängen.
Weiterführende Literatur
- Cerf, D., Dima, J. & Ademi, M. (2022). HR Benchmark. HR- Praktiken- und Prioritäten in den Schweizer Unternehmen. Swiss HR Benchmark (3).
- Haufe (2024). HR Service Experience Studie (2024). Digitalisierung – KI – Image.
- HR Campus (2024). HR Pulsfühler 2024. HR im Wandel. Ein Blick hinter die Kulissen der Schweizer Personalbranche.
- Petry, T., Biemann, T., Gross, J., & Brechlin, A. (2024). Unzufriedenheit trotz Digitalisierungserfolgen.
- Benchmarking-Studie zum Digitalisierungsgrad von HR.
Die Autorenschaft
Angelo Ciaramella ist HR Strategie- und Digitalisierungsexperte bei
ciaramella & partner GmbH mit Fokus auf Digitalisierung sowie Service und Operational Excellence. Zudem ist er Dozent und Vorstandsmitglied
ZGP und hat Einsitz im Beirat von
HR Today.
Monika Rohrer ist Leiterin Institut HR,
Kalaidos FH mit den Schwerpunktthemen HR, Personal- und Organisationsentwicklung, Coaching, Organisationsberatung sowie Personal- und Führungspsychologie.
Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 24-3
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