KI-Projekte scheitern meist nicht an der Technik, sondern an fehlender strategischer Führung und mangelnder Einbindung der Mitarbeitenden. Warum HR von Anfang an Teil der Lösung sein muss und wie Führungskräfte echte Transformation gestalten – statt Technologie zu verwalten.
 

Symbolbild Copilot
 
KMU stehen unter Druck, digitale Transformation schnell und effizient umzusetzen. Ganz besonders durch den Einsatz von KI-Systemen. Doch oft scheitern diese Projekte – nicht an der Technik, sondern an fehlender strategischer Führung und unzureichender Einbindung der Mitarbeitenden.
 
Als Nancy Wayland angefragt wurde, einen Beitrag über Digitale Transformation, KI und Wandel zu schreiben, war ihre Antwort klar: Ja – aber nur zusammen mit Magdalena Orascanin. Denn wenn wir über Transformation sprechen, dann nicht theoretisch – sondern praktisch. Und «praktisch» bedeutet in unserer Erfahrung: Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
 
Was uns dabei antreibt, ist die Verbindung zweier Perspektiven: Erfahrung mit der Steuerung digitaler Transformation aus Geschäftsführungssicht und fundierte KI-Fachexpertise aus dem Bereich HR. Denn es gibt genug allgemeine Ratschläge, wie man theoretisch vorgehen sollte – wir wollen zeigen, wie es wirklich funktionieren kann.
 
Viele starten mit der Technik – und bleiben dort stecken
KI ist längst in der Praxis angekommen – zumindest auf dem Papier. Viele Unternehmen investieren beträchtliche Summen, einige implementieren neue Systeme, doch nur wenige verändern tatsächlich etwas Substanzielles. Woran liegt das?
 
Unsere Erfahrung zeigt: Der Impuls ist oft richtig und der Druck durchaus vorhanden. Aber, der Blick bleibt zu eng gefasst. Digitale Transformation wird häufig als Projekt behandelt, das mit definierten Tools, einem straffen Zeitplan und einem festen Budget «über die Bühne» gebracht werden muss. Dabei übersehen viele, dass es sich vor allem um einen tiefgreifenden Eingriff in bestehende Arbeitsweisen, etablierte Entscheidungswege und gewachsene Rollenverständnisse handelt.
 
Genau dieser Aspekt wird selten von Anfang an systematisch mitgedacht. Nancy erlebt das regelmässig in Gesprächen mit Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern, die schnell handeln wollen, bevor sie vollständig verstanden haben, was dieses Handeln von ihrer Organisation verlangt. Magdalena begegnet ähnlichen Herausforderungen in HR-Teams, die plötzlich KI-Lösungen «ausrollen» sollen, ohne dass vorher grundlegend geklärt wurde, wie und wofür diese Technologien tatsächlich gebraucht werden.
 
Was unterscheidet Projekte, die Wirkung entfalten?
In unserer Arbeit beobachten wir viele Projekte, die scheitern – aber auch einige, die bemerkenswert gut funktionieren. Die Unterschiede sind fast immer dieselben und lassen sich auf wenige zentrale Faktoren zurückführen.
- Erfolgreiche Projekte beginnen mit einem klaren beschriebenen, konkreten Problem, das gelöst werden soll. 
- Die Verantwortung ist eindeutig geklärt und liegt dort, wo strategische Entscheidungen getroffen werden. 
- HR wird frühzeitig eingebunden – nicht erst dann, wenn es um Change-Kommunikation oder die Bewältigung von Widerständen geht. 
- Die betroffenen Mitarbeitenden werden nicht als passive Zielgruppe betrachtet, sondern als aktive Beteiligte am Wandel verstanden.
Am wichtigsten aber ist: Am Anfang steht kein Tool oder eine bestimmte Technologie. Vielmehr beginnt alles mit einer ehrlichen Auseinandersetzung mit dem, was im Unternehmen gerade nicht optimal funktioniert – oder bald nicht mehr funktionieren wird.
 
Drei entscheidende Fragen vor dem Start
Bevor also Budgets freigegeben und Projekte gestartet werden, lohnt es sich deshalb, drei grundlegende Fragen zu klären:
- Welches konkrete Problem wollen wir lösen? Es geht nicht darum, allgemein zu «digitalisieren» oder «automatisieren», sondern spezifische Herausforderungen anzugehen: Bewerbungen gehen verloren, die Einarbeitung dauert zu lange, Entscheidungsprozesse sind zu langsam oder wichtige Kundeninformationen sind nicht verfügbar.
- Wo entsteht ein klarer Mehrwert – und für wen? Der Nutzen sollte nicht abstrakt bleiben, sondern im täglichen Arbeitsalltag spürbar werden. Wird etwas schneller, einfacher oder verlässlicher? Profitieren davon Kundinnen und Kunden, Mitarbeitende oder ganze Teams?
- Wie stellen wir sicher, dass das, was wir einführen, auch langfristig funktioniert? Dazu braucht es klare Verantwortlichkeiten, qualitativ hochwertige Daten, ausreichend Zeit für Qualifizierung und vor allem jemanden, der kontinuierlich hinschaut, wenn es zu Problemen kommt.
 
Und wenn dies Fragen beantwortet sind, hilft für die nächsten Schritte diese erstaunlich einfache Checkliste: 
Checkliste 1: Erfolgsfaktoren digitaler Transformation
- Klare Zielsetzung: Ist das Ziel verständlich und nachvollziehbar formuliert? Gibt es eine überzeugende Story?
- Definierte Verantwortlichkeiten: Gibt es klare Zuständigkeiten – auch für den Umgang mit Fehlern?
- Datenqualität: Sind die vorhandenen Daten ausreichend und verwendbar?
- Partizipation: Werden die betroffenen Mitarbeitenden aktiv einbezogen?
- Ethische Richtlinien: Gibt es einen durchdachten Plan für Bias, Fairness und Datenschutz?
- Nachbetreuung: Ist die kontinuierliche Betreuung und Pflege der Systeme auch nach dem Go-Live gesichert?
- Erfolgsmessung: Werden Wirkung und Erfolg anhand klar definierter Kriterien messbar gemacht?
 
HR als Treiber der digitalen Transformation 
HR ist der beste Gradmesser für digitale Reife: Hier zeigt sich, wie Technologie, Prozesse und Menschen zusammenspielen. So verändert KI gerade grundlegend, wie Talente gefunden, entwickelt und gehalten werden. Laut WEF sehen 81 % der Unternehmen Upskilling und Weiterbildung als Schlüssel für erfolgreiche Transformation – noch vor Gehalt und Benefits!
 
HR-Abteilungen sehen zudem oft deutlich früher als andere Bereiche, wo Prozesse nicht richtig greifen, wo Rollen unklar definiert sind oder wo bestimmte Aufgaben Teams überlasten. Sie spüren auch, wenn Mitarbeitende überfordert sind oder innerlich längst begonnen haben auszusteigen. Gleichzeitig liegt hier das grösste Gestaltungspotenzial: Wenn HR von Anfang an strategisch mitarbeitet, kann Wandel realitätsnah, konkret und nachhaltig gestaltet werden.
Ein Praxisbeispiel: KI-gestütztes Onboarding
Ein international tätiges Unternehmen mit 1200 Mitarbeitenden führte KI-gestützte Onboarding-Workflows ein. Ziel: Neue Mitarbeitende schneller integrieren und gleichzeitig die HR-Teams entlasten.
 
Der Erfolg beruhte auf drei Faktoren:
- Personalisierte Journeys: Die KI stellte individuelle Onboarding-Pläne bereit – abgestimmt auf Rolle, Standort und Vorerfahrungen.
- Automatisierung von Standardaufgaben: Vertrags- und Dokumentenprozesse, IT-Zugänge und Schulungsbuchungen wurden automatisiert.
- Fokus auf den Menschen: Die KI entlastete das HR-Team von administrativen Aufgaben, sodass mehr Raum für persönliche Begleitung entstand.
Das Ergebnis: 40 % schnellere Onboarding-Zeiten, höhere Zufriedenheit bei neuen Mitarbeitenden und weniger manuelle Fehler.
 
Damit es zu solchen Erfolgen kommen kann, muss verstanden werden, dass ein entscheidendes Element für nachhaltige Transformation bei den Mitarbeitenden selbst liegt. In vielen Diskussionen rund um KI und Automatisierung stehen Effizienz, Skalierbarkeit und Kostensenkung im Zentrum. Doch oft wird vergessen, wer die neuen Systeme im Alltag nutzen und den Wandel tatsächlich gestalten soll. Laut World Economic Forum werden bis 2027 fast 50 Prozent aller Mitarbeitenden neue Kompetenzen benötigen – eine Entwicklung, die Unternehmen zu aktiver Begleitung dieser Entwicklung verpflichtet.
 
Besondere Aufmerksamkeit verdienen dabei Gruppen, die bei Transformationsprojekten häufig übersehen werden: Menschen ohne ausgeprägten Digitalhintergrund, Teilzeitkräfte, ältere Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeitende in Schnittstellenrollen. Sie sind keine «schwierigen Fälle», sondern das Fundament der Organisation. Wer diese Menschen gezielt einbindet, Wissen stärkt und Barrieren abbaut, schafft kulturelle Stabilität und sorgt dafür, dass Fortschritt auch tatsächlich wirkt.
 
Checkliste 2: KI sinnvoll in HR-Prozesse integrieren
- Konkrete Anwendungsfälle: Gibt es spezifische Use Cases mit erkennbarem, messbarem Nutzen (Onboarding, Learning, People Analytics)
- Passende Tools: Sind die gewählten Technologien praxistauglich und zur Organisationskultur und Datenlage passend?
- AI Literacy als Grundlage für Aktzeptanz: Wurde ein durchdachtes Qualifizierungskonzept entwickelt, das 
 verschiedene Zielgruppen berücksichtigt?
- Rechtliche Klarheit: Sind alle relevanten Rahmenbedingungen geklärt (DSGVO, EU AI Act, interne Richtlinien)? Und die Verantwortlichkeiten geklärt?
- Fairness-Prinzipien: Gibt es einen bewussten, strukturierten Umgang mit Bias und Diskriminierungsrisiken? Daten geprüft, Standards definiert?
- Transparente Kommunikation: Werden Mitarbeitende (auch Kandidierende) kontinuierlich informiert, gehört und aktiv einbezogen?
- Iteratives Vorgehen: Sind Projekte so konzipiert, dass Anpassungen und Verbesserungen möglich sind? Klein starten, verbessern, skalieren.
KI ist kein Shortcut
Digitale Transformation ist kein Technik-Projekt – sondern ein Führungsprojekt. Tools sind dabei nur so stark, wie die Strategie, die sie trägt. Wer Wirkung will, braucht Mut zur Veränderung, klare Ziele, eine überzeugende Story und gezielt Qualifizierung. Die Zukunft gehört nicht den Unternehmen, die am schnellsten KI-Lösungen kaufen.
 
 
Die Autorinnen
 
Nancy Wayland war selbst CEO und hat die Königsdisziplin der Kulturtransformation gemeistert. Heute bringt sie ihre Erfahrung als Mehrfach-Verwaltungsrätin und Startup-Gründerin gezielt ein, um CEOs und Geschäftsführende dabei zu begleiten, ihre Führungsrolle strategisch und wirksam zu gestalten. Sie arbeitet ausschliesslich mit Führungskräften auf C-Level, die echten Impact wollen.
 
Magdalena Orascanin ist KI-Strategin, Trainerin und Expertin für die Integration von Künstlicher Intelligenz in HR-Prozesse. Mit über 13 Jahren Erfahrung in internationalen HR-Leadership-Rollen unterstützt sie Unternehmen dabei, ihre HR-Teams fit für die digitale Zukunft zu machen – praxisnah, ethisch und wirksam.
 
 
Publikation in Zusammenarbeit mit:
 
 
 
 
Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 25-3
 
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