Das ERP-System ist seit Jahrzehnten das Herzstück vieler Unternehmens-ITs. Und der Markt ist im Prinzip voll davon. Allein in der topsoft Marktübersicht buhlen 125 IT-Anbieter mit 165 ERP-Systemen um die Gunst der Kundschaft. Trotzdem drängen weiterhin neue ERP-Lösungen auf den Markt. Warum? Wir haben die Experten gefragt und erfahren, warum es immer noch Innovationen im ERP-Markt braucht. Hier finden Sie das komplette Interview mit Maurice Hälg, Mitgründer und Direktor von Immensive SA.
Maurice Hälg (Bild zVg von Immensive)
Wie kommt man als Schweizer IT-Anbieter auf die Idee, im Jahr 2024 ein neues ERP-System auf den Markt zu bringen? Ist das Angebot nicht schon gross genug? Dieser Frage sind wir nachgegangen und haben Maurice Hälg, Direktor von Immensive SA, dazu einige Fragen gestellt.
topsoft Fachredaktion: Warum entwickelt man 2024 noch ein neues ERP-System? Gibt es nicht schon genügend Systeme?
Maurice Hälg: Ja, da gibt es tatsächlich sehr viele Produkte auf dem Markt. Leider sind aber bestehende Systeme entweder oft für ganz spezifische Aufgaben zugeschnitten oder sie kommen mit unzähligen Modulen. In beiden Fällen benötigt man sehr viel Zeit, Energie und Geld für die Einführung bzw. für die Konfiguration. ZenERP funktioniert sofort “out of the box” und enthält sämtliche Elemente für alle operativen Prozesse einer Firma an einem zentralen Ort, und dies sogar unter Einhaltung der strengsten Anforderungen, wie sie zum Beispiel für die Medizintechnik relevant sind.
Was waren für Sie die Hauptgründe, im 2024 ein von Grund auf neues ERP zu entwickeln?
Um diese Frage zu beantworten, muss ich kurz die Entstehungsgeschichte erläutern. 2004 haben wir zu dritt die Firma Atracsys Sàrl als ETH-Lausanne Startup gegründet. Atracsys Sàrl stellt Hochpräzisionskameras für die roboterunterstützte Chirurgie her.
Mit der Entwicklung des Unternehmens von einem Drei-Mann-Betrieb zu einem global agierenden Medizintechnikunternehmen, inklusive der Gründung eines Schwesterunternehmens und dem Wachstum auf fast hundert Mitarbeitende, stellt sich zwangsläufig die Frage nach einem ERP-System.
Ein zentrales Motiv für die Entwicklung eines eigenen ERP-Systems war der Wunsch, alle relevanten Funktionen an einem Ort zu vereinen, anstatt zahlreiche Softwarelösungen mit inkompatiblen Schnittstellen zu verwenden. So sind nun alle Bereiche – von der Zeiterfassung über Projektmanagement, CRM (Customer Relationship Management), SCM (Supply Chain Management), Produktionsanbindung, Mitarbeiterschulungen, OKR (Objectives and Key Results), QMS (Quality Management System) bis hin zur vollständigen Buchhaltung inklusive Finanzplanung – an einem Ort gebündelt und arbeiten nahtlos miteinander vernetzt, ohne jegliche externe Schnittstelle.
Ursprünglich hatten wir auch nicht die Absicht, ZenERP ausserhalb unserer eigenen Unternehmen einzusetzen – es war als interne Lösung konzipiert. Doch im Laufe der Jahre kamen externe Partner, Lieferanten, Auditoren und befreundete Unternehmen immer wieder in Berührung mit ZenERP, waren begeistert und wollten das System übernehmen. Nach über zehn Unternehmen, die unser ERP nun bereits erfolgreich nutzen, haben wir uns entschieden, das Produkt offiziell zu kommerzialisieren.
Warum hat man nicht die bestehende Lösung weiterentwickelt? Oder gab es noch gar keine vorher?
Für Medizinsysteme gelten besondere Anforderungen an die Nachverfolgbarkeit, die in der Norm ISO 13485 festgelegt sind. Ein zentrales Element dieser Norm ist die sogenannte 'Individual Traceability', die eine vollständige Rückverfolgbarkeit aller Komponenten bis zur kleinsten Schraube umfasst sowie die lückenlose Dokumentation aller Arbeitsschritte – inklusive deren Reihenfolge, der verantwortlichen Personen und der genauen Ausführungszeitpunkte. Zusätzlich zeichnet ZenERP jeden Dateneintrag und jede Änderung automatisch auf, wodurch jederzeit Audits durchgeführt werden können.
Diese Anforderungen werden normalerweise nur von wenigen, sehr kostspieligen ERP-Systemen erfüllt, die mit erheblichem Konfigurationsaufwand implementiert werden müssen (z. B. SAP, Proconcept). Bei ZenERP hingegen wurden diese Vorgaben von Anfang an in die Software-Architektur integriert und arbeiten im Hintergrund ohne zusätzlichen Aufwand für unsere Kunden. Auch Unternehmen ausserhalb des medizinischen Bereichs (die über 80 % unserer Kunden ausmachen), die unter ISO 9001 arbeiten oder keine Zertifizierung anstreben, profitieren erheblich von diesen grundlegenden Mechanismen.
Welche spezifischen Bedürfnisse oder Alleinstellungsmerkmale deckt ihr System ab?
Wie bereits erwähnt, zählen die vollständige Nachverfolgbarkeit und die nahtlose Integration des QMS zu den herausragenden Merkmalen von ZenERP – besonders für ein SaaS-ERP, das nicht erst über Monate hinweg aufwendig und kostenintensiv konfiguriert werden muss. Man merkt in allen Aspekten von ZenERP, dass das System komplett von Grund auf entwickelt wurde, quasi auf der grünen Wiese, und dabei konsequent auf maximalen und sofortigen Mehrwert für das Business ausgerichtet ist.
Integriert Ihr System KI-Technologien, um Anwendern einen Mehrwert zu bieten?
Nein, bis jetzt noch nicht, da wir eine absolute Kontrolle über die Datenhoheit garantieren wollen. Daten im ZenERP werden garantiert nur in ZenERP gespeichert und prozessiert und das soll auch in Zukunft so bleiben.
In unserer Entwicklungspipeline befinden sich jedoch bereits konkrete, effizienzsteigernde Funktionalitäten, die wir mithilfe von LLMs umsetzen möchten, welche vollständig auf unseren eigenen Servern laufen werden.
In welcher Weise berücksichtigt Ihr neues ERP-System die Anforderungen der digitalen Transformation und der zunehmenden Vernetzung von Industrien?
Alles an einem Ort mit der Möglichkeit, externe Daten per API an ZenERP zu koppeln, ermöglicht eine 100%ige Vernetzung und resultiert somit in einer unglaublichen Effizienz, relevante Rückschlüsse für die Geschäftsstrategie aus den Daten zu extrahieren.
Wie gehen Sie mit der Herausforderung der Datensicherheit und des Datenschutzes um?
Datensicherheit und Datenschutz ist eines der wichtigsten Elemente in ZenERP. Alle Daten werden ausschliesslich in der Schweiz gehostet. Keine externen Dienste oder Softwaremodule werden verwendet und wir haben totale Kontrolle über jede einzelne Codezeile von ZenERP.
Welche Branchen oder Unternehmensgrössen sehen Sie als Zielgruppe?
ZenERP richtet sich an typische (schweizerische) KMU mit oder ohne eigene Produktion, von der Gründung als Startup bis zu mehreren hundert Angestellten. Unsere Kunden kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen wie Medizintechnik, Softwareentwicklung, Architektur u.v.a.
Wie unterscheidet sich das Nutzererlebnis Ihres neuen ERP-Systems von anderen am Markt vorhandenen Lösungen?
ZenERP ist ein SaaS-ERP, das über jeden Webzugang bedient werden kann. Die moderne Weboberfläche unterscheidet sich grundlegend von den oft noch verbreiteten tabellenbasierten Datenbanksystemen. Natürlich lässt sich ZenERP auch komfortabel auf dem Smartphone nutzen.
Was kann Ihr System besser als die etablierten ERP-Lösungen?
Die Tatsache, dass wir mit ZenERP einen monolithischen Ansatz verfolgen, macht das Preis-Leistungsverhältnis praktisch unschlagbar. Des Weiteren bieten wir dem Kunden jederzeit ausserordentlich flexiblen Zugang auf seine Daten per direkten SQL Abfragen. Einen enormen Vorteil sehen wir ebenfalls darin, dass ZenERP erst seit kurzem auf dem Markt ist und die Weiterentwicklung somit (noch) direkt durch unsere Kunden beeinflusst werden kann: so bleiben wir einerseits mit dem Produkt sehr nahe an den Bedürfnissen von unseren Kunden, andererseits profitieren alle Kunden direkt von den Neuentwicklungen, ohne jegliche Zeitverzögerungen oder zusätzliche Kosten.
Können Sie etwas zu technologischen Innovationen im neuen ERP System sagen?
Neben der Tatsache, dass ZenERP auf modernen und zukunftssicheren Technologien basiert, gibt es einige Funktionen, auf die wir besonders stolz sind. Zu den herausragenden Merkmalen zählen beispielsweise die anwendbaren Properties, die auf jedes Modell übertragen werden können, sowie automatische Regressionstests bei Codeänderungen. Ausserdem bieten wir eine Datenbankverschleierung an, die es uns ermöglicht, bei Bedarf spezifische Probleme bei einem Kunden zu beheben, ohne dabei auf sensible Daten direkt zuzugreifen.
Wer heute wechselt, hat meist viele Jahre Transaktionsdaten und so ist der Vendor-Lock ein grosses Problem bei ERP-Systemen. Was ist da Ihr Ansatz, um das zu verhindern?
Wir garantieren unseren Kunden uneingeschränkte Kontrolle über ihre Daten. Auf Knopfdruck stellt ZenERP jederzeit einen vollständigen Datenbank-Dump zur Verfügung, der es unseren Kunden ermöglicht, problemlos auf ein anderes ERP-System umzusteigen. Die Daten sind dabei nach gängigen Industriestandards strukturiert, um eine einfache Migration und nahtlose Integration in andere Systeme sicherzustellen.
ZenERP wurde von Entrepreneuren für Entrepreneure unter dem alleinigen Gesichtspunkt der Business-Effizensteigerung entwickelt. Falls dies für einen unserer Kunden aus irgendeinem Grund nicht mehr mit ZenERP realisiert werden kann, dann werden wir dem betreffenden Unternehmen ganz sicher keine Steine in den Weg legen.
ERPs werden zu zentralen Datenplattformen. Welche Werkzeuge/Technologien kommen für eine einfache Integration mit Umsystemen zur Verwendung?
Über API-Schnittstellen können grundsätzlich jegliche Integrationen realisiert werden.
Wie sehen Sie die Zukunft des ERP-Marktes? Sehen Sie Technologien, die den Markt komplett verändern werden?
Mit unseren Kunden haben wir regelmässig die Diskussion, ob ein ERP nicht durch eines der unzähligen kollaborativen Plattformen wie Monday, Asana, Trello etc. ersetzt werden könnte. Dies ist natürlich nicht der Fall, die Wichtigkeit von strukturierten Daten wird sehr oft massiv unterschätzt. Ein ERP ist weit mehr als nur Task-, Projekt- und Zeitmanagement.
Das wohl bekannteste aller ERPs, SAP, startete in den 1970-er Jahren und dominiert noch heute den Markt. Auch wenn das Produkt in die Jahre gekommen ist, muss man anerkennen, dass faktisch die gesamte Weltwirtschaft auf den Konzepten von SAP & Co. basiert und präzise auf diese Systeme austariert ist. Insofern sind wir überzeugt, dass keine Technologie dieses Setup kurzfristig komplett verändern könnte. Natürlich denken derzeit alle sofort an KI. Bei ZenERP sehen wir diese Technologie als grossartige Möglichkeit zur Effizienzsteigerung in verschiedensten Bereichen, z.B. bei der Datenaufbereitung oder Datenabfrage - also bei der Interaktion mit einem ERP. Die Notwendigkeit für die darunterliegende Organisation aller Daten eines Unternehmens wird dadurch aber in keiner Weise tangiert.
Carte Blanche: Was möchten Sie uns sonst noch sagen, welche wichtige Frage haben wir vergessen?
Wie einfach es ist, ZenERP zu testen. Einfach mit uns in Kontakt treten und wir erstellen einen Zugang, der während drei Monaten kostenlos und ohne weitere Konditionen getestet werden kann.
Vielen Dank für die interessanten Antworten!
Hier finden Sie die Antworten von Uwe Singer, Geschäftsführer von boreas AG.