Veraltete Strukturen hindern HR-Teams am Erfolg

16.10.2024
5 Min.

In vielen Unternehmen fehlt im Bereich Human Resources die Dynamik, die die gesellschaftlichen und arbeitsmarktbezogenen Entwicklungen längst erfordern. Denn HR ist viel mehr als nur Administration – die HR-Teams sind heute Veränderungsbegleiter und strategische Partner.

 

Symbolbild von KI erstellt

 

Wie lautet das Leistungsversprechen Ihrer Personalabteilung? Wie bitte, Sie kennen es nicht? Sie wissen nicht, ob es überhaupt eins gibt? Haben Sie sich schon einmal gefragt, woran das liegt?
 
Eine Aufbau- und Ablauforganisation sicherstellen und so dem Personalmanagement ein zuverlässiges Gerüst verleihen: das hat in Personalabteilungen Tradition. Diese Aufgaben sind Personalern vertraut, weil sie seit Jahrzehnten in den Grundaufträgen stehen, nach denen sie sich richten. Dazu zählt auch das HR «Kerngeschäft»: Arbeitsverträge, Löhne, Zeit- und Absenzen-Management, Spesenreglements und Zeugnisse … Die Liste an Personaladministrations-Prozessen ist lang und wichtig – und meistens unter Kontrolle.
 
Die wahren Herausforderungen der Unternehmen sind heute jedoch andere: Nie zuvor war es so wichtig wie heute, sich als Arbeitgeber substanziell weiterzuentwickeln. Die Auswirkungen des Fachkräftemangels auf die Ergebnisse der Unternehmen wachsen. Leistungsträger schauen genau auf die Strukturen, bevor sie zu einer Firma «Ja» sagen, Junge tun das schon lange.
 

Moderne HR-Teams gefordert 

Gründe genug, um starke und visionäre HR-Teams aufzubauen. Wenn ein Industrieunternehmen im Servicegeschäft 50 offene Stellen hat, bedeutet das: geringere Umsätze als möglich. Wer ausser HR soll diese Stellen besetzen? Und warum soll sich ein Servicetechniker überhaupt genau für das eine Unternehmen entscheiden? Im Sommer 2024 waren in der Schweiz mehr als 1000 offene Stellen für Servicetechniker ausgeschrieben, allein auf jobs.ch! An den Aufträgen an die Personalabteilungen hat sich trotz dieser Entwicklung an vielen Orten nicht viel geändert. Viele Verwaltungsräte betrachten HR-Spezialisten weiterhin als Administratoren. Kein Wunder, fehlt in vielen Firmen im HR die Dynamik und erst recht die Ausstrahlung, die wichtige gesellschaftliche und arbeitsmarktbezogene Entwicklungen längst erfordern.
 
Wer definiert in den Unternehmen den Auftrag für HR? Und wer hält HR möglicherweise davon ab, moderne Rollen einzunehmen? Die Vermutung liegt nahe, dass manche, die Unternehmen steuern und beaufsichtigen, erschreckend wenig von den aktuellen personellen Herausforderungen verstehen – und noch weniger darüber wissen, wie HR ein wertvoller Teil der Lösung sein kann. HR-Teams brauchen moderne Aufträge, mehr Klärung und Reflexion ihrer Rollen im Unternehmen und dadurch Rollenklarheit und Akzeptanz, denn diese sind Voraussetzung für mehr Wirkung.
 

Schlecht positioniertes HR

Die sogenannten HR Business Partner liefern hierfür ein gutes Beispiel. Sie sollen ein Bindeglied zwischen HR und der Linie sein, nah am Business eben. Die Zusammenarbeit mit den Führungskräften soll durch gute Beratung dazu führen, dass Probleme frühzeitig erkannt und gelöst werden und dass man voneinander lernt. Die Ergebnisse fallen dabei oft mager aus. 
 
Das liegt weniger an der Ausbildung als an der Positionierung der HR Business Partner im Unternehmen. Ob deren Beratung echten Einfluss auf wichtige Entscheidungen hat, liegt daran, ob sie als Partner akzeptiert werden. Das scheitert oft schon an den Ressourcen. Wenn drei HR Business Partner geschätzt 50 Filialen in der Schweiz abdecken, bleibt nur Zeit für Trouble Shooting. Und solange an Management Tagungen nur Führungskräfte teilnehmen, deren HR Business Partner, die sie beraten sollen, aber nicht, fehlt die gleiche Augenhöhe.
 
Die grundsätzliche Positionierung von HR im Unternehmen ist deshalb sehr wichtig. Ein dynamisches und wirkungsorientiertes HR-Team fällt nicht vom Himmel. Diese Entwicklung braucht Zeit – Zeit für einen eigenen wertvollen Weg. Zeit für Entwicklungen - das jedoch ist im HR so häufig wie Slow Food Oasen in Fussgängerzonen einer Grossstadt. Wenn HR dann bei linearen Sparrunden aus dogmatischen Gründen auch noch mitmachen muss, ist das nicht vorbildlich, sondern ein Eigentor – einfach eins, dass erst etwas später erkannt wird. Nächstes Beispiel: Erhält eine Personalabteilung trotz eklatant grösserer Rekrutierungsaufwände keine zusätzlichen Ressourcen, gehen zeitgemässe Aktivitäten unter.
 

HR als strategischer Partner

Die HR-Teams sollen heute Veränderungs-Begleiter und strategischer Partner sein – bis dahin ist der Weg noch weit. Dabei gibt es durchaus positive Beispiele. «Performance Manager» – diese Rolle wurde den Personalabteilungen schon früh angedient, was nach den üblichen Daueraufgaben «Interner Dienstleister» und «Administrativer Umsetzer» eine echte Chance war. 
 
Dies war eine der ersten Rollen, in der HR so richtig Einfluss hätte nehmen können. Schliesslich kommen ohne echtes Performance Management die Compensation Modelle nicht zur Anwendung. Doch es wurde meistens nur gemessen und bewertet, was das Zeug hielt. HR verpasste es, zum echten Sparringpartner zu reifen, gerade gegenüber den Vertretern des Topmanagements. Ähnlich läuft es bis heute rund um Mitarbeiterbefragungen ab. Die Befragung wird inklusive Auswertung organisiert. Danach aber zieht HR allzu oft den Kopf ein – wenn es darum geht, Führungskräfte in die Pflicht zu nehmen. Dies sei schliesslich die Aufgabe der Führungskräfte …
 
Einordnung und Positionierung von HR sprechen in den Unternehmen eine klare Sprache. Ich denke, es ist ein Fehler, «HR den Finanzen zu unterstellen». Wie sollen ausgerechnet «Finanz-Spezialisten», die sehr viel rückwärtsgerichtet denken, analysieren und agieren, jene führen, die Jahre im Voraus sichern sollen, dass das Unternehmen genügend ambitionierte Fachkräfte gewinnt? Unser Golfspiel verbessern wir ja auch nicht unter Anleitung des Gitarrenlehrers von früher. Die Wirkung dieser fehlerhaften Weichenstellung ist fatal und wird leicht übersehen. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: CFOs sind manchmal grossartige Führungskräfte und ich schliesse es gar nicht aus, dass sie die richtigen Rahmenbedingungen für moderne HR-Teams bereitstellen. Doch ist das keineswegs sicher, und es bleibt ungewiss, ob sie genügend Zeit aufwenden können, um die Entwicklung zu einem modernen Personalmanagement aktiv zu begleiten. Die Kultur einer transaktional durchgetakteten Finanzabteilung kann die visionäre Weiterentwicklung von HR jedenfalls im Keim ersticken.
 

HR als Coach auf allen Stufen

Noch einmal zurück zu den Rollen. Coach sein, das ist im HR wichtig, auf allen Stufen und für alle Stufen – von den Lernenden bis zu den Führungskräften. Auf diesem Feld sind die Fortschritte vielerorts spürbar. Zu verdanken ist dies starken Leistungsträgern in den Personalabteilungen, also einzelnen Köpfen, die mutig und gewinnend vorangegangen sind. «Als Coach akzeptiert sein» heisst noch lange nicht, dass sich Dinge ändern. Selbst Coaches müssen lernen, an Entwicklungen dranzubleiben, indem sie ihre Coachees an diese erinnern, im Sinn von Umsetzung. Genau diese Art von Verbindlichkeit wird auch in Zukunft darüber entscheiden, ob dem HR eine Haupt- oder weiterhin eine Nebenrolle in der Unternehmensleitung angeboten wird.
 
Es gibt also noch viel zu tun. Zentrale Bedeutung hat dabei, dass HR-Ziele endlich konsequent in der Strategie verankert werden (das fehlt bis heute in vielen Strategiepapieren!) und dass die Teams der Personalabteilungen endlich Zeit für einen eigenen Kulturprozess erhalten. Es ist ein sehr grosser Unterschied, ob HR-Teams einen Auftrag erledigen oder ob sie zusätzlich ein eigenes Leistungsversprechen umsetzen. Letzteres ermöglicht im Dialog mit Top-Führungskräften eine Augenhöhe, die es braucht, um moderne Spuren zu hinterlassen.
 
Apropos kulturelle Weiterentwicklung: Leistungsträger entscheiden sich immer seltener für Firmen, deren Unternehmenskultur sie als mittelmässig bis schlecht wahrnehmen. Junge Menschen tun das heute bereits nicht mehr. Und doch sind viele Firmen von nichts weiter entfernt als von einer echten kulturellen Weiterentwicklung, die sie zu von Grund auf attraktiven Arbeitgebern macht. Das ist mit Blick auf den Zustand vieler HR-Teams kein Trost, aber es erklärt diesen wenigstens.

 

 

Der Autor

Jörg Neumann ist Geschäftsführer von NeumannZanetti & Partner, dem Schweizer Kompetenzzentrum für Führungskultur, für Servicequalität und für den Auf- und Ausbau von Kundenbeziehungen. www.nzp.ch

 

 

Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 24-3

 

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