Social-Media-Guidelines nicht ohne die Personalabteilung

25.03.2021
5 Min.
Social Media ist für viele Unternehmen noch immer ein selbstverständlicher Teil des Marketings. Aber harmonieren die teilweise umstrittenen Plattformen wirklich noch mit dem Image der Firma? Und was haben die privaten Interaktionen der Mitarbeitenden und der Führungsetage auf Social Media eigentlich mit dem Bild des Unternehmens in der Öffentlichkeit zu tun? Es zeigt sich deutlich: Ziemlich viel. Und genau hier herrscht klar Handlungsbedarf.
 
In den Sozialen Medien tummeln sich Herr und Frau Schweizer zu jeder Tageszeit. Zu Beginn des Social-Media-Hypes war es nicht unüblich, dass in Unternehmen die Nutzung der diversen Plattformen verboten war. Teilweise wurde gar der Zugriff auf die entsprechenden Websites gesperrt. 
 
Symbolbild Austin Distel via unsplash
 
Noch heute ist bei diversen Banken und Versicherungen der Zugriff auf Social-Media-Websites stark eingeschränkt. Teilweise werden mittlerweile Zugriffe auf Business Netzwerke wie LinkedIn zugelassen, Facebook oder Twitter jedoch bleiben weiterhin nicht zugänglich. Dies, obwohl jeder mit einem Smartphone seine Konten abrufen kann, ja die Firmen sogar oft selbst auf den genannten Plattformen aktiv sind und auf Interaktionen angewiesen sind. 
 
 

Werteabgleich

Längst hat man in den Marketingabteilungen den Wert von Social Media erkannt und steuert diese mit Agenturen oder einem eigenen Team. Gerade die politischen Ereignisse in jüngster Zeit haben aber diese Plattformen in ein kritisches Licht gerückt. So tun alle Marken-Verantwortlichen gut daran, sich Gedanken zu machen, ob ein Profil, beispielsweise auf Facebook, überhaupt noch den Werten des Unternehmens entspricht. 
 
Dabei geht es nicht nur um das Firmen-Profil, sondern auch um die Plattformen als Werbekanal. So haben diverse Unternehmen Facebook im Sommer 2020 bewusst boykottiert und ihre Werbung eingestellt, darunter so bekannte Namen wie Adidas, Coca-Cola, Unilever, Patagonia, Starbucks oder Soda Stream. Auslöser war die immer stärkere Polarisierung der Meinungen, bzw. das Nicht-Eingreifen des Gründers Mark Zuckerberg gegen Hatespeech und Desinformation. 
 
Das Playboy-Magazin hatte sich deshalb bereits im März 2018 werbewirksam komplett von Facebook zurückgezogen. Die Begründung war klar: «Die Werte von Facebook passen nicht mehr zu den Werten des Playboy Magazins.» Das mag jetzt einige erstaunen oder man kann sogar darüber schmunzeln. 
 
Aber Hand auf Herz: Stimmen denn die Werte von Facebook oder der anderen Plattformen wirklich noch mit Ihren Firmenwerten überein?
 
 

Personalabteilung vs. Marketing?

Dass Social Media eine Kernaufgabe der Marketingabteilung ist, scheint unbestritten. Auch dass sich gewisse Social-Media-Kanäle besser für den Verkauf, andere wiederum für die Personalrekrutierung eignen, hat sich bereits etabliert. So muss ein Social-Media-Plan gut abgestimmt sein und gleichwohl Raum für spontane Reaktionen lassen. Es gilt also, die unterschiedlichen Abteilungen miteinander an einen Tisch zu bringen und gemeinsam die Social-Media-Aktivitäten zu planen. 
 
Dabei vergessen zu viele leider auch das Monitoring. Diese meist trockene Arbeit wird ungern erledigt und doch ist sie sehr wichtig. Dabei geht es nicht nur um das Verhindern eines PR-Desasters oder gar eines Shitstorms, sondern um eine adäquate Reaktion gegenüber den Kunden, wenn es entsprechende Anfragen gibt. So haben viele digital-affine Kunden die unterschiedlichsten Social-Media-Kanäle für ihre Serviceanliegen entdeckt.
 
Nebst dem Blick nach draussen vergessen zu viele Unternehmen aber den Blick nach innen. Die eigenen Mitarbeitenden sind genauso aktiv auf Social Media wie die Kundschaft. Dabei spielt die Hierarchie eine untergeordnete Rolle. Von der Verwaltungsratspräsidentin über den CEO bis zum Lehrling, alle sind sie aktiv – und über ihr Profil auch direkt einer Firma zuzuordnen. Wo vor einigen Jahren eine klare Trennung bestand, sind heute viele Mitarbeiter auf ihren Profilen mit dem Arbeitgeber direkt verknüpft. Und das kann im schlimmsten Fall zu Image-Problemen beim Unternehmen führen. Insbesondere bei Business Netzwerken ist die Marke zentraler Bestandteil der persönlichen Konten. Somit werden jeder Like und jeder Kommentar für Aussenstehende auch in Zusammenhang mit der jeweiligen Marke gebracht, ob bewusst oder unbewusst.
 
Was, wenn der Verwaltungsratspräsident eines Spitals einen Artikel mit dem Titel «Mit der Corona-Impfung wird ein 5G-Chip von Bill Gates implantiert!» teilt? Und was, wenn die Mitarbeiterin einer Krankenkasse, der Sektionsleiter des Gewerbeverbands, die Buchhalterin vom lokalen Sanitär und der Friedensrichter diesen Beitrag liken oder gar wohlwollend kommentieren? 
 
Nichts ist vergessen und jede Reaktion im Internet hat eine Dynamik, die der Autor niemals kontrollieren kann.
 
 

Rechtliche Aspekte der Social Media-Nutzung durch Arbeitnehmende

Der Arbeitnehmer hat die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren (Art. 321a OR): Er darf in der Öffentlichkeit das Ansehen des Unternehmens nicht durch Äusserungen beeinträchtigen, die den Ruf des Unternehmens oder dessen Kredit gefährden – selbst, wenn solche Äusserungen wahr sein sollten. Der Arbeitgeber kann nach Art. 321d OR allgemeine Anordnungen erlassen und besondere Weisungen erteilen, die zumindest von leitenden Angestellten und Arbeitnehmern in Tendenzbetrieben auch ausserdienstlich, d. h. im privaten Bereich, zu befolgen sind.
Dr. Reto Fanger, Rechtsanwalt, ADVOKATUR FANGER Luzern    
 
 

Guidelines gemeinsam entwickeln und überprüfen

In letzter Zeit hat sich die Polarisierung auf den Plattformen enorm verstärkt. Wohl primär wegen Trump und Corona, aber auch angeheizt durch verschiedene Verschwörungstheorien. Für die Benutzer von Social Media sind die Grenzen zwischen den Plattformen unterdessen fliessend. Wurde beispielsweise LinkedIn lange als rein geschäftliches Netzwerk betrachtet, werden dort unterdessen ähnlich hitzige Diskussionen wie auf Facebook oder Twitter geführt. 
 
Während auf Twitter ein teilweise anonymer Dialog möglich ist, ist eine Diskussion in Business Netzwerken nur mit offenem Visier, also mit Klarnamen und beruflichen Verbindungen möglich. Wobei zu erwähnen gilt, dass die zum Beispiel im Twitterprofil erwähnte Distanzierung zum Arbeitgeber natürlich komplett nutzlos ist. 
 
Der Auftritt als ungewollter oder indirekter Markenbotschafter in den Sozialen Medien wird dann auf jeden Fall problematisch, wenn die Kommentare und Likes definitiv nicht mit den Werten der Firma übereinstimmen. Dies kann bisweilen dramatische Folgen haben – für die Mitarbeitenden wie auch für das betroffene Unternehmen. Und das Internet vergisst nicht so schnell.
 
Ein Monitoring dieser Kommentare und Likes darf allerdings nicht zu einer vollständigen Überwachung führen, die Meinungsfreiheit ist stets zu gewährleisten. Trotzdem ist es die Pflicht jedes Markenverantwortlichen diese Social-Media-Aktivitäten auf dem Radar zu haben und notfalls mit Mitarbeitenden der Personalabteilung zu diskutieren. Dabei sollten die Leute der HR-Abteilung bereits vorab involviert sein und die Leitplanken intern kommunizieren. 
 
Wenn es gelingt, ein Klima der Mitverantwortung auch für die gemeinsam geschaffenen Werte zu erzeugen, gibt es auch weniger Probleme nach aussen. Den Mitarbeitenden muss einfach bewusst sein, dass sie auch auf Social Media mit dem Arbeitgeber in Verbindung gebracht werden – und dass dies für alle Beteiligten unter Umständen unangenehme, ja sogar drastische Folgen haben kann.
 
«Den Mitarbeitenden ist gar nicht bewusst, dass man sie abmahnen und sogar im Worst Case kündigen kann. Den Unternehmen wiederum ist nicht bewusst, dass sie das tunlichst regelmässig screenen sollten. Grade und besonders, wenn der Unternehmensname mit dem Profil verbunden ist.»
Michaela Esswein, Senior Talent Acquisition und Change Manager 
 
Die juristische Sichtweise dürfte in einem Unternehmen mit guter Unternehmenskultur eigentlich keine Rolle spielen. Insbesondere weil man jederzeit die Möglichkeit hat, aktiv das Arbeitsumfeld so zu gestalten, dass ein solches Ventil nach aussen gar nicht nötig ist.
 
Es gilt deshalb, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Thema Social Media zu sensibilisieren und gemeinsame Guidelines zu entwickeln. Diese ruft man regelmässig in Erinnerung und führt ggf. mit anonymen Beispielen vor Augen, was man toleriert und was nicht. 
 
Eine hierarchische Überwachung ist allerdings wenig sinnvoll und kann sogar kontraproduktiv wirken. Dass bei Wiederholungstätern aber auch andere Massnahmen möglich sind, sollte jedem bewusst sein, vom Mitarbeitenden über das Kader bis zum Verwaltungsrat. Schliesslich ist auch der Digitale-Raum kein rechtsfreier Raum. 
 
 

Tipps:

Folgende Punkte helfen Ihnen, die möglichen Knackpunkte bei Social Media bei Ihren Mitarbeitenden gekonnt anzusprechen:
 

Merkwort: WEBIO

  • Werte: Erklären Sie das «Warum» – lassen Sie einen Diskurs zu
  • Entwicklung: Bottom-up Ansatz. Die Mitarbeiter sollen die Guidelines mitgestalten. 
  • Beständig: Machen Sie es regelmässig zum Thema.
  • Involvieren: Schauen Sie nicht unbeteiligt zu. Involvieren Sie sich aktiv!
  • Offen: Lassen Sie Raum für Neues, Unbekanntes und Reflektion
 
 

Die Autoren

   
 
Kevin Klak (l.) unterstützt Unternehmen im Spannungsfeld der Digitalisierung mit Fokus auf strategische Konzeption und Umsetzung. Sei es als unabhängiger Beirat für Geschäftsleitung und Verwaltungsrat oder ad Interim in der Umsetzung von strategischen Initiativen. Er ist Mitglied des Digitalrats, einem unabhängigen Netzwerk von Digital-Experten.
 
Benjamin Staub Baumgartner (r.) ist Director HR bei der Zur Rose Group AG. Die Zur Rose-Gruppe ist Europas grösste E-Commerce-Apotheke und eine der führenden Ärztegrossistinnen in der Schweiz. Sie zeichnet sich zudem aus durch die stetige Weiterentwicklung digitaler Services im Bereich Arzneimittelmanagement unter Verwendung von KI-gestützten Anwendungen und neuen Technologien. Benjamin Staub versteht sich in seiner Funktion als Gestalter im Unternehmen und begegnet der Digitalisierung mit einem Fokus auf eine mitarbeiterfreundliche Denk- und Wertehaltung im Unternehmen.
 
 

 

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