Sind Sie auch ständig auf der Jagd nach den besten Talenten?

12.01.2023
6 Min.
Gute Mitarbeitende zu finden ist schwierig, diese zu halten allerdings erst recht. Ein probates Mittel, um Letzteres zu erreichen, ist die persönliche Weiterbildung. Doch was ist die geeignete Form der Förderung für Unternehmen und Mitarbeitende?
 
 
 
 
Die Umsetzung von Nearshoring und Offshoring waren in den letzten Jahren und Jahrzenten oftmals Thema in KMU. Kostensenkung und damit Steigerung oder Erhalt der Gewinnspanne waren die treibenden Gründe. Auf Wikipedia wird dies einfach erklärt: Tätigkeiten, die ein Unternehmen in einem Hochlohnland bislang selbst verrichtet hat, werden in ein nahegelegenes Niedriglohnland verlagert. Typischerweise befindet sich dieses in derselben Zeitzone.
 
Die Grenzen dieser Auslagerungen und der damit verbundenen Globalisierung haben wir schmerzlich in den vergangenen Pandemiejahren gespürt. Wir befinden uns weltweit in einer heiklen Lage. Gleichzeitig findet in der Wirtschaft ein Umdenken statt. Produktionen werden zurück in die Ursprungsländer gebracht. Jede Auslagerung bringt aber einen Wissens- und Fachkräfteverlust mit sich, den wir nun deutlicher denn je sehen.
 
Unternehmen befinden sich in einem Wettstreit um die besten Handwerker, Informatiker und Führungskräfte. Aber ist dies wirklich ein nachhaltiger Ansatz? Müssten wir uns nicht eher darauf besinnen, mit dem bestehenden «Material» zu arbeiten und unsere Mitarbeitenden auf den Gebieten zu fördern, in denen sie ihre Stärken haben? Diese Frage kann nur mit «Ja» beantwortet werden.
 
Was ist eigentlich eine geeignete Förderung und ist das nicht Sache der Angestellten? Ich meine JEIN.
 
Die Bereitschaft muss vom Mitarbeiter ausgehen. Ich bin überzeugt, ohne intrinsische Motivation geht es nicht. Ich sehe mich in meiner Firma als Coach. Geeignete Weiterbildungen zu finden ist Sache von mir als Unternehmer und meinem Trainee. 
 
 

Wichtigkeit der Weiterbildung

Es gibt in unserer schnelllebigen Zeit keinen Berufszweig mehr, der ohne Weiterbildung bis zur Pensionierung auskommt. Die Digitalisierung und stetige Verbesserungen, neue Erkenntnisse oder radikale Veränderungen durchdringen unser Berufsleben und zwingen uns förmlich, geistig aktiv zu bleiben. Das ist auch gut so, denn wie wir aus mehreren Studien entnehmen können, beginnt der geistige Zerfall oft mit dem Übertritt ins Rentenalter. 
 
Lange galt der Gedanke: «Im letzten Drittel unseres Lebens brauchen wir nichts Neues mehr zu lernen. Wir können uns zurücklehnen und dem Müssiggang frönen.» Der Mensch braucht aber geistige Aktivierung in jedem Alter. «Use it or lose it» ist nicht einfach eine Floskel. Dieser Satz gilt auch für unser Gehirn. Stehe ich mitten im Berufsleben und bilde mich nicht weiter, wird zwar meine Erfahrung zunehmen, mein Wert wird durch den Mangel an neuem Wissen aber dennoch beachtlich schrumpfen. Ganz zu schweigen vom Minderwert, den ich, ohne mir dessen bewusst zu sein, für mein Unternehmen habe.
 
Wie kann ich als Arbeitnehmer oder Arbeitgeberin diesen Wertzerfall aufhalten, respektive umkehren?
 
 

Fachliche und persönliche Weiterbildung

Viele Unternehmer schicken ihre Mitarbeiter in Ausbildungen, die diese für ihr Tagesgeschäft brauchen. Für Fachthemen steht oftmals auch ein Budget zur Verfügung. Was fehlt ist die Regelmässigkeit dieser Bildungstage. Dabei sollten Arbeitgeber auch einen Blick auf die Persönlichkeitsentwicklung der Mitarbeiter legen. Kurse wie Rhetorik und Präsentationstechnik, aber auch Gesundheitsvorsorge und Finanzcoaching sollten zum Angebot für Mitarbeiter zählen. 
 
Stellen Sie Persönlichkeiten und Individuen ein und/oder bilden Sie diese aus. Mitdenker, die das Unternehmen mittragen und ein persönliches Interesse an einer perfekten Performance haben. Wenn Sie dies nicht tun, wird sehr viel Arbeit an sehr wenigen Verantwortlichen hängen bleiben. Unschöne Arbeiten wie Controlling, Fehlerkorrektur und, im schlimmsten Fall, Wiedergutmachung.
 
 

Finanzierung

Was die Finanzierung der Ausbildung der Mitarbeiter angeht, gehen die Meinungen weit auseinander. Oftmals wird die Einstellung vertreten, dass Mitarbeitende ihre Ausbildung selbst zu tragen haben. Die Forderung nach Persönlichkeitsbildung steht in den meisten Fällen gar nicht erst zur Diskussion und wird in den Bereich «private Aus- und Weiterbildung» verdrängt. Fatal, da berufsfremde Ausbildungen nicht von der Steuer abgesetzt werden können.
 
Gerade im fachspezifischen Umfeld sind regelmässige Weiterbildungskurse eine finanzielle Belastung, die sich Geringverdiener und Mitarbeitende mit Familie nicht leisten können. Ein Arbeitgeber, der hier Hand bietet und auch die persönliche Entwicklung der Mitarbeiter fördert, bleibt in Zeiten des Fachkräftemangels attraktiv, jenseits der besten Lohnquote.
 
 

Wie finanzieren KMU die Ausbildungskosten? 

Ein Ansatz wäre, dass 5 Prozent vom Lohn eines Mitarbeiters fix zusätzlich für Weiterbildung eingesetzt wird. Wenn dies von Beginn weg ein Kostenfaktor in der Jahresplanung ist, befassen sich Führungskräfte auch mit dem Einsatz dieses Budgets. Dabei sollte dies nicht ohne Zeiteinsatz des Begünstigten geschehen. Weiterbildung sollte eine Win-Win-Situation für beide Parteien sein.
 
 

Online oder vor Ort?

Dazu gibt es keine richtige Aussage. Manche Menschen lernen besser online im stillen Kämmerlein, andere brauchen Interaktion. Der Entscheid sollte jedem selbst überlassen werden. Ein klärendes Gespräch, wie die optimalen Bedingungen für den grössten Lernerfolg sein sollten, verhindert Missverständnisse auf beiden Seiten. Allerdings sollte die Zeit dann auch zur Verfügung gestellt und Ablenkungen möglichst vermieden werden.
 
 

Fünf-Punkte-Plan

Egal in welchem Bereich Sie tätig sind, Sie und ihre Mitarbeiter brauchen differenzierte Weiterbildung. Wissen und Können ist ein Wettbewerbsfaktor, der immer mehr vorausgesetzt wird. Am besten erarbeiten Sie sich einen Leitfaden, der folgende Punkte thematisiert: 
  • Erstellen Sie mit Ihrem Team einen Ausbildungsplan und halten Sie sich daran. Wie bei jeder guten agilen Planung können auch begründete Änderungen angebracht sein.
  • Egal wie alt Sie sind, lernen Sie mindestens jede Woche etwas Neues. Feiern Sie Niederlagen und Erfolge im Unternehmen. Aus beiden kann man wertvolle Lehren ziehen.
  • Bevorzugen Sie nicht nur fachliche Themen. Die Ausbildung der Persönlichkeit ist mindestens genauso wichtig.
  • Nehmen Sie sich vor, sich und Ihr Team aussergewöhnlich zu machen. Ergänzen Sie fehlende Skills frühzeitig und ohne Druck.
  • Lernen gelingt am einfachsten mit Emotionen. Achten Sie auf positive Emotionen. Haben Sie Spass beim Lernen, immer und überall.
 
 

Fachkräftemangel als Chance sehen

Neben der Weiterbildung ist der immer grösser werdende Mangel an Fachkräften ein Dauerthema. Firmen sollten sich Gedanken darüber machen, wie sie einerseits bei Grossaufträgen zusätzliche Expertinnen und Experten mobilisieren, andererseits ihre Mitarbeitenden auslasten (nicht überlasten) können. 
 
Ein fairer Austausch unter den Firmen kann hier Abhilfe schaffen, jedoch nur, wenn die KMU der Schweiz beginnen, sich in diesem Bereich gegenseitig als Partner und nicht als Konkurrenten zu sehen. Gemeinsam ist das Erreichen zukünftiger Herausforderungen eher möglich. Dafür braucht es die Offenheit, dass sich nicht nur die Personen, sondern die Unternehmen selbst weiterentwickeln sollten.
 
 
 

Die Autorin

Marianne Marti ist Inhaberin der pit team GmbH, ein Softwareunternehmen mit den Schwerpunkten Webapplikations- und Datenbankentwicklung. Sie ist seit über 25 Jahren in der Aus- und Weiterbildung von IT-Fachkräften und als Gastdozentin tätig.
 
 
Der Artikel entstand in Zusammenarbeit mit der Stiftung SWONET.
 
 
Die Stiftung SWONET – SWISS WOMEN NETWORK setzt sich ein für Kommunikation, Kooperation, Vernetzung und grössere Sichtbarkeit von Organisationen und Expertinnen.
 
Mit dem Online Magazin SWONET ON STAGE publiziert SWONET Artikel über Frauen und von Frauen geschrieben.
 
Ein besonderes Anliegen ist der Stiftung, der kommenden Generation an Berufseinsteigerinnen zu zeigen, dass Frauen in allen Branchen willkommen und für die Ausbildung gesucht werden.
 
Die Rubrik SWONET DIGITAL ist eine der Möglichkeiten die SWONET nutzt, um Frauen aus der IT Branche sichtbar zu machen, ebenso wie Kooperationen wie der mit dem topsoft Fachmagazin.
 
Die Stiftung SWONET feiert am 21. April 2023 mit der Tagung «Business & Network Day» das 15 jährige Jubiläum des Portals und wird dabei auch einen Blick in die Zukunft machen.
 
Symbolbild ink drop / Adobe Stock
 
 

Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 22-3

 

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