SaaS stirbt aus – was sind die Konsequenzen für Softwareanbieter?

05.05.2025
5 Min.

Die Cloud-Computing-Landschaft steht vor einer tektonischen Verschiebung. KI-Agenten werden die SaaS-Branche zunehmend umgestalten. Während die Technologie einen grossen Sprung nach vorne darstellt, werden die heutigen Anbieter von SaaS-Anwendungen zügig einen nicht einfachen transformativen Prozess durchlaufen müssen.

 

Bildquelle: Microsoft

«AI is the new UI»

So beschrieb Satya Nadella, CEO von Microsoft, die Zukunft jenseits traditioneller SaaS-Anwendungen auf der Ignite im November 2024. Andere grosse Hersteller wie Salesforce, Oracle, SAP und Google sind mit Nadella an Bord. Dies hat tiefgreifende Konsequenzen für alle grossen und kleinen Unternehmen, die heute noch SaaS-Anwendungen nutzen oder anbieten. Der Begriff UI beschreibt jedoch nur den oberflächlichen Aspekt der Transformation. 
 

Der Aufstieg der KI-Agenten – von SaaS zu AaaS

Das SaaS-Modell basiert darauf, dass Anwender direkt über ihre Benutzeroberfläche mit Applikationen interagieren. Sie geben ihnen Befehle, pflegen Daten, empfangen oder überprüfen Ergebnisse. Die in der Anwendung hinterlegte Geschäftslogik sorgt für zielgerichtete Aussagen. Das neue Paradigma von Agent-as-a-Service (AaaS) kehrt dieses Skipt um. Anstelle der direkten Benutzerinteraktion werden KI-Agenten zu Vermittlern des Benutzerwillens. Der Anwender richtet eine Anfrage in natürlicher Sprache z. B. an Copilot, worauf dieser sie für eine beliebige Anzahl von KI-Agenten aufbereitet. Die Agenten erledigen Aufgaben, wie Datenabruf, Analyse oder die Erstellung von Berichten. Sie arbeiten parallel und modularisiert. Copilot konsolidiert die Ergebnisse und präsentiert sie dem Benutzer. 
 
Agenten, die von hochentwickelten KI-Modellen im Backend mit Intelligenz «versorgt» werden, nutzen nicht nur verschiedene Datenquellen, sondern auch APIs zu anderen Systemen. Sie können komplexe Aufgaben ausführen, Informationen analysieren und Entscheidungen treffen. All das geschieht ohne direkte menschliche Intervention, was sie autonom macht. KI-Agenten können für ganz unterschiedliche Aufgaben lizenziert oder von der eigenen IT-Abteilung entwickelt werden. Low Code Tools – wie in diesem Falle die Plattform Copilot Studio – erleichtern dies.
 
Auf diese Weise verlagert sich der Fokus von der Anwendungsorientierung zur Agentenorientierung. Das KI-Modell im Backend wird zum «Gehirn», das die Aktionen der Agenten steuert und sie auf spezifische Bedürfnisse zuschneidet. Dies ermöglicht ein hohes Mass an Personalisierung und Automatisierung. Stellen Sie sich einen Agenten vor, der nicht nur selbständig Ihren Kalender verwaltet, sondern auch Ihre Reisebedürfnisse antizipiert, Flüge und Unterkünfte bucht und sogar Ihren Besprechungsplan auf der Grundlage von Echtzeit-Verkehrsdaten anpasst.
 

Branchengrössen und Analystenperspektiven

Obwohl Microsoft und andere den «Tod von SaaS» noch nicht explizit erklärt haben, deutet der Fokus auf agentenbasierte Technologien in eine klare Richtung. Investitionen in konversationelle KI, Automatisierung und Cloud-Infrastruktur bilden das Fundament für die neue Ära. Die Salesforce Einstein-Plattform beispielsweise integriert KI in ihre CRM-Angebote. Gleiches gilt etwa für HubSpot.
 
Analystenhäuser konzentrieren sich zunehmend auf das Thema. In ihren Prognosen über die Zukunft der Arbeit betont Gartner die wachsende Rolle von KI und Automatisierung. Sie sehen eine Welt voraus, in der KI-Agenten die menschlichen Fähigkeiten ergänzen, repetitive Aufgaben übernehmen und Menschen für strategischere Arbeit freisetzen. 
 

Evolution statt Revolution

Der Übergang von SaaS zu AaaS wird nicht über Nacht geschehen. Die operativen SaaS-Anwendungen bei unzähligen Kunden sind zu unternehmenskritisch, um sie schnell und zu vertretbaren Kosten zu ersetzen. Folgende Szenarien werden antizipiert:
  • Augmentierung: KI erweitert bestehende SaaS-Anwendungen und -Funktionen durch intelligente Empfehlungen, automatisierte Workflows und prädiktive Analysen. Dies ist bereits heute Realität, man denke an Salesforce Einstein, Bio Beats oder Zoho Projects.
  • Hybridmodelle: In Zukunft werden wir zunehmend Anwendungen sehen, in denen KI-Agenten und menschliche Benutzer nahtlos zusammenarbeiten. Die Agenten werden repetitive Aufgaben automatisieren, wertvolle Unterstützung für komplexe Prozesse bieten und die IT-Effizienz deutlich steigern. Netzwerküberwachung und Code-Generierung sind Beispiele.
  • Agentenzentrierte Plattformen: Schliesslich werden wir vollständig agentenzentrierter Plattformen erleben, bei denen die «Copiloten» dieser Welt die primäre Schnittstelle für den Benutzer sind und Agenten autonom mit der zugrunde liegenden Infrastruktur agieren.

Auswirkungen auf SaaS-Anbieter

Der Übergang zur Agentenorientierung wird sich deutlich beschleunigen. Wir werden in den nächsten, voraussichtlich fünf Jahren eine bedeutende Transformation in Richtung AaaS erleben. Vollständig agentenzentrierte Plattformen werden in maximal 10 Jahren das «New Normal» sein. Wehe dem, der diesen Zug verpasst.
 
Dieser Paradigmenwechsel stellt SaaS-Anbieter vor technische und wirtschaftliche Herausforderungen, bietet aber auch gute Chancen. Dennoch drängt die Zeit; Kunden werden zunehmend «echte» KI-gestützte Systeme verlangen, über die Marketingfolien der Anbieter hinaus. KI ist und wird immer mehr das Thema sein, weniger die IT als solche. Was können SaaS-Anbieter tun?
  • Anpassen oder obsolet werden: Anbieter, die am traditionellen SaaS-Modell festhalten, riskieren, obsolet zu werden. Sie müssen in KI investieren, Expertise erlangen und «KI-fähig» werden, agentenbasierte Fähigkeiten entwickeln und ihre Produktstrategien überdenken.
  • Fokus auf Plattform und Infrastruktur: Da Agenten zur primären Schnittstelle werden, verschiebt sich das Wertversprechen auf die zugrunde liegende Plattform und Infrastruktur. SaaS-Anbieter müssen sich darauf konzentrieren, robuste, skalierbare und sichere Plattformen bereitzustellen, die KI-Agenten unterstützen können.
  • Kooperationen pflegen: Die Zusammenarbeit mit KI-Entwicklern und Datenanbietern wird entscheidend sein. SaaS-Anbieter müssen Ökosysteme aufbauen, die die nahtlose Integration von KI-Agenten in ihre Plattformen ermöglichen.
  • Preismodelle überdenken: Traditionelle, auf Abonnements basierende SaaS-Preismodelle müssen möglicherweise überarbeitet werden. Es werden daneben auch neue Modelle entstehen, die den von KI-Agenten gelieferten Wert widerspiegeln. 
 

Fazit

Die Zukunft der Software ist intelligent, autonom und agentengesteuert. Obwohl das vollständige Verschwinden von SaaS eher eine mittel- bis langfristige Perspektive ist, ist die Richtung klar. SaaS-Anbieter müssen sich an diese veränderte Landschaft anpassen, KI nutzen und ihre Angebote neugestalten, um im Zeitalter der intelligenten Agenten erfolgreich zu bestehen. Der Übergang wird nicht einfach sein, aber die Chancen sind beträchtlich. Wer schnell genug ist, kann den heutigen «Me-too-Markt» der SaaS-Anwendungen hinter sich lassen und frühzeitig Wettbewerbsvorteile generieren.

 

 

Der Autor

Jürgen Müller ist Partner bei Go Europe Consulting. LinkedIn

 

 

 

Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 25-1

 

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