Die Fachtagung der Wirtschaftsinformatik mit dem Schwerpunktthema «Künstliche Intelligenz» fand am Freitag, 23. September 2022, in Zürich statt. Ein kurzer Rückblick auf eine interessante Fachtagung und ein reges Miteinander.
Das Schaffen und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) ist in aller Munde. Auch die Fachtagung der Wirtschaftsinformatik, das WI-Update, hat sich dieses Jahr mit dieser Thematik auseinandergesetzt und im Rahmen der Tagung vier renommierte Fachpersonen aus dem genannten Bereich eingeladen.
Die Fachtagung fand im Gleissaal der FFHS Zürich direkt beim Hauptbahnhof statt. Die einzelnen Gastreferenten nahmen die anwesenden Besucherinnen und Besucher mit auf eine Reise in die Welt der Künstlichen Intelligenz, deren Wirkungsfeld und Möglichkeiten. Die Vorträge waren aufbauend gestaltet, sodass zu Beginn die Grundlagen der KI erläutert wurden und danach mit konkreten Beispielen das Wirkungsfeld live aufgezeigt werden konnte.
Was ist KI eigentlich?
Dr. Joachim Steinwendner, Forschungsfeldleiter «GeoHealth Analytics» an der FFHS in Zürich, gestaltete den Einstieg in die Thematik. Künstliche Intelligenz wird in drei Kategorien geteilt, wobei es primär um die Definition von schwacher und starker KI geht. Konkret bestehen die drei Kategorien aus:
- schwacher Künstliche Intelligenz (Artificial Narrow Intelligence ANI)
- starker Künstliche Intelligenz (Artificial General Intelligence AGI)
- künstlicher Superintelligenz (Artificial Superintelligence ASI)
Diese Kategorien werden je nach Fähigkeiten und Einsatzmöglichkeiten der angewandten KI vergeben.
Aktuell befinden wir uns noch in der Kategorie der datenbasierten «schwachen KI», genannt ANI. Aufgrund der bisherigen Entwicklung der KI schätzen Wissenschaftler, dass die Ankunft der AGI im Jahr 2040 sein wird und es dann noch ca. 20 Jahre dauert, um ASI zu erreichen. Steinwendner erläuterte ebenfalls die Bedeutung technologische Singularität. Dabei handelt es sich um den Zeitpunkt, zu dem die KI die menschliche Intelligenz übertrifft.
Die Lernverfahren der KI sind unterschiedlich und zeichnen sich durch spezifische Merkmale aus. Zu den Lernmöglichkeiten gehören z. B. unüberwachtes Lernen, verstärktes Lernen und überwachtes Lernen. Die Aufgaben von unüberwachtem Lernen ist das Clustern, welches sich mit dem Finden von Strukturen und Mustern in nicht kategorisierten Daten beschäftigt. Beim verstärkten Lernen wird verstanden, dass das System sich selbstständig durch Aktionen von positiven oder negativen Rückmeldungen (negative bzw. positive reward) verbessert und sein Verhalten dementsprechend anpasst. Beim überwachten Lernen geht es um Klassifikation und Regression. Hier werden bekannte Daten genutzt, um daraus ein Muster oder Zusammenhänge zu erkennen.
Datenanalysen als Führungsinstrument
Dem zweiten Teil der Fachtagung nahm sich Pascal Wyss, Head of Artificial Intelligence & Automation bei der ti&m an. Nachdem den Besuchenden das Wirkungsfeld und die verschiedenen Möglichkeiten der KI klar waren, nahm Wyss die Zuschauenden anhand von konkreten Beispielen mit in die beeindruckende Welt der Künstlichen Intelligenz. Anhand eines Use Case aus der Finanzbranche wurde das Einsatzfeld von Big Data aufgezeigt.
Finanz-, Marketing- und Versicherungsunternehmen sowie Anbieter von Suchmaschinen- und Online-Diensten verwenden in hohem Masse Predictive-Analytics-Softwares. Predictive Analytics nutzt historische Datenquellen und erstellt daraus ein mathematisches Modell, mit dem sich zukünftige Ereignisse vorhersagen lassen.
Aufgrund dieser Basis haben Unternehmen ein Werkzeug in der Hand, um bessere Entscheidungen zu treffen und Risiken frühzeitig zu erkennen. Die Grundlage von Predictive Analytics ist Descriptive Analytics. Das sind gesammelte Daten, welche zusammen das grosse Ganze ergeben und ein klares Bild über die aktuelle Situation eines Kunden oder Nutzers sichtbar machen. Anhand dieser gesammelten Daten können Handlungen und Ereignisse vorausgesagt werden und dem Kunden entsprechende Angebote präsentiert werden.
KI und Ethik – ein Widerspruch?
Mit der Frage, wie weit Künstliche Intelligenz gehen darf und was die ethischen Überlegungen in Bezug auf soziale Roboter und integrierter Künstliche Intelligenz sind, übernahm Prof. Dr. Oliver Bendel den dritten Teil der Fachtagung.
Eine Maschine hat von sich aus kein Bewusstsein oder Gefühle. Es können jedoch Regeln eingebaut werden, um die subjektive Ansicht von moralischer Ethik zu repräsentieren. Im Industriebereich werden vermehrt Cobots (Kollaborativer Roboter) eingesetzt, die für die direkte Interaktion mit Menschen konzipiert wurden. Sie können unangenehme oder schwere Arbeiten des Menschen erleichtern oder teilweise sogar ganz übernehmen.
Im Software-Bereich gibt es seit einigen Jahren textbasierte Dialogsysteme wie Chatbots, die vorwiegend für die Kundenkommunikation und den Support eingesetzt werden. Roboter können bereits heute einen Menschen komplett ersetzten und die Vorstellung von Nähe, Geborgenheit und Liebe weitergeben. Hierbei stellt sich stets die Frage, wie weit soziale Roboter gehen dürfen und wann es gefährlich wird. Anhand von diversen konkreten Beispielen wurden den Besuchern Anregungen mit auf den Weg gegeben, um sich zu dieser nicht eindeutig abgeschlossenen Frage selbst eine Meinung zu bilden.
Cyber-Kriminalität als Risiko
Der vierte und abschliessende Teil der Fachtagung gestaltete Pascal Lamia, Leiter Operative Cybersicherheit im NCSC.
Das World Wide Web ist ein unübersichtlicher Ort und bietet viel Spielraum für kriminelle Tätigkeiten. Damit diese nicht ausser Kontrolle geraten und die Schweizer Nutzerinnen und Nutzer sowohl am Arbeitsplatz als auch zu Hause geschützt sind, kümmert sich das NCSC (National Cyber Security Center) um diese Angelegenheiten.
Leider fallen trotzdem teilweise Unternehmen und Privatpersonen auf die perfiden Machenschaften dieser Cyber-Terrorgruppen rein. In den letzten vier bis fünf Jahren haben die DDoS Attacken (Distributed-Denial-of-Service) um 46 % zugenommen.
Bei den betroffenen Unternehmen waren die Einstiegsstellen der Verbrecher oftmals nicht gepatchte Server, Homeoffice-Anwendungen ohne MFA oder MS Exchange Lücken. Aus den vorliegenden Statistiken sind pro Woche durchschnittlich 400 Meldungen ersichtlich, die bei NCSC aus den privaten und geschäftlichen Bereichen registriert wurden. Die Dunkelziffer ist jedoch weit höher, da nicht jeder Cyberangriff dem NCSC gemeldet wird.
Bei den meisten Meldungen handelt es sich um Betrugs- oder Erpressungsfälle. Aufgrund fehlender eindeutiger rechtlicher Grundlage ist der Bund bei proaktiven Aktionen in Bezug auf Vorwarnung von Cyberattacken oder Scan-Analysen stark eingeschränkt.
Alle vier Beiträge zeigten die schier grenzenlosen Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz und die damit verbundenen Risiken auf. Auch die ethischen Aspekte wurden berücksichtigt und regten zum Nachdenken an. Den Besuchenden wurden auch bereits diverse Wirkungsfelder der KI aufgezeigt, mit welchen alle bewusst oder unbewusst bereits in Berührung kamen oder betroffen sind.
Was beim WI-Update der Fachtagung der Wirtschaftsinformatik stets im Vordergrund steht, ist das gemeinsame Erleben von Fachwissen, dabei neue Kenntnisse zu gewinnen und diese durch den Austausch untereinander zu festigen. Mehr zu den Inhalten der Fachtagung gibt es fortlaufend auf unseren Sozialen Netzwerken.
Die Autorinnen
Andrea Meier ist selbstständig tätig als Marketingfachperson und unterstützt Firmen und Agenturen bei den vielseitigen Aufgaben rund um das Onlinemarketing. Sie hat die Höhere Fachschule für Marketing HFM abgeschlossen.
www.content-creation-am.ch
Gabriela Ilieva arbeitet als ICT Service Management Expert bei Generali Switzerland. Sie hat die Höhere Fachschule für Wirtschaftsinformatik HFWI abgeschlossen.
www.generali.ch
Publikation in Zusammenarbeit mit:
VIW – Wirtschaftsinformatik Schweiz
Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 22-4
Das Schweizer Fachmagazin für Digitales Business kostenlos abonnieren
Abonnieren Sie das topsoft Fachmagazin kostenlos. 4 x im Jahr in Ihrem Briefkasten.