Open Source Software – warum halten sich die Mythen?

06.11.2025
3 Min.

Open Source ist auf dem Vormarsch. Häufig allerdings mit angezogener Handbremse, denn es halten sich immer noch viele Vorurteile. Sitzen die Entwickler wirklich im Keller ihrer Eltern mit leeren Pizzakartons in den Ecken? Ist die Nutzung quelloffener Software wirklich unsicher, aufwendig und eigentlich nur etwas für Nerds? Zeit für einen genauen Blick.

 

Symbolbild Copilot

 

2025 hat die Bitkom – wie alle zwei Jahre – ihren Open Source Monitor veröffentlicht. In dem Bericht nimmt der Branchenverband die Verbreitung und die Meinungen zu Software mit offenem Quellcode unter die Lupe. Für uns, die Community und Open Source-Befürworter, gibt es dort in diesem Jahr viel Licht, aber leider auch noch zu viel Schatten.

Positiv ist, dass Open Source kein Nischendasein mehr fristet, sondern sich in der Masse durchgesetzt hat. 73 Prozent der befragten Unternehmen setzen Open Source-Software inzwischen in verschiedenen Formen und Ausbaustufen ein. 2023 lag dieser Wert noch bei 69 Prozent.

Zwei Drittel der Befragten gaben allerdings auch an, dass es bei ihnen keine ausgearbeitete Open Source-Strategie gibt. Aus meiner Sicht ist dieser Wert zu hoch. Eine solche Strategie sollte elementar für die Risikovorsorge sein. Und auch generell scheint es bei diesem Thema noch immer einige Unklarheiten zu geben. Zu viel scheint den Stakeholdern noch unklar zu sein. Welche angeblichen Nachteile gaben die Teilnehmer am Open Source Monitor genau an?

Es fehlt an Open Source-Fachkräften

Auf die Frage, welche Nachteile sie bei Open Source sehen, antworteten die meisten Teilnehmenden am Bitkom-Report: fehlende Fachkräfte. Und ja, das ist ein Punkt, mit dem wir zu kämpfen haben. Der Fachkräftemangel betrifft aber nicht die nur das Open Source-Umfeld, sondern allgemein die IT. Der Bereich ist heute komplexer als noch vor 30 Jahren, und gut ausgebildete Mitarbeitende sind rar.

Woran liegt es, dass nicht genügend Nachwuchs hinterherkommt? Möglicherweise weil sich das Image des ITlers in den letzten Jahren nicht weiterentwickelt hat. Wer an Open Source denkt, hat oft das Bild eines nerdigen Kellerbewohners im Kopf – mit langen Haaren und Pizzaresten in der Ecke. Das ist allerdings weit entfernt von der Realität.

Open Source – und überhaupt der ganze IT-Bereich – sind wirklich nicht nur für Nerds, sondern für die breite Masse. Wir müssen sie nur dafür begeistern. Am besten sollte Informatik, Coding oder wie auch immer man es nennen möchte, schon auf den Bildungsplänen in der Grundschule so selbstverständlich wie der Matheunterricht sein. Wir bei KIX Service Software beteiligen uns mit unserer ITSM-Software etwa jedes Jahr am Girls Day, um Klischees aufzubrechen und auch Mädchen und junge Frauen an diese vermeintliche Männerdomäne heranzuführen.

Unklare Gewährleistung

Ein Mythos, der sich seit vielen Jahren hält, ist die angeblich unklare Gewährleistung bei Open Source-Lösungen. Klar, als es in den 1980er Jahren mit Open Source losging, sassen die Entwickler häufig wirklich in den Kellern ihrer Eltern und arbeiteten an Codes – ich selbst habe solche Leute noch erlebt. Das freiheitliche Weltbild aus dieser Zeit hat sich gehalten, die Branche hat sich seitdem aber deutlich professionalisiert.

Wenn Unternehmen eine Open Source-Software einführen, geht es nicht nur um die Migration. Wichtig sind ebenso der Support und eine verlässliche und sichere Lieferkette. Und je nach Anforderungen gibt es dafür Subskriptions- oder Gewährleistungsverträge – genau wie bei Closed Source-Lösungen. Alles schon lange erprobt und etabliert. Von unklaren Gewährleistungen und anderen Fragen, die Open Source offenlässt, kann also nicht die Rede sein.

Rechtliche Bedenken

Auf Platz Drei der genannten Nachteile liegen rechtliche Unsicherheiten. Und auch hier gleich vorneweg: Das ist ein überholter Mythos. Wie bei jedem digitalen Produkt müssen sich auch Open Source-User natürlich mit Lizenzen auseinandersetzen. Die Anwender akzeptieren sie im Normalfall einfach durch die Nutzung. Wer eine Open Source-Lösung um- oder einbaut, muss die Quellcodelizenz beachten – nicht mehr und nicht weniger.

Open Source bietet in diesem Bereich sogar einen grossen Vorteil – die Einheitlichkeit. Viele Lizenzen bauen nämlich auf Standard-Texten auf bzw. lassen sich darauf zurückführen, was es für die Anwender und Maintainer ziemlich einfach macht. Bei Closed Source dagegen liefert so gut wie jeder Hersteller eine eigene Endnutzer-Vereinbarung, bei der eigentlich nur Juristen durchblicken. Nutzerfreundlichkeit sieht anders aus.

Zu hoher Schulungsaufwand

Die Befragten gaben auch an, dass ihnen der Schulungs- bzw. Einarbeitungsaufwand zu hoch sei. Hier stellt sich die Frage: Bedeutet nicht jeder Systemwechsel einen Aufwand? Aber zugegeben: Bei vielen Open Source-Anwendungen wurde lange mehr Wert auf die Technik und die Funktionen gelegt als auf schöne, intuitive Oberflächen. Auf den ersten Blick wirkten sie womöglich verwirrend oder abschreckend, aber inzwischen geht der Trend verstärkt zu mehr Usability und besseren Layouts.

Oft gibt es auch Widerstände, wenn Mitarbeitende sich einfach nicht mit einer neuen Software anfreunden wollen, da sie die bisherige Lösung im Schlaf beherrschen und sich hier sicher fühlen. Oder weil es zu Startschwierigkeiten bei der Migration kommt. Deshalb ist es wichtig, auf Dienstleister und Anbieter zu setzen, die nicht nur die Migration begleiten, sondern die Beteiligten auch mit Schulungen und kontinuierlichem Support an die Hand nehmen. Manchmal dauert es etwas, bis die User die Vorteile erkennen und von ihnen überzeugt sind.

Sicherheitsbedenken

Den höchsten Stellenwert bei den Befragten hatte das Thema Sicherheit. Zehn Prozent der Teilnehmer gaben an, dass sie bei Open Source-Produkten Bedenken haben. Ein viel zu hoher Wert, der eigentlich gegen Null gehen müsste. Securityvorfälle gab und gibt es zwar auch bei Open Source – keine Software ist absolut sicher. Quelloffene Lösungen bieten hier aber mehr Vorteile als Nachteile.

Die Sicherheit von Open Source entsteht durch ihre Transparenz. Oft arbeiten viele Entwickler gemeinsam am Code, wodurch Einfallstore schnell erkannt und geschlossen werden. Meist ungleich viel schneller als bei Closed Source-Software, bei der nur der Hersteller Zugang zum Code hat. Der wesentlichste Vorteil: Bei Open Source werden die Schwachstellen und Risiken öffentlich, bei geschlossen Lösungen wird gar nicht erst bekannt, welche Bedrohungen es gibt oder gab.

Fazit

Die Richtung stimmt. Die Verbreitung und Akzeptanz von Open Source nimmt zu. Viele Unternehmen erkennen, dass quelloffene Lösungen mehr als nur Kosteneinsparungen bedeuten. Sie sind auch ein Schritt hin zur digitalen Souveränität und zur Zusammenarbeit.

Der diesjährige Bitkom-Monitor zeigt aber auch: Es gibt noch Aufklärungsbedarf. Open Source ist kein Wundermittel, aber ein sicheres Werkzeug, um die eigenen Abläufe zu stärken. Wir arbeiten jedenfalls aktiv daran, die Verbreitung dieser Technologie weiter voranzutreiben.

 

Der Autor

Rico Barth ist Mitgründer und CEO von KIX Service Software und setzt sich seit Jahren für die Verbreitung von Open Source ein. www.kixdesk.com