Mit wertvollen Produkten zum Geschäftserfolg

19.03.2020
3 Min.
Im Interview gibt die Pionierin der «Digitalen Ethik», Sarah Spiekermann, Einblicke in die Zusammenhänge von Ethik und Werten. Sie zeigt auf, wie verantwortungsvolles Management unter reiner Gewinnoptimierung leidet. Ein Ausweg könnte die Besinnung auf Werte sein. Denn gute Ingenieurskunst ist schön und mächtig. So zeigt uns Apple beispielsweise, was es heisst, ein wertorientiertes Unternehmen zu führen.
 
Die Shift ist eine jährliche Konferenz, an der «Digitale Ethik» aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet wird. Organisatorin Cornelia Diethelm, Gründerin Centre for Digital Responsability, legt Wert darauf, Wissenschaft und Unternehmen in den Dialog über Erfahrungen, Kundenbedürfnisse, wissenschaftliche Erkenntnisse und Trends zu bringen.
 
Unter den hochrangigen Referentinnen und Referenten war im Februar 2020 auch die Pionierin der «Digitalen Ethik», Sarah Spiekermann. Sie ist Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Universität Wien und entwirft in ihrem gesellschaftskritischen Sachbuch ein auf traditionellen Werten aufbauendes Wertesystem für das Zeitalter der Digitalisierung. Petra Bitterli von delibri.ch führte an der Shift2020 ein Interview mit Sarah Spiekermann.
 
Sarah Spiekermann an der Shift2020 – hier auf der Bühne im Gespräch mit Patrizia Laeri (Bild: Louis Rafael Rosenthal)
 
 

Sarah Spiekermann, Sie verstehen unter Ethik nicht klassische Moral. Was ist für Sie Ethik?

Ethik sind Theorien, die uns anleiten, das Richtige zu tut. Die Lehre vom richtigen Handeln ist in allem präsent, was wir tun. In mittelständischen Unternehmen der DACH-Region haben wir noch eine Generation von wertorientierten Geschäftsführern, die ganzheitliche, kluge, menschlich gute und richtige Entscheidungen fällen. Aber wir haben leider viele Grossunternehmen, die im Zuge des Kostendrucks und der Kapitalmärkte diese Art von verantwortungsvollem Management nicht leben. In rein betriebswirtschaftlich nach Gewinnoptimierungsaspekten geführten Unternehmen fehlt heute oft das richtige Handeln, die Ethik. Solange wir aus dieser Art des Wirtschaftens nicht heraus kommen, verändert sich nicht viel, ausser dass man freundlicherweise, das finde ich auch gut, mehr über das Thema Ethik redet.
 
 

Wie gelingt Unternehmen die Umkehr zum ethisch richtigen Handeln?

Unternehmen scheitern daran, dass sie meinen, wenn etwas neu ist, ist es automatisch gut. Wir haben ein Wertgefühl. In der allerletzten Konsequenz sehnt sich der Mensch nach dem Guten, Wahren und Schönen. Dieses sich sehnen, diese Hoffnung, dieser Wunsch ist sehr stark. Wir fühlen uns hingezogen zu Werten. Wir fühlen uns hingezogen, wenn etwas schön, mutig, lustig oder grosszügig ist. Es gibt tausende von Werten in der Welt. Und obwohl wir diese Werte im Sprachgebrauch noch kennen, haben wir vergessen, dass alles um uns herum permanent ein Wertträger sein kann. Ethik ist mit Werten verknüpft. Man kann Werte nicht von Ethik trennen und Ethik ohne Werte ist nicht denkbar.
 
Wenn der Mensch durch Achtsamkeit und Bewusstheit, dass es all diese Werte gibt, sich ihnen wieder zuwendet, kann er ein gutes Leben führen. Sich bewusst machen, worum es einem selber geht. Im Privaten, als Kunde, als Nutzer. Oder als Geschäftsführer. Diese Bewusstmachung ist die eigentliche Transformation, die wir durchleben müssen.
 
In den Leitlinien für die ethische Technikentwicklung, die ich mit dem weltweiten Berufsverband der Ingenieure IEEE entwickle, haben wir auch definiert, wer Firmen helfen kann, diese ethischen Prozesse in Unternehmen hinein zu bringen. Wir nennen sie Value Experts. Das sind Menschen mit geisteswissenschaftlichem, philosophischem oder sozialwissenschaftlichem Hintergrund, die ein Training absolvieren, in dem sie technikaffin etwas über System Engineering lernt. 
 
 

Besinnen sich Unternehmen also auf Werte und legen Werte in ihre Produkte, können sie damit erfolgreich sein? 

Absolut! Technik ist ungeheuer schön und mächtig, wenn sie gut gebaut wird. Wenn man richtig gute Ingenieurskunst verfolgt, dann baut man Technik, die funktioniert, die schön ist, Spass macht und beflügelt. Das beste Beispiel dafür ist Apple. Steve Jobs war, ohne sich vielleicht bewusst mit Werten zu beschäftigen, besessen von Qualität, Schönheit und Präzision der Produkte. Auch die kleinsten, unsichtbaren Bauteile sollten schön sein. Im Zuge dieser Wertorientierung hat Apple sicherere, datenschutzfreundliche Systeme gebaut und dort richtig investiert. Das ist ein perfektes Beispiel dafür, was es heisst, ein wertorientiertes Unternehmen zu führen. Das wertvollste Unternehmen der Erde macht uns eigentlich vor, wie es sein sollte.
 
 

Buchtipp

Digitale Ethik
Ein Wertesystem für das 21. Jahrhundert von Sarah Spiekermann
Buch (Hardcover), 304 Seiten, Droemer, 2019, ISBN 978-3-426-27736-2
Erhältlich bei delibri.ch<
 
 

 

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