Die Swiss Smart Factory ist die Forschungsgruppe des Switzerland Innovation Park Biel/Bienne die sich mit Industrial Internet of Things (IIoT), Industrie 4.0 und Smart Manufacturing beschäftigt. Seit mehr als sechs Jahren entstehen Innovationen für den Schweizer Mittelstand. Aktuell arbeiten die Mitarbeitenden an verschiedenen Projekten im Bereich Smarte Vision Systeme, KI basierte Werker-Assistenten, modularen Produktionsplattformen und vielen mehr.
Automatisierte 3D-Drucker-Farm (Quelle: Switzerland Innovation Park Biel/Bienne AG)
Das Leuchtturm-Projekt Industrie 4.0 ist das Kennzeichnen der Swiss Smart Factory. In diesem modernen Produktions-Ökosystem sind bereits mehr als 70 Industrie-Partner aktiv. So ist eine innovative Produktions-Umgebung entstanden. Dieses Projekt wird oft Industrie 4.0-Ideen-Supermarkt genannt, in dem Unternehmen sich in der Swiss Smart Factory für Industrie 4.0-Konzepte und Realisierungsansätze interessieren und begeistern können.
Bei uns werden als Beispiel Drohnen in Losgrösse 1 produziert. Das bedeutet, dass jede Kundin die Möglichkeit hat, ihre eigene Konfiguration zu wählen, ganz nach Bedarf. Dank modularen, flexiblen und vernetzen Produktionstechnologien können diese Bestellungen effizient in einem Hochlohnland wie der Schweiz produziert werden.
Mittlerweile wird auch besonders Wert auf modulare, flexible und vernetzte automatisierte Maschinen gelegt, wo Standards wie OPC-UA und IO-Link eine grosse Rolle spielen. Kollaborative Roboter und Assistenzsysteme werden an den wichtigen Positionen der manuellen Produktion integriert, um Produktions-Steigerung und -Resilienz zu erlauben. Bei mehr als 20 Stationen der Swiss Smart Factory sind Low-Code Technologien im Einsatz.
Die Open Source Plattform: Node-RED
Das erste Low-Code Beispiel kommt aus der Open Source Welt. Die Plattform Node-RED (
nodered.org) hat sich in den letzten zehn Jahren zu einer der umfangreichsten Lösungen entwickelt. Dank der Arbeit der Node-RED Community wurde die Plattform zum Werkzeug, das auch in der Automatisierungswelt akzeptiert wurde. Einige Steuerungsanbieter bieten Node-RED sogar als Applikation neben ihren eigenen Engineering-Lösungen und IoT Produkten an. Node-RED kann direkt auf einen Rechner mit Windows oder Linux installiert, aber auch als Docker eingesetzt werden.
In der Swiss Smart Factory nutzen wir Node-RED auf mehreren Demonstratoren als kleines Logik-System, mit welchem einfache Handshakes zwischen Produktionsgeräten und Fertigungssoftware ausgelöst werden. Die ERP-Software sendet zum Beispiel alle Konfigurationsmerkmale der Drohne über eine REST-API auf einen Gateway in der Swiss Smart Factory. Diese Informationen sind modelliert in einem JSON-Format, welches alle nötigen Auftragsdaten und technische Spezifizität beinhaltet. Die Daten werden über Node-RED an die entsprechenden Stellen in der Halle weitergesendet und bei Bedarf über die Low-Code Plattform angepasst.
Dank der Low-Code Plattform lassen sich Verbindungen zu OT-Geräten mit OPC-UA, REST-API, MQTT oder Modbus TCP Schnittstellen erstellen. Hier wird Node-RED genutzt, um die Daten der Schnittstellen in einem Datenmodell zu sammeln. Hier sind die Daten im JSON-Format über eine REST-API verfügbar, was ein „Condition Monitoring“ der Anlagen ermöglicht.
Einige Demonstratoren der Swiss Smart Factory nutzen Node-RED nicht nur als IIoT (Industrial IoT), sondern als kleine Logikspeicher. So lässt sich die Low-Code Plattform auch einsetzen, um einfache Automatisierungsaufgaben zeitsparend zu lösen. Natürlich gibt es weiterhin Grenzen für ein solches System, insbesondere wenn die Komplexität ansteigt. In solchen Fällen sollte die Entwicklung von Node-RED auf eine umfassendere Engineering-Software umgestellt werden.
Ein Beispiel für ein kleine Logik ist die Qualitäts-Station, die mit einen IO-Master ausgestattet ist. Diese dient hier als Hauptschnittstelle mit einem OPC-UA Server, wo Condition Monitoring, diverse Sensor-Werte und eine Roboter-Ansteuerung verfügbar sind. Node-RED steuert das Programm vom Low-Code Roboter, um die richtige Aufgabe zum richtigen Zeitpunkt auszuführen. Diese Logik überwacht zusätzlich die Informationen des benachbarten Förderers, um im dazugehörigen OPC-UA Server zu erkennen, dass ein neues Teil abholbereit ist.
Low-code innerhalb der Microsoft Power Plattform
Die Microsoft Power Plattform ist ein Zusammenschluss von Low-Code Diensten. In diesem Abschnitt werden die Dienste Power Apps, Power Automate und Power Virtual Agent, welche der Microsoft Power Plattform zugehörig sind, erläutert.
Power Apps
Power Apps ist eine Plattform, mit welcher professionelle Applikationen mithilfe von Low-Code Programmierung entwickelt und eine Vielzahl von Konnektoren genutzt werden können. Damit sind vor allem Drittsysteme im Microsoft Umfeld gemeint (z. B. SharePoint oder Microsoft Dynamics 365). Power Apps bietet die Möglichkeit, ohne Entwicklerkenntnisse simple wie auch umfangreichere Applikationen zu entwickeln.
Power Automate
Power Automate ist das Low-Code Tool zur Automatisierung von repetitiven Tasks und Prozessen im Microsoft Umfeld und darüber hinaus. Wie auch bei Power Apps können eine Vielzahl von Konnektoren wie Microsoft Teams sowie auch AI-Konnektoren genutzt werden. Zudem können beispielsweise auch http-Anfragen ausgelöst werden, um Daten abzufragen oder Aktionen auszulösen.
Power Virtual Agent
Mit Power Virtual Agent (PVA) können mit Low-Code intuitiv und pragmatisch Chatbots implementiert werden. Mithilfe einer grafischen Flowchart-Programmiersprache werden die Konversationslogik und die Aktionen entworfen. Das ermöglicht eine intuitive Gestaltung des Dialogs mit dem technischen System. Der erstellte Bot kann anschliessend ohne weitere komplexe Konfiguration über verschiedene Channel (z. B. MS-Teams, Telegram, Web) genutzt werden. In der Swiss Smart Factory wird ein mit PVA erstellter Chatbot genutzt, um Informationen zu beschaffen, die Umgebungs-Variablen abzufragen und ein selbstfahrendes Fahrzeug (AGV) des Leuchtturm-Projekts zu steuern.
Robotisierte Qualitätsprüfstation mit Low-Code Roboter (Quelle: Switzerland Innovation Park Biel/Bienne AG)
Vernetzung der Dienste
Durch das Vernetzen der beschriebenen Low-Code Plattformen werden die Möglichkeiten in diesem Umfeld wesentlich erweitert. Beim Chatbot zur Ansteuerung des selbstfahrenden Fahrzeugs wird in PVA die Konversationslogik so gestaltet, dass ein AGV ausgewählt und über Power Automate zu einer Station geschickt werden kann. Eine ähnliche Vernetzung wurde über Power App genutzt, um Informationen zur Umgebung (Temperatur und Luftfeuchtigkeit) abzufragen. Von der App gesteuert wird eine Power Automate Flow ausgelöst, der die Variablen zur Umgebung abfragen kann.
Die beschriebenen Tools zeigen auf, dass heutzutage intuitiv und ohne Entwicklerkenntnisse Applikationen oder Chatbots entwickelt werden können. Insbesondere bei der Vernetzung der Services ergeben sich neue Möglichkeiten interne wie auch externe automatisierte Prozesse auszulösen und Probleme zu lösen.
Low-code in der Robotik
Kollaborative Roboter (Cobots) gehören mittlerweile genauso wie Industrie-Roboter zu modernen Automatisierungslösungen. Cobots sind vor allem bekannt, weil sie mit oder in unmittelbare Nähe von Menschen arbeiten können. Ein weiteres Merkmal sind ihre Programmiereinfachheit – auch dank Low-Code sind solche Roboter in wenigen Minuten neu konfiguriert. Einfache Aufgaben wie Pick-and-Place, Palettisieren und einfache Montageaufgaben lassen sich von geschulten Mitarbeitenden schnell auf einem Cobot umsetzen. Dank mitgelieferten Plug-ins lassen sich verschiedene Greifer direkt über die gleiche Oberfläche programmieren.
Die Swiss Smart Factory bietet im Bereich Low-Code zwei
Workshops an: Low Code in der Industrie und Chatbots. In diesen Hands-On Workshops wird vertieft auf die Thematik eingegangen und die Teilnehmenden erarbeiten an realen Beispielen erste, eigene Applikationen.
Weitere Infos finden Sie hier
Die Autoren
Michael Wendling (l.) ist Maschinenbau Ingenieur aus Frankreich, Projektleiter vom Leuchtturm Projekt Industrie 4.0 der Swiss Smart Factory.
www.sipbb.ch
Charly Gerber (r.) ist Wirtschaftsingenieur mit technischem Background, Projektleiter für angewandte Forschungsprojekte der Swiss Smart Factory
www.sipbb.ch
Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 23-3
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