Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in die Softwareentwicklung bietet immense Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung und Qualitätsverbesserung, bringt jedoch auch Herausforderungen wie Datenschutz, ethische Fragen und fehlendes Know-how mit sich. Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Entwicklungen, Hindernisse und Trends des Einsatzes von KI in der Softwareentwicklung.
Symbolbild von KI erstellt
Die Entwicklung von KI hat in den letzten Jahrzehnten bemerkenswerte Fortschritte gemacht. Von frühen Konzepten der Maschinenintelligenz, die nach klaren Regeln und für sehr spezifische Probleme konzipiert waren, bis zum Aufkommen des maschinellen Lernens in der 1980-er-Jahren. Die Einführung von «tiefen» neuronalen Netzen (Deep Learning) und die einfachere Verfügbarkeit von grossen Datenmengen haben die Entwicklung in den letzten Jahren rasant vorangetrieben. Dank der anhaltenden Steigerung der weltweit verfügbaren Rechenleistungen hat auch die Leistungsfähigkeit von KI-Systemen stark zugenommen und die Einsatzgebiete haben sich rasant erweitert – von autonomem Fahren bis zur medizinischen Diagnose mit hoher Präzision.
Besonders faszinierende Entwicklungen sind im Bereich der generativen KI zu beobachten. Während traditionelle KI-Systeme darauf ausgelegt sind, Daten zu analysieren und Vorhersagen zu treffen, geht die generative KI einen Schritt weiter, indem sie versucht neue, also bisher nichtexistierende Daten zu generieren.
Im folgenden Artikel beleuchten wir sowohl das Potenzial von KI als auch die Risiken im Kontext der Schweizer Softwareindustrie. Des Weiteren teilen wir praktische Erfahrungen von verschiedenen KI-Einführungen.
KI in der Softwareentwicklung
Durch die Fähigkeit von generativer KI, neue Inhalte zu generieren, wurde vermehrt auch das Potenzial davon für die Softwareentwicklung, etwa zur Generierung von Softwarecode, erkannt. Daher wollen wir uns vertieft mit der Rolle von KI in der Softwareentwicklung beschäftigen
Das Potenzial von KI in der Softwareentwicklung wird als sehr gross eingestuft (McKinsey & Company, 2023). Besonders könnte die Automation und damit Effizienzsteigerung in der Softwareentwicklung weiter vorangetrieben werden. Insbesondere Routinearbeiten wie Code Reviews, Fehlererkennung und -behebung, sowie das Erstellen von Dokumentationen könnten in Zukunft vermehrt durch den Einsatz von KI-Systemen automatisiert werden. Trainiert würden solche Systeme mit Daten aus Codedatenbanken. Dadurch kann der manuelle Aufwand reduziert und Entwicklern ermöglicht werden, sich vermehrt auf kreativere Aspekte der Softwareentwicklung zu fokussieren.
Neben der Generierung von neuen Inhalten, bzw. der Unterstützung in diesem Prozess, gibt es weitere spannende Anwendungsfälle, wie Predictive Analytics oder die Entscheidungsunterstützung. Diese Anwendungsfälle finden bereits Anwendung in der produzierenden Industrie. Durch die Analyse von historischen Daten mit KI können Vorhersagen getroffen werden und dadurch die Entscheidungsprozesse unterstützt werden. So wird durch Predictive Maintanance der Wartungsbedarf von Maschinen vorausgesagt, um Ausfallzeiten und Kosten zu optimieren. Ähnliche Anwendungsfälle sind auch in der Softwareentwicklung denkbar. Durch die regelmässige Analyse des Softwarecodes und von Projektdaten, kann die Führung von Softwareprojekten optimiert werden und wichtige Entscheidungen durch datengestützte Einblicke erleichtert werden. Auch im Betrieb von Softwarelösungen kann Predictive Analytics einen Mehrwert bieten, indem mögliche Probleme, die beispielsweise durch Änderungen in den Um- und Basissystemen hervorgerufen werden, frühzeitig erkannt werden können.
Herausforderungen von KI in der Softwareentwicklung
Trotz der vielen Vorteile, die KI in der Softwareentwicklung bringen kann, gibt es auch Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Eine der grössten Hürden sind rechtliche Fragen, die noch weitgehend ungeklärt sind. So haben viele Unternehmen Bedenken hinsichtlich der Sicherheit ihrer Daten, insbesondere wenn es sich um sensible Kundeninformationen handelt oder ihr geistiges Eigentum (z. B. Softwarecode). Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die Fähigkeiten der Softwareunternehmen. Für die Entwicklung, Einführung und Nutzung von KI-Systemen in der Softwareentwicklung werden neue Fähigkeiten benötigt, die oft erst aufgebaut werden müssen. So werden Fähigkeiten, wie beispielsweise das kontextabhängige Training von KI-System und die Qualitätskontrolle von KI-generiertem Softwarecode, immer wichtiger. Die Softwareunternehmen sind des Weiteren gefordert, KI-Systeme in ihre bestehenden Entwicklungsprozesse, Arbeitsweisen und Methoden einzuführen, was auch zu Widerstand bei den Entwicklern führen kann. Um dem entgegenzuwirken, investieren die Schweizer Softwareunternehmen verstärkt in Schulungen und Sensibilisierungsmassnahmen, was wiederum Zeit und Ressourcen in Anspruch nimmt.
Obschon die Vorteile vielversprechend wirken und die Herausforderungen zur effizienten Nutzung von KI in der Softwareentwicklung lösbar erscheinen, bleiben wichtige Fragen ungeklärt: Was sind die konkreten Anwendungsfälle und Nutzen für einzelne Softwareunternehmen und kann mit der Einführung von KI-Systemen wirklich der erwartete Mehrwert erzielt werden? Schliesslich ist der erfolgreiche Einsatz von KI-Systemen von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Es fehlt zum jetzigen Zeitpunkt an überzeugenden Beispielen und Anwendungsfällen, die ausreichend lang im operativen Betrieb sind, um den realisierten Mehrwert bestimmen zu können. Trotzdem sind die Softwareunternehmen gefordert, sich mit der Technologie auseinanderzusetzen, um Anwendungsfälle mit überzeugenden Nutzungsargumenten zu identifizieren.
Erste Erkenntnisse über die Schweizer Softwareunternehmen und ihre Bemühungen KI in der Softwareentwicklung zu nutzen
Im diesjährigen Swiss Software Industry Survey (SSIS) wird das Thema erforscht und insbesondere auch die Bemühungen der Schweizer Softwareindustrie dokumentiert.
Viele der teilnehmenden Softwareunternehmen befassen sich bereits vertieft mit dem Einsatz von KI in ihren Softwareentwicklungsprozessen. Durch erste Einführungen von KI in einzelnen Bereichen der Unternehmens, waren diese auch in der Lage, wichtige Erfahrungen rund um die Governance, Qualitätskontrolle und dem Mehrwert zu machen. So entwickeln mehrere der Softwareunternehmen Richtlinien zur Nutzung von KI-Systemen, fördern die Transparenz und den Austausch innerhalb des Unternehmens. Durch diese Bemühungen soll früh eine erste Governance-Struktur aufgebaut werden, ohne die Innovationsfähigkeit zu beinträchtigen. Ein wichtiger Aspekt wird in der Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeitenden gesehen. So sollen diese zum einen die Nutzung von KI-Systemen lernen, aber auch auf Risiken wie Datenschutz und Qualitätsprobleme sensibilisiert werden. Die Unternehmen fokussieren sich des Weiteren auf etablierte Techniken aus der Softwareentwicklung und des Innovationsmanagements. So versuchen sie schnell und kostengünstig limitierte Prototypen zu entwickeln, wodurch sie Erfahrungen sammeln können – zum einen für spezifische Anwendungsfälle und zum andern über die Einführung von KI-Systemen sowie das Training mit unternehmenseigenen Daten.
Ein Blick in der Zukunft
Die zukünftige Entwicklung von KI in der Softwareentwicklung verspricht die Branche nachhaltig zu verändern und so sind auch die Erwartungen und Unsicherheiten hoch. Sicher ist, dass sich durch die rasante Entwicklung die Art und Wiese verändert, wie Software entwickelt, implementiert, gewartet, getestet und dokumentiert wird. In der nahen Zukunft dürfte KI eine entscheidende Rolle bei der Automation von repetitiven Aufgaben übernehmen. So werden Unternehmen, aber auch Softwareentwickler, gefordert sein, sich mit diesen Entwicklungen auseinanderzusetzen und schrittweise auch anzupassen. Trotz der Euphorie sollten wichtige ethische und rechtliche Fragen zeitnah beantwortet werden, damit die Reise fair, transparent und im Einklang mit geltenden Gesetzen weitergehen kann.
Inwiefern Schweizer Softwareunternehmen KI nutzen, wird im Rahmen des diesjährigen SSIS untersucht und die Ergebnisse werden am 28. Oktober in Bern vorgestellt.
Die Autoren
Simon Perrelet ist Doktorand am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern. Er forscht zu digitalen Innovationen, Startups, sowie der Schweizer Softwareindustrie; ausserdem hat er mehrjährige Erfahrung in der Beratung sowie Digitalstrategieentwicklungen und deren Umsetzung.
www.linkedin.com/in/simon-perrelet
Dr. Pascal Sieber ist Transformation Consultant und VRP der Dr. Pascal Sieber & Partners AG. Er ist Doktor der Wirtschaftsinformatik, ist in diversen Verwaltungsräten vertreten und Studiengangsleiter an der Uni Bern. Zudem verfügt er über Erfahrung in der Strategieentwicklung, digitalen Transformation und Unternehmensführung.
www.sieberpartners.com
Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 24-3
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