KI in Schweizer KMU: Zwischen Ambition und Realität

03.11.2025
5 Min.

Wie weit ist die Implementierung von Künstlicher Intelligenz in Schweizer KMU tatsächlich fortgeschritten? Der Swiss AI Impact Report 2025 liefert eine systematische Analyse der KI-Realität in Schweizer Unternehmen. Die Studie vergleicht die strategische Sicht von Führungskräften mit der operativen Perspektive der Mitarbeitenden und zeigt: Die grösste Herausforderung liegt nicht in der Technologie, sondern in der Wahrnehmung.

 

 

Die zentrale Erkenntnis der Studie ist eine systemische Wahrnehmungslücke. Führungskräfte bewerten alle sechs untersuchten Erfolgsfaktoren – von KI-Kompetenz bis Einführungserfolg – durchgehend positiver als ihre Mitarbeitenden. Dieser Abstand ist nicht nur statistisch relevant, sondern strategisch riskant: Er führt zu Blindflug, Demotivation und Fehlinvestitionen. Besonders kritisch: Der Einführungserfolg ist der am schwächsten bewertete Faktor im gesamten Index.
 
Diese Diskrepanz war auch Thema im bbv-Webinar vom 3. September 2025, das vom Head of Business Area AI der bbv Stefan Häberling moderiert wurde. Gastreferent Jan Schlüchter von der Hochschule Luzern sprach von einer «Ambitionslücke», die nicht durch Technologie, sondern durch Kommunikation und Führung geschlossen werden müsse.
 

Drei Befunde, die zum Handeln zwingen

Der Report identifiziert drei zentrale Schwachstellen, die den Fortschritt der KI-Transformation in Schweizer KMU bremsen.
  • Befähigungskrise: Schulungen, Kommunikation und Lernzeit sind strategisch geplant, kommen aber in der Realität der Mitarbeitenden nicht an. Nur 37 % fühlen sich im Umgang mit KI-Tools vertraut. Die Folge: Unsicherheit statt Innovation.
  • Strategie-Vakuum: Viele Mitarbeitende kennen weder die Ziele noch die Regeln oder Zuständigkeiten rund um KI im Unternehmen. Nur 27 % fühlen sich gut informiert, 15 % wissen nicht einmal, an wen sie sich bei Fragen wenden können.
  • Mässige Erfolgsbilanz: Trotz positiver Grundhaltung wird der bisherige Einführungserfolg von beiden Seiten als schwächster Faktor bewertet. Die Ursachen reichen von unpassenden Tools über fehlende Datenqualität bis zu überhöhten Erwartungen.

KI-Literacy: Das Fundament fehlt

Die Studie zeigt deutlich: Ohne solides Verständnis für KI bleibt jede Strategie ein Papiertiger. Die Kompetenzlücke zwischen Führung und Mitarbeitenden ist signifikant – und auch altersbedingt. Ältere Mitarbeitende (55+) weisen deutlich geringere Vertrautheit mit KI auf als jüngere. Auch Führungskräfte sind nicht ausgenommen: Rund 45 % sind kaum mit generativer KI vertraut.
 
Im Webinar betonte Jan Schlüchter, dass gerade Führungskräfte eine aktive Rolle übernehmen müssen – nicht als Wissensvermittler, sondern als Lernende. Formate wie «AI Gemba Walks», offene «Ask Me Anything»-Sessions oder altersübergreifendes Mentoring sollen helfen, KI im Alltag sichtbar und greifbar zu machen. Die bbv Software Services AG bietet dazu KI-Grundlagen-Workshops für Fach- und Geschäftsleitende an – mit Fokus auf Basic Prompting, ethische Aspekte und eine gemeinsame Sprache.
 

Organisationale Unterstützung: Wunsch und Wirklichkeit

Während 42 % der Führungskräfte die organisationale Unterstützung als gut einschätzen, sind es nur 19 % der Mitarbeitenden. Die Diskrepanz zeigt sich auch in der Governance: Klare Regeln, Zuständigkeiten und Ressourcen fehlen oft. Die Studie empfiehlt einfache Strukturen, etwa ein Ampelsystem für KI-Tools oder ein «AI Center of Excellence» als zentrale Anlaufstelle.
 
Auch im Webinar wurde deutlich: Eine klassische Delegationsphilosophie funktioniert bei KI nicht. Die Geschäftsleitung muss sich aktiv einbringen, nicht nur strategisch, sondern auch operativ. Risikomanagement, Datenschutz und Tool-Freigaben dürfen nicht im Nebel bleiben, sondern brauchen transparente Prozesse und klare Verantwortlichkeiten.
 

Einführungserfolg: Die ehrliche Bilanz

Der Einführungserfolg ist der schwächste Wert im gesamten Index. Die Gründe sind vielfältig: Tools passen nicht zu den Prozessen, Ziele sind unklar, Systeme lernen nicht ausreichend. Besonders kritisch: Ältere Mitarbeitende bewerten den Erfolg deutlich negativer als jüngere. Die Studie fordert schnelle, sichtbare Erfolge und eine aktive Einbindung der Mitarbeitenden – nicht als Konsumenten, sondern als Mitgestalter.
 
Die Idee einer «lernenden Organisation» wurde im Webinar mehrfach betont: KI-Transformation gelingt nur, wenn Experimente erlaubt sind, Fehler als Lernimpulse gelten und Mitarbeitende aktiv an der Entwicklung beteiligt werden. Führungskräfte sollen nicht vorgeben, alles zu wissen, sondern Lernbereitschaft zeigen – und dies auch öffentlich.
 

Professionelle Begleitung: Kein Luxus, sondern Notwendigkeit

Die Studie zeigt deutlich: Viele KMU kämpfen nicht mit mangelnder Motivation, sondern mit strukturellen Hürden. Fehlende Governance, unklare Zuständigkeiten und begrenzte Ressourcen machen es schwer, KI-Projekte nachhaltig zu verankern. Gerade kleinere Unternehmen verfügen oft nicht über eigene KI-Fachleute oder interne Strategieteams.
 
In solchen Fällen kann externe Unterstützung helfen, die Transformation zu beschleunigen – nicht als Outsourcing, sondern als gezielte Begleitung. Ob beim Aufbau einer Governance-Struktur, der Auswahl geeigneter Tools oder der Schulung von Mitarbeitenden: Professionelle Hilfe kann den Unterschied machen zwischen einem ambitionierten Projekt und einem echten Umsetzungserfolg.
 
Wichtig ist dabei, dass die Unterstützung nicht nur technisch, sondern auch kulturell anschlussfähig ist. KMU brauchen Partner, die ihre Realität kennen und nicht nur passende Lösungen, sondern auch Orientierung bieten.
 

Akzeptanz und Potenzial: Die gute Nachricht

Trotz aller Herausforderungen ist die Akzeptanz für KI hoch: Mit Werten von 3,98 (Führungskräfte) und 3,44 (Mitarbeitende) ist sie der stärkste Faktor im Index. Die Bereitschaft zur Veränderung ist also definitiv da. Doch auch hier zeigt sich eine Ambitionslücke: Führungskräfte sehen das Potenzial deutlich optimistischer als ihre Teams.
 
Umso wichtiger sind konkrete Use Cases, die zeigen, wie KI im Alltag helfen kann: etwa bei der Protokollierung von Meetings, der Formulierung von E-Mails im eigenen Stil oder als Coaching-Tool zur Reflexion von Situationen. Solche Anwendungen machen KI greifbar und bauen Vertrauen auf.
 

Fazit und Ausblick

Die KI-Transformation in Schweizer KMU scheitert nicht am Willen, sondern daran, dass viele Unternehmen noch nicht bereit sind, sie wirklich zu tragen. Die Studie zeigt: Akzeptanz ist vorhanden, doch zwischen Ambition und Umsetzung klafft eine Lücke. Mangelnde KI-Kompetenz, fehlende Unterstützung und eine Führung, die oft in einer anderen Realität weit weg von der Praxis agiert, bremsen den Fortschritt.
 
Was es braucht? Lernräume statt Leitsätze. Führung, die sichtbar und wirksam ist. Und eine gemeinsame Sprache, die nicht nur Tools erklärt, sondern Vertrauen schafft. Nur so wird aus KI mehr als ein strategisches Schlagwort – nämlich ein echter Hebel für Veränderung.
 
 

Zur Methodik

Die Grundlage des Swiss AI Impact Report 2025 bildet eine Online-Befragung, die vom 19. Mai bis 9. Juli 2025 durchgeführt wurde. Insgesamt wurden 537 Personen aus Schweizer Unternehmen befragt – davon 320 Führungskräfte und 217 Mitarbeitende ohne Führungsfunktion.
 
Ein besonderes Merkmal der Studie ist der duale Ansatz: Die strategische Sicht der Führungskräfte wurde gezielt der operativen Realität der Mitarbeitenden gegenübergestellt. So konnten Unterschiede in Erwartung, Einschätzung und Bedarf sichtbar gemacht werden – und erstmals systematisch analysiert werden, wo die KI-Transformation ins Stocken gerät.
 

 

 

Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 25-3

 

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