IT-Servicemanagement: Automatisierung vs. Kundenorientierung

29.04.2019
6 Min.

IT-Servicemanagement (ITSM) ist längst mehr als die Abbildung von Best Practices in der IT gemäss ITIL. Wird das ITSM richtig aufgesetzt und bezieht Automatisierung, Cloud und geeignete Tools mit ein, können Effizienz, Flexibilität und die Servicequalität generell massiv gesteigert werden.

 

 

IT Service Management (ITSM) dient dazu, Effizienz und Qualität einer IT-Organisation zu verbessern. Auf Organisations- wie auch Prozess- und Toolebene werden Services laufend kontrolliert und optimiert, damit die Informatik die bestehenden Anforderungen vom Unternehmen erfüllen kann und auch den künftigen Anforderungen genügt. Bislang definierte sich IT-Service Management im Wesentlichen durch das, was die ITIL – die Best Practices der IT Infrastructure Library – vorgibt. Doch im Zuge der umfassenden Digitalisierung ist ITSM viel genereller als Gesamtpaket an Massnahmen zu verstehen, dank derer die IT zu einer bestmöglichen Kunden- und Serviceorientierung im Unternehmen beitragen kann.

Noch stolpert das ITSM auf diesem Weg über eine Vielzahl an analogen Inseln, die auf Prozessebene nicht miteinander integriert sind und hohen manuellen Aufwand in der Bewirtschaftung erfordern. In dem Masse, in dem mehr und mehr Prozesse im Unternehmen digital abgebildet werden, dringt das ITSM zunehmend in Business-Workflows ein und erhält für die Geschäftsaktivität des Unternehmens ein ganz anderes Gewicht. Kommt hinzu, dass das Service Management nicht mehr nur auf die internen Prozesse beschränkt ist, sondern verstärkt die gesamte digitale Service-Kette unter Einschluss von Lieferanten bis hin zum Endkunden umfasst. Das Servicemanagement wird zu einer strategischen Ressource. Je umfassender der Einsatz von ITSM im Unternehmen über die reine IT hinaus wird, desto mehr bedarf es der Automatisierung.

 

Dank Automatisierung zu höherer Servicequalität

Es mag unlogisch klingen, dass mehr Servicequalität mit mehr Automatisierung einhergeht. Service wird gemeinhin als etwas individuell Massgeschneidertes wahrgenommen, dass möglichst unmittelbar die gewünschten Bedürfnisse erfüllt. Auch deshalb sind Ticketing-Systeme in den Unternehmen so wenig beliebt, weil sie als unpersönlich gelten. Doch Prozessautomatisierung entfaltet Vorteile auf mehreren Ebenen: Prinzipiell lässt sich nur das automatisieren, was vorher bereits standardisiert worden ist. Sich häufig wiederholende Aufgaben oder redundante Prozesse bieten eine gute Grundlage für Standardisierung und darauf aufbauend Automatisierung. Damit steigt die Effizienz in der Abwicklung, während die Kosten sinken. Die Mitarbeitenden werden von Routine-Aufgaben im Service entlastet und sind motiviert, dort Service zu leisten, wo menschliche Interaktion gegenüber Technologie Mehrwert bringt.

Moderne ITSM-Lösungen erlauben die Prozessautomatisierung auf einem hohen Niveau. Automatisiert werden können mit diesen Tools nicht nur IT-Prozesse im engeren Sinne wie das Incident oder Request Management. Der Vorteil der Tools liegt vor allem darin, dass sie «out of the box» für jede Aufgabenstellung eingesetzt werden können, die den wichtigsten ITIL-Prozessen folgen. Darüber hinaus können sie aber auch ohne grosse Aufwände für andere Einsatzgebiete massgeschneidert werden, wie beispielsweise das Facility Management: Jede Tür, die klemmt, oder Reinigungsaufträge, die ausgelöst werden sollen, können im Service Manager abgebildet und automatisiert werden, indem ein Standardprozess hinterlegt wird.  

Im Idealfall wird die Automatisierung mit Self-Service kombiniert. Die meisten Menschen bevorzugen es, Probleme allein zu lösen, wenn der Prozess komfortabel aufgesetzt wird. Anstelle also die IT anzurufen, wenn das Passwort vergessen gegangen ist, kann sich der Benutzer selbst durch einen Servicekatalog klicken, der Schritt für Schritt die Identität klärt, durch den Prozess führt und ein neues Passwort unter Berücksichtigung sämtlicher Schnittstellenerfordernisse zu den Umsystemen generiert. Dies steigert die Agilität in der IT-Abteilung: Hochqualifizierte Experten werden nicht mehr durch die banale Aufgabe blockiert, händisch ein neues Passwort aufzusetzen. Sie können sich stattdessen auf strategische Themen fokussieren. Neben dem, dass ein hoher Automatisierungsgrad auch die Fehlerquote gegenüber manuellen Tasks erhöht, kann durch Servicekataloge das Service-Angebot insgesamt massiv ausgebaut werden. Zum Beispiel können über die herkömmlichen IT-Themen hinaus auch andere Bereiche wie das Onboarden neuer Mitarbeitender entsprechend strukturiert werden: Denn neben dem, dass ein Neuzugang eine User-ID und einen Mailaccount benötigt, können im Serviceprozess auch gleich seine weiteren Bedürfnisse nach einem Pult, einem Schlüssel, einem Badge oder weiteren betrieblich gestellten Utensilien abgedeckt werden.

 

Flexibilisierung und Cloudifizierung

IT-Servicemanagement schafft Transparenz in Bezug auf Fragen wie: «Ist die Servicequalität zufriedenstellend?», «Was kosten die Services?» oder «Werden die Prozesse anforderungsgerecht gelebt?»

Diese Transparenz hilft, Optimierungspotenzial bei Services und dahinterliegenden Prozessen zu erkennen und entsprechende Massnahmen einzuleiten. Ziel ist es, dem Unternehmen die strategische Flexibilität vollständiger, ablaufgesteuerter Servicemanagement-Aktivitäten – von einfachen Service-Desk-Vorgängen bis hin zu komplexen, konfigurierbaren Management-Workflows auf der Grundlage von Industriestandards zu verschaffen. Und darüber hinaus. IT-Servicemanagement-Tools können um Künstliche Intelligenz bereichert werden, die das Servicelevel auf eine völlig neue Stufe heben. Ein mittels KI lernender Servicemanager wird beispielsweise fähig sein festzustellen, ob es sich bei einem neuen Fall um einen Incident oder einen Request handelt. Kommt beispielsweise ein Chatbot zum Einsatz, kann dieser bereits beim Beschreiben des Problems den passenden Prozess auswählen und automatisch starten. Das Potenzial an Use Cases ist im Kontext des entstehenden Internet of Things riesig: Wenn eine ITSM-Lösung etwa das erwähnte Facility Management steuert, wird diese die vernetzten Dinge autonom managen können. Fällt eine smarte Glühbirne aus, die am ITSM angeschlossen ist, kann dieser bei einem Defekt automatisch ein Service-Ticket auslösen und den Service-Techniker für einen Ersatz herbeirufen.

Im Zuge dieser Trends muss sich die infrastruktur- und toolorientierte IT hin zur serviceorientierten Unternehmensabteilung entwickeln, die das Business mitgestaltet. Und zwar nicht nur im Kerngeschäft, sondern auch in Bereichen wie Personal, Marketing und Vertrieb. Deren Services werden mehr und mehr IT-getrieben, und sie werden zugleich flexibler und stärker mit dem Business selbst verflochten sein. Es kommt also nicht mehr das eine grosse Software-Release, das die IT einspielt, sondern es sind Service- und Supportprozesse für zahlreiche kleinere und oftmals auch kurzlebige Angebote («Apps») erforderlich. Für diese Service- und Supportprozesse ist der Bezug aus der Cloud der einzig vernünftige und effiziente Weg. Cloud-Services erhöhen die Flexibilität. Tools, die bislang «on Premise» im Unternehmen für Servicemanagement eingesetzt wurden, werden nun selbst zum Service und im SaaS-Modell (Software as a Service) aus der Cloud bezogen. Mit Portallösungen kann der Mitarbeitende intuitiv durch den Serviceprozess geführt werden. Für das Unternehmen fallen keine Investitions-, sondern nur noch Betriebskosten an. Und es muss sich zudem nicht um Verfügbarkeit, Wartung und Steuerung des Serviceportfolios kümmern. Cloudlösungen dieser Art sind sowohl global als auch Schweiz basiert verfügbar und bilden das Rückgrat für kundenorientiert automatisierte Serviceprozesse.

 

Der Autor

Patrick Fischbacher ist CEO der Proventx AG. Der ICT-Dienstleister bietet Kunden aus Industrie und Gewerbe sowie der öffentlichen Hand innovative Cloud- und Managed-Service-Lösungen. Proventx ist zudem spezialisiert auf IT-Servicemanagement und hostet die ITSM User Group in der Schweiz.