Interview mit Jürg Stricker, CCO DeepCloud: «Die Schweiz hat noch viel Potenzial, um Prozesse zu optimieren.»

23.04.2025
5 Min.

DeepCloud ist ein Schweizer Unternehmen, das innovative Cloud-Lösungen rund um die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen entwickelt. Wir haben uns mit Jürg Stricker unterhalten, Chief Change Officer bei DeepCloud. Er gibt Einblicke in seine Rolle und die spannenden Projekte, die das Unternehmen vorantreiben.

 

Jürg Stricker, Chief Change Officer bei DeepCloud (Bild zVg von DeepCloud)

 

Cyrill Schmid: Jürg Stricker, was sind Ihre wichtigsten Aufgaben als Chief Change Officer bei DeepCloud?
 
Jürg Stricker: Zu meinen Aufgaben gehören die Mitwirkung bei der Strategieentwicklung, welche Services DeepCloud bauen wird oder wie die bestehenden Services weiterentwickelt werden. Ganz wichtig ist auch die Frage: Wie integrieren wir unsere verschiedenen Dienste so ins Abacus ERP, dass sie mehr oder weniger «Out of the Box» funktionieren? Weiter gibt es diverse Spezialprojekte, welche es zu koordinieren gilt.
 
 
DeepCloud wurde im Jahre 2020 gegründet. Wo steht DeepCloud heute, in welchen Branchen ist das Unternehmen tätig und welches sind die wichtigsten Kunden?
 
Zu Beginn waren wir vor allem in der Treuhandbranche unterwegs. Davon kam auch die Ursprungsidee der DeepBox, mit welcher Treuhandunternehmen mit ihren Kunden ganz einfach Daten austauschen und diese direkt im Abacus ERP weiterverarbeiten können.
 
Mittlerweile sind auch viele Abacus-Kunden glückliche Anwender von verschiedenen DeepCloud Services, sei das nun bei der automatischen Belegverarbeitung, bei elektronischen Signaturen oder Visualisierung von Daten, die geteilt werden müssen.
 
Aber auch ausserhalb des Abacus haben wir mittlerweile viele Kunden gewonnen. Vor allem in öffentlichen Verwaltungen oder auch in diversen Industrien und Dienstleistungsfirmen. Einer unserer grössten Kunden für die Signatur- und Siegellösung ist die Stadt Zürich, die sich vor gut einem Jahr für DeepSign entschieden hat.
 
 
Wie und wo setzt die Stadt Zürich DeepSign ein?
 
Die Stadt Zürich setzt unsere komplette Signaturlösung ein. Das sind einerseits Siegel, welche aus den Fachapplikationen direkt zum Siegeln übergeben werden, aber auch digitale Signaturen, die sowohl aus den Fachapplikationen aber auch direkt in DeepSign mittels Workflow verwendet werden. Allein im letzten Monat wurden über 400’000 Dokumente der Stadt Zürich über unsere Lösung gesiegelt. Wichtig ist, dass der Anwender den Prozess direkt aus seiner gewohnten Applikation ausführen kann.
 
 
Es gibt viele Anbieter von digitalen Signaturen in der Schweiz. Welche Vorteile bietet DeepSign gegenüber anderen Anbietern?
 
Einer der Hauptvorteile ist sicher, dass wir nebst der Signatur auch eine eigene Identifikationslösung anbieten. Mit der App DeepID kann eine zur Signatur eingeladene Person sich selbständig identifizieren, um qualifiziert signieren zu können. Bei fast allen Mitbewerbern ist das ein externer Prozess, welcher auch bezahlt werden muss – bei uns ist das kostenlos. Wir haben diese Lösung aus Überzeugung gebaut, da wir gesehen haben, dass der Signaturprozess abgebrochen ist, wenn die eingeladene Person zuerst irgendwo hingehen muss, um sich zu identifizieren oder das online machen kann, und dann dafür noch eine Gebühr bezahlen muss.
 
Für uns ist digital signieren in erster Linie ein Prozessbeschleuniger, z. B. für Verträge wie Miet- und Arbeitsverträge, Regie-Rapporte im Bau usw. Ein weiterer Vorteil ist, dass unsere Preise äusserst attraktiv sind.
 
 
Wie beurteilen Sie die Entwicklung von digitalen Signaturen in der Schweiz? Wo stehen wir heute?
 
Leider stehen wir hier in der Schweiz noch ziemlich am Anfang. Das ist auch dem Umstand geschuldet, dass es bis heute keine staatliche E-ID vom Bund gibt, welche ein qualifiziertes Signieren ermöglicht. Aktuell ist bei der E-ID nicht klar, ob diese als zweiter Faktor für QES eingesetzt werden kann – was ich beim besten Willen nicht verstehen würde. Unsere Nachbarn können das mit der Austria ID schon seit dem Jahr 2023.
 
Auch die Kantone sind aktuell regelrechte «Digitalisierungs-Bremsklötze». Es ist nach unserem Ermessen sinnlos, eine Lösung für einen Kanton und seine Gemeinden zu evaluieren. Wichtig ist, dass ein rechtskonformer Signaturprozess reibungslos in die Fachapplikationen eingebunden wird. Im Idealfall merkt die zur Signatur eingeladene Person keinen grossen Unterschied, welches Produkt im Hintergrund ist. Voraussetzung dafür wäre natürlich, dass es eine staatliche E-ID gibt, die alle Signaturhersteller in der Schweiz anbinden können.
 
 
DeepCloud entwickelt ja noch viele weitere Produkte, welche für die Digitalisierung von KMU wichtig sind. Welche spielen dabei eine wichtige Rolle? 
 
Ganz wichtig ist für uns die automatische Verarbeitung von Belegen mittels DeepO in das Abacus ERP, vor allem Rechnungen und Gutschriften, immer ein- und ausgehend. Der grosse Vorteil ist, dass wir Stammdaten aus dem Abacus ERP, z. B. Projektnummern, dem Analysetool zu Verfügung stellen können und so einen deutlich höheren Automatisierungsgrad erreichen. Die Stammdaten werden selbstverständlich automatisch aktualisiert, wenn ein neues Projekt dazu kommt oder eines abgeschlossen ist. Wir haben Kunden, die mehrere Tausend Stunden pro Jahr durch den Einsatz von DeepO für die automatische Belegverarbeitung einsparen.
 
 
Auch hier die Frage: Was ist der Vorteil der Lösung von DeepCloud für die automatische Belegverarbeitung gegenüber Produkten von Mitbewerbern?
 
Im Gegensatz zu Produkten von Mitbewerbern haben wir den Vorteil, dass DeepO perfekt auf das Abacus ERP abgestimmt ist. Dadurch haben wir den Vorteil, dass wir für die automatische Verbuchung direkt auf die richtigen Elemente referenzieren können. Auf eine Immobilie zum Beispiel, wenn das Immobilien-Modul aktiv ist. Oder auf ein Projekt, welche in Verbindung mit einer Bestellung steht. Zudem können die Kunden DeepO «trainieren», was bedeutet, dass die Kunden eigene Regeln und Flows zu einer noch besseren Automatisierung von Belegen selbst definieren können. Auch preislich sind wir sehr attraktiv.
 
Da wir Buchhaltung bei Abacus à fond kennen, wissen wir genau, wo KI der richtige Ansatz ist und wo es einen herkömmlichen Algorithmus braucht, beispielsweise zur Kontrolle einer MWST-Buchung. Die richtige Mischung macht es aus.
 
 
DeepCloud ist eine Tochtergesellschaft von Abacus. Welche Rolle spielt Abacus bezüglich der Integration oder Entwicklung von DeepCloud-Produkten?
 
Wir können von den Ressourcen und den finanziellen Mitteln des Mutterhauses profitieren, was eine langfristige Entwicklung der Produkte von DeepCloud sicherstellt. Für die Abacus-Kunden sehr wichtig ist, dass die Services von DeepCloud «Out of the Box» im Abacus ERP funktionieren. Unsere Produkte passen perfekt zum ERP, können aber auch als Stand-Alone-Lösung genutzt werden.
 
 
Welches sind die Schwerpunkte bei der weiteren Entwicklung von DeepCloud?
 
Noch mehr Automatisierung und Sicherheit für unsere Kunden. Am Beispiel von Digitalen Signaturen: Wenn eine Firma einen Vertrag unterzeichnet, muss ich auf einfache Art und Weise prüfen können, ob die Personen gemäss Handelsregister auch zeichnungsberechtigt sind oder nicht. Werden Dokumente wie z.B. Rechnungen elektronisch gesiegelt, kann über den DeepValidator geprüft werden, ob der Absender zur Rechnung passt und je nachdem den Prozess steuern: Automatisch verbuchen und zahlen oder aber abbrechen.
 
Selbstverständlich ist auch die KI bei uns die Toppriorität. Unser Motto lautet: Don’t teach users how to use software – teach software how to understand users’ intent. Erste KI Use Cases wurden bereits mit dem Abacus ERP ausgeliefert und laufend kommen weitere dazu. 
 
 
Zum Schluss eine persönliche Frage: Was ist Ihr Antrieb bei der Arbeit für DeepCloud?
 
Wir haben eine coole Truppe und coole Services. Jeder, der bei uns etwas bewegen will, kann dies auch. Und wir haben in der Schweiz noch sehr viel Potenzial, um Prozesse zu optimieren. Mit KI gibt es dafür riesige Chancen!
 
 
Vielen Dank für das Gespräch!

 

 

 

Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 25-1

 

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