Generative KI in all ihren Variationen erobert die Industrie: Die Technologie kann Anleitungen in natürlicher Sprache erstellen und hilft dabei, Designalternativen in Sekundenschnelle zu entwickeln oder Produktionsparameter in Echtzeit anzupassen. Doch der Weg von der Vision zur skalierbaren Anwendung ist in der Fertigung oft steinig. NTT DATA, Anbieter von KI-, digitalen Business- und Technologie-Services, hat acht typische Stolperfallen identifiziert.

Grafik NTT Data
GenAI, Agentic AI und Physical AI verändern die Produktionswelt: Systeme, die eigenständig Entwürfe erstellen, physikalische Szenarien simulieren oder sich koordiniert auf wechselnde Bedingungen einstellen, versprechen kürzere Durchlaufzeiten, eine bessere Qualität und mehr Flexibilität.
Die Studie „Von der Fertigungshalle ins KI-Zeitalter“ von NTT DATA zeigt, dass die Erwartungen hoch sind – in der Praxis bleiben breit ausgerollte Anwendungen jedoch rar. Die Gründe dafür liegen oft weniger in der Technologie selbst als in ihrer Umsetzung.
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- Unsaubere oder unvollständige Daten – warum sie jedes Projekt ausbremsen
GenAI ist nur so leistungsfähig wie die Daten, mit denen sie trainiert und „gefüttert“ wird. In der Fertigung umfasst das nicht nur Maschinendaten, sondern auch Prozesskennzahlen, Qualitätsberichte, Wartungsprotokolle oder CAD-Dateien. Fehlen Werte, sind Formate uneinheitlich oder liegen Informationen in nicht verknüpften Systemen, führt das zu unpräzisen Antworten oder fehlerhaften Empfehlungen. Die Lösung beginnt bei einer durchdachten Datenarchitektur: Produktions-, Qualitäts- und Sensordaten müssen standardisiert, zentral zugänglich und möglichst in Echtzeit verfügbar sein. Erst dann kann GenAI beispielsweise Anomalien erkennen, Wartungsintervalle optimieren oder Designvorschläge mit hoher Trefferquote generieren. - Falsches Modell – wenn GenAI die „Sprache der Fertigung“ nicht versteht
Allgemeine Large Language Models (LLMs) wie ChatGPT, Claude oder Gemini sind mächtig, scheitern aber oft an den Besonderheiten industrieller Daten. Neben Texten und Bildern müssen sie 3D-Modelle, Sensordatenströme und komplexe Normen interpretieren – und das in einer Vielzahl von Formaten. Standard-LLMs sind darauf nicht optimiert, was zu Missverständnissen oder falschen Ausgaben führen kann. Spezialisierte kleine Sprachmodelle (SLMs), die auf den Fertigungskontext zugeschnitten und mit branchenspezifischen Daten trainiert sind, liefern hier deutlich präzisere Ergebnisse. Sie lassen sich zudem auf Edge-Geräten betreiben, sodass Entscheidungen direkt an der Fertigungslinie fallen. - „Langsame“ Infrastruktur – wenn Rechenleistung zum Engpass wird
Herkömmliche Foundation-Modelle benötigen enorme Ressourcen. Werden sie ausschliesslich in der Cloud betrieben, kann das in der Fertigung zu langen Antwortzeiten führen – fatal bei Echtzeitanforderungen. Auch die Übertragung sensibler Betriebsdaten in externe Rechenzentren ist nicht immer möglich oder gewünscht. Ein hybrider Architekturansatz schafft Abhilfe: Private Clouds schützen vertrauliche Daten, Public Clouds liefern die nötige Rechenleistung für aufwendige Trainingsläufe und Edge Computing stellt sicher, dass zeitkritische Entscheidungen direkt vor Ort getroffen werden. Eine solche Kombination vermeidet Flaschenhälse und garantiert eine sichere Integration in Produktionsprozesse. - Fehlende Ethik- und Datenschutzrichtlinien – das unterschätzte Risiko
GenAI kann in der Fertigung tief in sicherheitskritische Prozesse eingreifen. Doch was passiert, wenn ein autonomer Agent eine falsche Entscheidung trifft? Ohne klare Governance, Rollenverteilung und dokumentierte Entscheidungslogik entsteht nicht nur rechtliche Unsicherheit, auch das Vertrauen von Mitarbeitenden und Kunden kann schnell erodieren. Unternehmen müssen deshalb klare Leitplanken definieren: Welche Handlungsräume haben KI-Agenten? Wer trägt die Verantwortung im Fehlerfall? Welche Daten dürfen verarbeitet werden? Datenschutz und Nachvollziehbarkeit sind keine Zusatzoption, sondern zentraler Erfolgsfaktor für den langfristigen Einsatz von GenAI in der Industrie. - Keine klare Strategie – wenn GenAI zum Selbstzweck wird
Die Einführung von GenAI ohne klaren Plan endet oft in isolierten Pilotprojekten, die keinen nachhaltigen Mehrwert liefern. Eine erfolgreiche Umsetzung beginnt mit der Definition eines konkreten Use Case: Soll die Technologie Entwicklungszeiten verkürzen, Ausschuss reduzieren oder die Schulung von Mitarbeitenden verbessern? Darauf aufbauend braucht es eine Roadmap mit klaren Meilensteinen, was von der Machbarkeitsstudie über den Prototyp bis zur Skalierung reicht. Mindestens genauso wichtig ist es, sich die eigene Wertschöpfungskette genau anzusehen. Das beinhaltet Bereiche wie Customer Experience, Supply Chain oder Commissioning. Nur wenn GenAI in bestehende Prozesse integriert und mit messbaren Zielen verknüpft wird, kann sie ihr Potenzial voll entfalten. - Fehlende Einbindung der Mitarbeitenden – Widerstände sind vorprogrammiert
GenAI verändert Arbeitsabläufe. Unternehmen, die ihre Belegschaft nicht von Anfang an einbinden, riskieren Skepsis, Misstrauen oder sogar aktive Ablehnung. Mitarbeitende müssen verstehen, dass KI-Systeme keine Jobs ersetzen, sondern unterstützen sollen. Low-Code-Ansätze bieten hier eine Chance: Sie ermöglichen es Fachkräften ohne Programmierkenntnisse, eigene Anwendungen zu entwickeln und so aktiv zur Gestaltung beizutragen. Schulungen, transparente Kommunikation und Pilotprojekte mit direktem Mehrwert für die Anwendenden sind entscheidend, um Akzeptanz und Motivation zu schaffen. - Keine externe Unterstützung – fehlendes Know-how kostet Zeit und Geld
Viele Fertigungsunternehmen haben weder die Ressourcen noch die Erfahrung, um GenAI-Projekte eigenständig zu realisieren. Externe Partner bringen nicht nur technisches Know-how, sondern auch bewährte Vorgehensmodelle aus anderen Branchen mit. Ein erfahrener Berater kann helfen, den richtigen Technologie-Stack zu wählen, Risiken frühzeitig zu erkennen und Projekte effizient umzusetzen. Der Blick von aussen sorgt zudem dafür, dass nicht „blind“ in Technologien investiert wird, die für den konkreten Anwendungsfall wenig Mehrwert bieten. - Mit Kanonen auf Spatzen schiessen – wenn weniger mehr ist
Nicht jede Aufgabe in der Fertigung erfordert den Einsatz von GenAI. Für manche Szenarien sind klassische Automatisierung oder regelbasierte Systeme effizienter, robuster und kostengünstiger. Der Schlüssel liegt in der differenzierten Analyse: Wo bringt GenAI tatsächlich einen qualitativen oder wirtschaftlichen Vorteil? Wo reicht eine bewährte Lösung aus? Eine klare Abgrenzung spart Ressourcen und verhindert, dass Projekte in überdimensionierten Technologielandschaften versanden.
GenAI kann die Fertigung grundlegend transformieren – aber nur, wenn Technik, Prozesse und Menschen zusammenspielen. Wer die Stolperfallen kennt, kann Potenziale schneller heben und Projekte vom ersten Prototyp bis zum vollautomatisierten Produktionssystem erfolgreich gestalten. Wird zudem ein erfahrener Partner hinzugezogen, der die Projekte von Ende zu Ende begleitet, also von der Konzeption bis zum Betrieb der Lösung, beschleunigt das die Umsetzung und reduziert auch das Risiko von Fehlschlägen.
Der Autor

Jochen Gemeinhardt ist Head of Production & Supply Chain bei NTT DATA DACH
Über NTT DATA GROUP
NTT DATA in der DACH-Region ist Teil der NTT DATA Unternehmensgruppe. Die Gruppe ist einer der weltweit führenden Anbieter von KI und digitalen Infrastrukturen. Ausserdem bietet sie einzigartige Fähigkeiten bei der Enterprise-Skalierung von KI, Cloud, Security, Konnektivität, Rechenzentren und Application Services. www.nttdata.com