Gaming-Technologien in der Unternehmenswelt: Wie KMU Gamification als Erfolgsfaktor nutzen

13.06.2024
4 Min.

Gaming und Business scheinen auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam zu haben. Die Entwicklung moderner Technologien wie Künstlicher Intelligenz (KI), Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) haben die beiden Bereiche jedoch näher zusammenrücken lassen. Im letzten Jahrzehnt ist in diesem Zusammenhang ein Begriff in den Fokus gerückt, der Zukunftspotenzial hat: Gamification heisst der Trend, der spielerische Elemente nutzen soll, um unternehmerische Erfolge zu realisieren. Ein Blick auf die spielerische Seite der Businesswelt.

 

Symbolbild @ studio v-zwoelf (#410474068) / Adobe Stock

 

Der Begriff „Gamification“ ist nicht so neu, wie seine mediale Relevanz vermuten lässt. Bereits 1978 prägte der britische Experte für Computerspiele und Spieleforscher Richard Bartle die Bezeichnung, die er im Zusammenhang mit der Entwicklung seiner berühmten Player Type Theory publik machte. Bartle selbst definiert Gamification in einem Interview aus dem Jahr 2013 mit dem Game Developer folgendermassen:

„In the old days, gamification meant changing something that wasn’t a game into a game. For example, you might have some kind of simulation that you would “gamify” by adding gameplay to it.

The modern use is almost the complete opposite. Now, it means taking techniques from games and applying them to non-games. The result is a non-game that includes some game elements – but crucially NOT gameplay. If it did include gameplay, it would be a game; then we’d be talking “serious games” or “games for a purpose”. (Quelle: gamedeveloper.com)

 

Damit schlug der Spieleforscher unbeabsichtigt selbst die Brücke zum heute vorherrschenden Gebrauch des von ihm geprägten Begriffs. Etwa seit 2010 rückt Gamification als wissenschaftliches Phänomen und analytischer Ansatz stärker in den Fokus des Interesses, wenn auch in einer gänzlich neuen Definition. In ihrer 2011 veröffentlichten Abhandlung unter dem Titel „From Game Design Elements to Gamefulness: Defining „Gamification““ bezeichnen Sebastian Deterding und seine Forscherkollegen Gamification als die Integration von Spielelementen und Spielprinzipien in nichtspielerische Kontexte und ebnen damit endgültig den Weg von Spieltheorien und Kernaspekten des Spielens in die Unternehmenswelt.

Heute steht Gamification als wissenschaftlicher Ansatz vor allem im Zusammenhang mit neuen Strategien in der Aus- und Weiterbildung sowie mit der Entwicklung von unternehmerischen Strategien in Marketing, Absatzförderung und Kundenbindung, interner Weiterbildung und Human Resources. Insbesondere in kleinen und mittelständischen Unternehmen bieten Gamification-Konzepte eine zeit- und kosteneffiziente Möglichkeit, um Ziele zu realisieren und Erfolge zu steigern.

Viele Theorien und Ansätze zum Erfolgsfaktor Gamification stecken noch in den Kinderschuhen. Das Potenzial, das die Verknüpfung zwischen Gaming und Business über moderne Technologien bietet, macht einen näheren Blick auf den wachsenden Trend in der Unternehmenswelt aber schon heute lohnend. 

Gamification, Game Based Learning und Serious Games: Eine Begriffsdifferenzierung

Gamification als Ansatz für vielfältige Entwicklungsbereiche im Unternehmenskontext ist ein breit gefächertes Themengebiet. Um den Nutzen des neuen Trends analysieren zu können, ist zunächst jedoch eine Abgrenzung zu anderen Bereichen erforderlich.

Während die Gamification von einem spielfremden Kontext wie der Unternehmenswelt ausgeht und dabei ansetzt, den Erfolg einzelner Prozesse durch die Implementierung von Spielelementen zu steigern, wählen Game Based Learning und Serious Games den Ansatz von der Gamingseite aus.

Game Based Learning wird in der Aus- und Weiterbildung eingesetzt. Das Konzept geht davon aus, dass die Kombination mit grundlegenden Spielmechaniken die Lernbereitschaft und den Lernerfolg steigert. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, werden Lerninhalte in einen Spielkontext eingebettet.

Ebenfalls von einem Spielkontext ausgehend sind Serious Games zu betrachten. Dabei handelt es sich um Spielentwicklungen, die eine bestimmte Lernthematik aufbereiten und es den Nutzern ermöglichen, sich auf spielerische Weise Kompetenzen anzueignen. Ein typisches Beispiel für Serious Games und den von ihnen verfolgten Ansatz sind Flugsimulatoren für angehende Piloten. Serious Games sind in ihrer Entwicklung meist mit hohen Kosten verbunden, da sie mithilfe moderner Techniken wie VR und AR ein möglichst genaues Abbild der Realität schaffen sollen. So entsteht ein spielerischer Kontext, in dem Lerninhalte realistisch vermittelt und dadurch zu Aus- und Weiterbildungszwecken dienen können. Sprachlernprogramme, die ihre Lektionen in einen spielerischen Kontext einbetten, sind ein weiteres Beispiel für Serious Games.

Eine klare Abgrenzung muss ausserdem gefunden werden zu Lerninhalten rund um reine Spielanwendungen, wie Anleitungen und Tutorials zu Spielstrategien. Diese werden beispielsweise auf themenspezifischen YouTube-Kanälen aufbereitet. Tutorials zu Spielstrategien werden häufig für die strategischen Variante der Glücksspiele angeboten. Sie werden in speziellen Nutzerforen oder gelegentlich auch auf Bewertungsportalen wie auf casino.ch angeboten, um insbesondere neuen Nutzern einen leichtern Einstieg in die Thematik zu ermöglichen. Die Aufbereitung von Lerninhalten zu reinen Gamingvarianten sind in ihrer Ausrichtung vom Fachbegriff der Gamification abzugrenzen, da sie vom Spielkontext ausgehen und nicht den Fokus auf unternehmerische Prozesse legen. 

Warum Gaming und die Customer Journey so viel gemeinsam haben

Gamification als Konzept zur unternehmerischen Erfolgssteigerung kann an verschiedenen Prozessen innerhalb einer Unternehmensstruktur ansetzen. Ein Bereich, der bereits viele innovative Strategien auf der Basis spielerischer Elemente hervorgebracht hat, ist die Customer Journey.

Kleine und mittelständische Unternehmen, die sich zunehmen digital aufstellen und ihre Prozesse mithilfe moderner Technologien gestalten, finden ein breites Portfolio, aus dem sie schöpfen können, um ihre Customer Journey durch spielerische Elemente begleiten zu lassen.

Dieser Ansatz geht davon aus, dass Spiele als Unterhaltungsprodukt in besonderem Masse dazu in der Lage sind, Handlungen zu motivieren, Entscheidungen anzuregen und die Wahrnehmung und die daraus resultierenden Verhaltensweisen zu beeinflussen. Die psychologischen Prozesse, die hinter dem intrinsischen Spieltrieb des Menschen stecken, basieren insbesondere auf dem Belohnungssystem. Der Wunsch, einen in einem Spiel integrierten Sieg zu erlangen, motiviert zu unterschiedlichen Handlungen. Dieses der menschlichen Psyche in unterschiedlich starker Ausprägung innewohnende Konzept kann auch genutzt werden, um bestimmte Handlungen und Entscheidungen entlang der Customer Journey zu motivieren.

Dies geschieht über unterschiedliche Varianten von Belohnungen. Vergünstigte Folgeangebote als Belohnung für eine Kaufentscheidung gehören ebenso zu diesem Portfolio wie interessante audiovisuelle Reize beim Befüllen des Warenkorbes oder dem Abschluss eines Kaufprozesses. Die Möglichkeit, Produkte als Belohnung für eine Kaufentscheidung zu individualisieren und damit Einzigartigkeit zu kreieren, wird gleichzeitig als Belohnung und als Möglichkeit zur interaktiven Mitgestaltung des Kaufprozesses empfunden.

Ein gern genutztes Gamification-Element ist die Individualisierung des Kundenaccounts, zum Beispiel durch die Erstellung eines persönlichen Avatars, der im Anschluss spielerisch durch nachfolgende Kaufprozesse begleitet. Durch Kaufentscheidungen können Nutzer Punkte sammeln, die wiederum für die zusätzliche Individualisierung ihres Kundenaccounts eingesetzt werden können. So schaffen Unternehmen nicht nur einen Anreiz, weitere Kaufentscheidungen zu treffen, sondern fördern auch ganz automatisch die Kundenbindung.

Gamification bedeutet auch, Inhalte in einen erzählerischen Kontext einzubinden. Spielinhalte können Nutzer besonders lange fesseln, wenn sie in eine gute Geschichte eingebunden sind. Diese Erkenntnis kann auch für ein positives Einkaufserlebnis und eine erfolgreiche Customer Journey genutzt werden. Wird der Besuch eines Web-Shops für den Kunden in einen erzählerischen Kontext eingebettet, zum Beispiel, indem er auf dem Weg zu einer Kaufentscheidung mit mehrwertigen Inhalten versorgt wird, kann dies eine Grundstimmung schaffen, die die Kaufentscheidung positiv beeinflusst. Noch stärker kann dieser Effekt ausgeschöpft werden, wenn Nutzer einzelne erzählerische Elemente interaktiv mitgestalten und ihr Nutzererlebnis damit selbstständig individualisieren können.

Das Portfolio spielerischer Elemente, aus denen Unternehmen für die Gamification in Zusammenhang mit ihrer Customer Journey schöpfen können, ist gross. Innovative Ansätze können das Einkaufserlebnis potenzieller Kunden interessanter gestalten und so spielerisch dafür sorgen, die Absprungrate zu reduzieren und die Conversion Rate zu steigern. Gamificationelemente lassen sich individuell auf das Unternehmen und sein Geschäftsmodell anpassen und bieten so die Möglichkeit, einen dauerhaften Wiedererkennungswert zu schaffen und die Kundenbindung zu verbessern.

Gamification im HR-Bereich: Spielerisch onboarden

Auch auf interne Prozesse kann Gamification als neuer Denkansatz positiven Einfluss nehmen. Der HR-Bereich gehört zu den Abteilungen, die bereits stark mit Gamification-Elementen arbeiten. Sie unterstützen ein erfolgreiches Onboarding ebenso wie eine langfristige Mitarbeiterbindung und Massnahmen zur Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit. Wie wichtig ein erfolgreicher Onboarding-Prozess für die Mitarbeiterbindung ist, zeigt die aktuelle Haufe Onboarding-Studie 2023. Das Unternehmen hat zum sechsten Mal Daten rund um Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterbindung in unterschiedlichen Branchen erhoben und dabei den Fokus auf die Frühfluktuation gelegt. Das Ergebnis der Studie zeigt, dass etwa ein Drittel der befragten Arbeitgeber sich mit Kündigungen vor dem ersten Arbeitstag auseinandersetzen müssen. Die Gründer dafür sind vielfältig. Mit einem frühzeitig angestossenen und nachhaltig gestalteten Onboarding-Prozess können neue Angestellte schnell eine persönliche Bindung zum Unternehmen aufbauen und ein Zugehörigkeitsgefühl entwickeln.

Spielerische Ansätze zur schnellen Integration neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf sozialer und inhaltlicher Ebene werden bereits in vielen Unternehmen erfolgreich genutzt. Digitale Schnitzeljagden durch die Unternehmensinfrastruktur, Einarbeitungstools, die durch persönliche Avatare begleitet werden, ein Fortschritts- und Belohnungssystem, das persönliche Meilensteine und die individuelle Entwicklung von Mitarbeitenden abbildet und den intrinsischen Wunsch nach Wettbewerben und Erfolgen anspricht, all diese Elemente können ein erfolgreiches Onboarding ebenso begleiten wie die langfristige Mitarbeiterzufriedenheit.

Gamification als Förderung der Mitarbeiterbindung kann auch durch Feedbacksysteme oder spielerische Bewertungskonzepte für die Führungsebene umgesetzt werden. Um die Transparenz und die Kommunikation im Unternehmen zu fördern, können Mitarbeitende in Leitungs- und Weisungsfunktionen spielerisch auf die Probe gestellt und über ein Punktesystem oder verschiedene Level von den Mitarbeitenden bewertet werden. Das fördert nicht nur eine offene und kommunikative Unternehmenskultur, sondern kann auch vermitteln, dass Führungspersonen mit ihren fachlichen Fähigkeiten und sozialen Kompetenzen ebenso auf dem Prüfstand stehen, wie andere Mitarbeitende.

Im Bereich Human Resources und Unternehmenskultur kann Gamification eine Schlüsselrolle für mehr Zufriedenheit, Mitarbeiterbindung und Corporate Identity einnehmen. Der Effekt spielerischer Elemente auf interne Prozesse und Interaktionen birgt grosses Potenzial und kann durch eine innovative Umsetzung nachhaltige Veränderungen herbeiführen.

Weiterbildung in Unternehmen: Wie Gamification den Lernerfolg steigert

Aus der Aus- und Weiterbildung in modern aufgestellten Unternehmen mit digitaler Ausrichtung ist die Nutzung von Gamificationansätzen kaum noch wegzudenken. Training on the job, Weiterbildungsmassnahmen, interne Schulungen und gezielte Mitarbeiterförderung machen sich moderne Technologien wie AR- und VR-Tools zunutze.

Die Wissenschaft beschäftigt sich schon lange mit dem Potenzial von spielerischen Inhalten für die Steigerung von Lerneffekten. Verschiedene Studien konnten nachweisen, dass eine spielerische Aufbereitung von Lerninhalten nicht nur die intrinsische Bereitschaft zum Lernen steigert, sondern auch dafür sorgen kann, dass erlernte Inhalte durch die Verknüpfung mit der Unterhaltungsebene tiefer im Gehirn verankert werden und leichter wieder abgerufen werden können. Eine aktuelle Studie des Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft (ZBW) unter der Leitung von Dr. Athanasios Mazarakis und Paula Bräuer, die an 505 Probandinnen und Probanden durchgeführt wurde, zeigte deutlich, dass bereits die Implementierung kleiner spielerischer Elemente den Lernerfolg messbar steigert.

Als besonders effektiv erwiesen sich erzählerische Elemente sowie der Gewinn von Abzeichen und ein entsprechendes Feedback. Lerninhalte, die in ein narratives Gesamtkonzept eingebettet und mit einem Belohnungssystem in Form von Abzeichen oder persönlichen Fortschrittsleisten versehen wurden, konnten demnach mit besonders hohem Lerneffekt verarbeitet werden.

In der Aus- und Weiterbildung wird Gamification als fördernder Faktor in Zukunft immer stärker an Bedeutung gewinnen. Für kleine und mittelständische Unternehmen birgt dieser Ansatz den Vorteil, dass sie digitale Inhalte zur Weiterbildung und Förderung von Mitarbeitern zeit- und kosteneffizient in ihre Prozesse integrieren und mit geringem Mehraufwand langfristig einen hohen Nutzen erzielen können.