Der Inhalt und Umfang einer Softwarepräsentation soll zwischen Anbieter und Interessierten abgestimmt sein. In meinen Projekten löse ich dies jeweils über ein Demo-Skript, das ich mit dem Kunden gemeinsam erarbeite und mit den Präsentatoren abstimme. Mit diesem Schritt wird für beide Parteien klar, was sie von der Gegenseite erwarten können und was nicht.
Gibt es neue Funktionen, welche zu den Anforderungen des Kunden passen, dann könne diese vom Anbieter in der Präsentation gezeigt und ausgelobt werden. Wichtig dabei ist, dass die Erklärungen für die Kundschaft verständlich sind.
Bei der Einführung von ERP-Systemen liegt der Fokus auf den Grundfunktionen. Bevor sich der Kunde mit grossartigen Neuerung der Software auseinandersetzen kann und will, müssen die Grundfunktionen der Kernprozesse im ERP abgebildet sein.
Bevor sich der Kunde z. B. mit der neusten Funktion zur Ermittlung der idealen Einkaufsmengen beschäftigt, wird die bewährte Methodik von Minimalbeständen eingeführt. In meiner Tätigkeit als Berater stelle ich fest, dass Kunden bei ERP-Lösungen neuen Funktionen gegenüber positiv, aber kritisch eingestellt sind. Kann der Kunde überzeugt werden, sich mit der neuen Funktionalität auseinanderzusetzen, können die neuen Funktionen oft ungenügend in die einzuführenden Prozesse integriert werden oder sie sind noch nicht ausgereift. Bei neuen Funktionen und Modulen ist die Bedienung oft zu kompliziert, um diese einem Anwender zuzumuten, der sich gerade mit der neuen ERP-Software auseinandersetzen muss.
Die Einführung neuer Funktionen und Modellen bei Neukunden erfordert von den ERP-Anbieter ein hohes Mass an Engagement und Fingerspitzengefühl. Damit der Kunde bereit ist, sich auf die neuen Funktionen einzulassen, muss er eng begleitet und betreut werden. Die Einführung einer ERP-Lösung durch «Experimente» zu gefährden, ist kritisch. Um die Risiken zu minimieren, braucht es vom Anbieter entsprechende Massnahmen.
Neue Funktionen und Module von ERP-Software können speziell für Neukunden interessant und attraktiv sein. Die Chancen sind hoch, durch Innovation des Software-Anbieters Prozesse und administrative Tätigkeiten zu vereinfachen. Da mit der Einführung einer ERP-Software die Abläufe überarbeitet werden müssen, ist dies der ideale Zeitpunkt, auch Neuerung in der Software zu nutzen. Damit das gesamte Projekt durch die Neuerungen nicht behindert oder gar gefährdet wird, braucht es «Fallbackszenarien», welche mit dem ERP-Anbieter vereinbart werden.
Oft wird entschieden, dass die neuen Funktionen in einer zweiten Phase eingeführt werden. In meiner Tätigkeit als Berater und Projektleiter habe nur wenig Projekte gesehen, in welchen die zweite Phase zeitnah umgesetzt wird – das ist schade, weil damit das Potenzial an Verbesserungen nicht genutzt werden kann.
Problemfeld 3: Widerstand in der Organisation
Bei der Einführung von ERP-Lösung ist in vielen Fällen mit aktivem oder passivem Widerstand in der Organisation zu rechnen. Diese Widerstände gilt es ernst zu nehmen und mit geeigneten Massnahmen zu begegnen.
Mit neuen Funktionen und solchen, die auf KI basieren, kommt eine weitere Dimension dazu. Diese Anwendungen sind unter Umständen noch nicht so stabil und fehlerfrei, wie sich dies ein Anwender wünscht, ja gerade bei Standardsoftware erwarten darf. Die Personen, welche die neuen Funktionen prüfen sollen, sind somit neben den Tests der Standardsoftware zusätzlich gefordert.
Neue Funktionen und Applikationen haben meist noch Fehler oder Funktionen, welche nicht ausgereift sind. Mit dieser «unvollkommenen» Welt müssen sich Anwender parallel zu den Anforderungen des ERP-Projektes kümmern. Dies kann zur Überforderung der beteiligten Personen führen. Das Fazit ist meist, dass die neuen Funktionen nicht eingeführt und «lediglich» die Standardfunktionen der ERP-Software zum produktiven Start umgesetzt werden.
Mögliche Massnahmen
Die Akzeptanz neuer Funktionen bei Anwendern kann mit unterschiedlichen Massnahmen gestärkt werden. Der Software-Anbieter stellt mit seiner Unterstützung und kurzen Antwortzeiten einen sehr wichtigen Faktor dar. Haben die Anwendenden verstanden, dass sie mit Problemen und Fragen nicht alleingelassen werden und sehen, dass die neuen Funktionen ihm einen echten Mehrwert bieten, werden sie mit grosser Wahrscheinlichkeit auch bereit sein, den zusätzlichen Aufwand zu betreiben – und sonst werden sie sich vermutlich von diesem Teil des Projekts abwenden.
Eine andere wichtige Rolle für die Akzeptanz der neuen Funktionen spielen der Sponsor und der Projektleiter des Projektes. Kann man den Anwendern transparent darstellen, wieso die neuen, z.T. aktuell noch nicht ausgereiften Funktionen wichtig für ein erfolgreiches Projekt sind, sind Anwender auch eher bereit, mitzumachen.
Fazit:
Neue Technologien wie KI, innovative Funktionen und Module können auf die Entwicklung und den Nutzen von ERP-Software und den damit unterstützten Prozessen grosse Bedeutung haben. Damit diese Neuerung bei den Kunden eingesetzt werden, müssen diese eine Relevanz im Kontext des Kunden haben. Werden der Kundschaft neue Funktionen zum Testen übergeben, sollte die Integration in die geplanten Prozesse gut gelöst und die Bedienbarkeit schon auf hohem Niveau sein. Die zusätzlichen Projektrisiken sollen mit Alternativ-Szenarien gemeinsam mit dem Kunden reduziert werden.
Der zusätzliche Aufwand für die Tests und Abnahme der neuen Funktionen soll durch Projektleitung und Sponsor des ERP-Projektes von den Anwendern unter Darstellung des Nutzens eingefordert werden. Werden neue Funktionen in eine Phase nach dem produktiven Start verschoben, so sollten diese nach dem Go-live und der Stabilisierungsphase umgesetzt werden.
Der Autor
Roger Busch unterstützt als Inhaber von busch-consulting GmbH und Mitglied des topsoft Consulting-Netzwerks Unternehmen bei der Auswahl und Einführung von Business Software.
www.busch-consulting.ch
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Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 24-2
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