Die Zeichen stehen auf Veränderung. Zerbröckeln die einstigen ERP-Monolithen zu Kieselsteinen? Wird das ERP zum Magnetfeld für digitale Trabanten? Oder wächst und behauptet sich das ERP-Universum weiterhin? Fragen, die sich früher oder später auch im KMU-Umfeld niederschlagen. Spätestens dann, wenn es um die Evaluation einer neuen Unternehmenslösung geht, müssen die Anbieter Farbe bekennen.
Man nehme eine einfache Lagerverwaltung, ergänze diese um Kundenaufträge, füge die Finanzbuchhaltung dazu, runde diese mit einer Ressourcenplanung ab, lasse es köcheln und füge je nach Wunsch noch eine Prise CRM, ECM, BI oder KI hinzu. Nach diesem Rezept sind über Jahrzehnte mächtige ERP-Systeme entstanden. Kaum ein Anwenderbedürfnis, das unerfüllt bleibt.
Allerdings nur bis zu einem gewissen Grad, denn solche digitale Imperien aufzubauen und am Leben zu erhalten, braucht enorme Ressourcen. Mancher Universalsoftwarehersteller begnügt sich mit einem minimalen Funktionsumfang. Man kann Vieles, aber eben doch nicht Alles. Hier schlägt die Stunde der Best-of-Breed-Anbieter. Das beste CRM, das beste DMS, die beste Buchhaltungssoftware – alles mit einem Wust an feingranularen Funktionen. Der Haken dabei: Die Lösung muss irgendwie über Schnittstellen, Webservices usw. an die zentrale Unternehmenslösung angehängt werden.
(Symbolbild: onephoto-adobestock)
Nicht lustig für Anwender
Schon bei der Auswahl einer passenden Unternehmenslösung stehen Anwender vor dem Dilemma Gesamtlösung vs. Best-of Breed. Wir müssen nicht lange darum herumreden: Beide Ansätze bieten Vor- und Nachteile. Auf der einen Seite fehlt die applikatorische Tiefe, auf der andern die durchgängige Integration. Für Anwender ist dieses Dilemma alles andere als lustig. Schlussendlich geht es um eine für das Unternehmen strategisch wichtige Entscheidung, andererseits aber auch um ziemlich viel Geld. Es stellen sich Fragen wie: Bremsen wir die Geschäftsprozesse und -entwicklung durch mangelnde Softwarefunktionen? Oder erschweren wir das digitale Lean Management durch unnötige Insellösungen? Auf welches Pferd setzen wir für die digitale Zukunft unserer Firma?
You’ll never walk alone…
Ein Trost: Wer mit diesen Fragen konfrontiert ist, zählt zur Mehrheit von Unternehmen. Die Problematik zieht sich von einer Gesamtperspektive (häufig in kleinen und mittleren Betrieben anzutreffen) bis hin zu einer anwendungsspezifischen Problematik (meistens bei grösseren Firmen). In diesem Sinn dürfen Sie sich gut aufgehoben fühlen in einer andauernden, branchenübergreifenden Diskussion um den bestmöglichen Ansatz.
Der Nachteil dabei ist, dass es bisher keine generelle Antwort auf diese Thematik gibt. Jedes Unternehmen ist nach wie vor gefordert, eine eigene Lösung zu finden. Allerdings gibt es seit einiger Zeit einen Lichtblick am Horizont in Form einer eierlegenden Wollmilchsau. Immer mehr ERP-Hersteller nehmen sich als zentrale Datenplattform für Unternehmen wahr, mit vielfältigen Optionen für die Integration und den direkten Datenaustausch mit Drittanwendungen. Zerbricht das ERP-Universum allmählich in einzelne Applikations-Trabanten?
ERP-Universum im Umbruch
Basierend auf vielen Gesprächen mit Herstellern von ERP-Software entsteht der gefühlte, daher subjektive Eindruck, dass sich das ERP-Universum derzeit im Umbruch befindet. Einerseits ist man sich bewusst, dass die Software zentral alle Datenströme im Unternehmen vereint. Andererseits will man diese Daten mit Drittapplikationen verbinden. Wir alle haben auf unseren Smartphones viele Apps, welche unseren individuellen Bedürfnissen entsprechen. Das Hinzufügen oder Löschen solcher Apps ist in Sekundenschnelle getan.
Nicht ganz so einfach, aber in ähnlicher Form stellen sich immer mehr ERP-Anwender ihre Unternehmenslösung der Zukunft vor. Gerade die Generationen Y und Z können es sich kaum noch vorstellen, an eine bestimmte Software gebunden zu sein. Ich persönlich freue mich, dass immer mehr Hersteller auf diese Veränderung reagieren. Genau das macht IT zur Kreativdisziplin für jedes Business.
Der Autor
Christian Bühlmann ist Chefredaktor des topsoft Fachmagazins. Er ist Spezialist für Content Produktion und Marketingstrategien und seit über 30 Jahren in verschiedenen Funktionen im IT-Business tätig.
www.topsoft.ch
Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 22-1
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