In produzierenden Unternehmen hat die Prozessautomatisierung und deren Unterstützung durch IT eine lange Tradition. Dienstleister sind in dieser Hinsicht oft noch weniger weit. Dies liegt einerseits an den zu Fertigungsbetrieben unterschiedlichen Prozessen, andererseits ist aber auch kein Standard eines «Dienstleistungsprozesses» auszumachen. Die methodische Evaluation einer Business-Software über die individuellen Prozesse empfiehlt sich daher gerade auch in diesem Bereich.
Der grosse Unterschied bei der Dienstleistungsbranche zu anderen Wirtschaftsbereichen ist in der Immaterialität und der Integration des Kunden in die Leistungserstellung zu sehen. Entsprechend ist die Softwareunterstützung zu positionieren. Von den hergebrachten Softwaremodulen ist am ehesten ein starkes CRM gefragt, greift aber auch zu kurz – insbesondere bei hybriden Produkten, welche physische Produkte mit einer Dienstleistung kombinieren. Unternehmen mit hybriden Produkten weisen sehr vielfältige Prozesse auf, die gleichzeitig Produktion, Handel und Dienstleistung betreffen können. Diese Vielfalt an Aufgaben ruft nach einer entsprechend breiten Softwareunterstützung, die allerdings nicht in jedem Bereich so tief gehen muss wie in den spezialisierten Handels- oder Produktions-Firmen. Da es sich oft auch gerade um kleinere Unternehmen handelt, sind universell einsetzbare ERP-Systeme gefragt, die eine sehr breite funktionale Palette aufweisen und die Kosten pro User trotzdem einigermassen bescheiden halten.
Der Fokus bei den Dienstleistungsunternehmen liegt oft auf der Projektführung, dem Dokumentenmanagement und der Kommunikation mit verschiedensten Stellen. Die IT kann hier Funktionen zur Verfügung stellen und personalintensive Abläufe automatisieren. Ein leistungsfähiges CRM ist unabdingbar und unterstützt von der Akquisition bis zur Erledigung von Reklamationen. Falls Dienstleistungen bei Kunden vor Ort erbracht werden, müssen Funktionen auf mobilen Geräten verfügbar sein. Beispielsweise kann es sinnvoll sein, wenn Arbeitsrapporte noch auf der Baustelle vom Auftraggeber direkt auf dem Tablet-Computer unterzeichnet werden. Ein gut geführtes DMS mit Zugriff übers Internet kann enorme Arbeitserleichterungen im Servicegeschäft ermöglichen.
Projektverwaltung oft im Mittelpunkt
Eine besondere Bedeutung kann der Projekt-Funktionalität zukommen. Falls länger dauernde Dienstleistungen mit einer überschaubaren Anzahl Kunden durchgeführt werden, so bietet das Projekt eine funktionale Klammer um alle zugehörigen Daten. Alle beteiligten Personen und sämtliche Angebote, Aufwände, Erträge, Kommunikation, etc. liegen im Projekt überschaubar vor. Möglich wird die Abrechnung der Leistungen auf das Projekt mit wenigen Handgriffen auf Grund der Zeiterfassung aller Beteiligten. Um die Kostentransparenz über die ganze Dienstleistungsfirma zu erhalten, kann es sich empfehlen, sämtliche Aktivitäten als Projekt zu führen. Dies gilt auch, wenn diese als Auftraggeber eine interne Stelle aufweisen und keine Rechnung gestellt werden kann.
Neben der IT-Funktionalität für Projekte muss auch das Unternehmen selbst auf das Projektgeschäft ausgerichtet sein. Dies bedeutet oft, dass relativ wenig Arbeitsteilung möglich ist und von der Akquisition bis zum abgerechneten Projekt eine einzelne Person die umfassende Verantwortung gegenüber dem Kunden wahrnimmt. Um diesen Job zu ermöglichen, braucht es Transparenz über das Budget und Kosten, den Ablauf, die Personalressourcen, die Kommunikation etc. Bei vielen ERP-Systemen ist der Projektgedanke kaum verankert, sondern eher ein Zusatz, welcher nicht stringent durch alle anderen Funktionen durchläuft.
Durchgängige Serviceprozesse sind gefragt
In erster Linie muss das Serviceunternehmen sehr gut Bescheid wissen über die zu wartenden oder zu reparierenden Geräte beim Kunden; das kann entscheidend sein um effizient und schnell zu agieren. Je wichtiger die Geräte für den Kunden sind und je anspruchsvoller die installierte Technik ist, desto zentraler wird es, dass das Serviceunternehmen den Gerätestamm seiner Kunden jederzeit genaustens kennt. Servicefälle erhalten eine Fallnummer (Ticket), über welche die Aktivitäten koordiniert werden. Eine Wissensdatenbank kann die schnelle telefonische Auskunft spezifisch auf ein Produkt bezogen unterstützen. Eventuell möchte man den Status mitsamt den zugehörigen Dokumenten online zur Verfügung stellen, dann ist die Integration in ein Webportal gefragt. Serviceverträge, welche bestimmte Leistungen garantieren, werden gegenüber dem Kunden vertraglich abgestützt mit SLAs. Das IT-System kann Service-Einsätze vorschlagen und Buch darüberführen, ob und wie das jeweilige SLA eingehalten wird. Auch diese vielfältigen Funktionen können durchaus von einigen ERP-Systemen im Standard abgedeckt werden. Wird mit spezialisierter Software der Betriebsstatus der zu verwaltenden Anlagen zurückgemeldet, so erhält man ein umfassendes Bild und ist jederzeit auskunfts- und hoffentlich auch handlungsfähig.
Die Vermietung von Material oder sich periodisch erneuernde Dienstleistungsverträge stellen interessante Anforderungen. Beispielsweise müssen Vertragsdokumente mit Aufgaben verbunden sein, so dass eine einstellbare Zeit vor Vertragsablauf eine Aktivität ausgelöst wird. Geht es um das Vermieten oder um das befristete Lizenzieren von Software, so kommt das Lizenzmanagement dazu und der Wunsch, diese Aktionen gleich über den Webshop abzuwickeln. ERP-Systeme mit integriertem Webshop, Kundenportal und Funktionen, welche eine zeitliche Steuerung von Aktivitäten ermöglichen, werden als Standardsoftware angeboten. Auch das automatische Generieren von Lizenzcodes, Verwalten von Passwörtern über das Webinterface und ähnlichem mehr bedingt keine speziellen Entwicklungen mehr. Hingegen ist in jedem Fall einiges an Anpassung notwendig, speziell um Webshops und -portale auf die jeweiligen Bedürfnisse auszurichten.