Einen Onlineshop aufzuschalten macht noch keine E-Commerce-Erfolgsstory. Erste Schweizer Onlineanbieter gehen die nächsten Schritte: Weg vom Produktfokus, weg vom Alleingang, hin zu neuen Fähigkeiten, wie es grosse internationale Player vormachen. Digitale Transformation ist ein Prozess, den verschiedene Branchen in unterschiedlichem Tempo durchlaufen. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Übernachtungsgewerbe identifiziert typische Entwicklungen, Konfliktfelder und Lösungsansätze, die auf andere Branchen übertragbar sind. Im Zentrum steht der Kampf um den Zugang zum Kunden.

Der E-Commerce Report Schweiz untersucht seit 2009 Stellenwert, Wandel und Trends im Vertrieb an Endkonsumenten – als einzige Studienreihe aus Sicht der Anbieter. Realisiert wird die Befragung vom Online-Zahlungsverarbeiter Datatrans und der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW.

Konzentration bei starken Anbietern im In- und Ausland

Zwar legte der Onlinehandel in der Schweiz im Jahr 2016 um weitere 8% zu, aber vom Marktwachstum profitieren längst nicht alle Onlineanbieter. In vielen Branchen wächst die Dominanz einiger weniger E-Commerce-Anbieter. Die grössten Profiteure sind weiterhin einige wenige Onlinemarken aus dem Ausland – insgesamt legten ausländische Onlineanbieter in etwa doppelt so stark zu wie inländische.

„Die seit Jahren anhaltenden Marktanteilsverluste an ausländische E-Commerce-Anbieter sind bedenklich“, erklärt Studienautor Wölfle. „Online sind die Grenzen niedriger. Im E-Commerce ist der Auslandsanteil bereits doppelt so hoch wie im stationären Handel.“

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Zunehmende Dynamik im Schweizer E-Commerce

Die Dynamik im Schweizer E-Commerce ist nochmals gestiegen. Grund dafür sind die gross angelegten Investitionsprojekte Galaxus (Migros) und Siroop (u.a. Coop). Als Onlinemarktplätze wollen sie mit unterschiedlicher Ausprägung die Potenziallücke nutzen, die aus dem zögerlichen Engagement von Amazon in der Schweiz entsteht. Auch BRACK.CH weitet sein Angebot durch Partnerschaften weiter aus: In der neuen Rolle als Intersport-Fachhändler werden die Kernkompetenzen für den E-Commerce erstmals auch bei textilen Sortimenten eingesetzt.

Einsicht in den Verlust des Kundenbesitzes

Bei vielen traditionellen Händlern ist das Bild der „eigenen“ Kunden tief verwurzelt. Die mit Smartphones einhergehende Ortsunabhängigkeit und Marktransparenz hat an dieser „Ehe“ gerüttelt. Viele Onlinedienste unterstützen gerade die Vorbereitung von Einkäufen besser, als einzelne Anbieter das je tun könnten. Entsprechend ändern Kunden ihre Gewohnheiten – und Anbieter verlieren ihre Kunden in dem Sinn, dass sie nicht mehr deren bevorzugte Anlaufstelle für bestimmte Bedürfnisse sind. Besonders schmerzlich ist diese Entwicklung für das Übernachtungsgewerbe, das aktuell immer mehr Direktbuchungen an Onlineplattformen verliert.

Neue Zugänge zu Kunden – Einstieg in die Digitale Transformation

Der Abschied vom Anspruch auf die Kunden führt zu neuen Haltungen und Geschäftspraktiken, wenn man die Instrumente der Digitalisierung versteht. Anstelle den Kunden passiv zu empfangen, gehen erfolgreiche Anbieter aktiv auf ihn zu. Der Weg dazu ist die Datenanalyse. Aus ihr lassen sich die Situationen erkennen, in denen Kunden etwas wollen, was der Anbieter ihnen bieten kann.

„Was im stationären Handel die teure Lage ist, ist im E-Commerce der Suchbegriff“, erklärt Studienautor Wölfle. „Kunden online in genau den Momenten zu identifizieren, in denen sie einen Bedarf haben, ist die Königsdisziplin im Online Marketing.“

Agilität statt langjähriger Mietverträge

Wenn Kaufentscheide aus dem Moment heraus immer wieder anders gefällt werden und feste Muster sich auflösen, bleibt auch den Anbietern keine Alternative, als sich auf kontinuierlich ändernde Anforderungen einzustellen. Das erfordert agile Organisationen. Neben effizienten Entscheidungen, die primär kennzahlenbasiert gefällt werden, bedarf es einer hohen Technologiekompetenz, um neue Lösungen schnell implementieren zu können. Ausserdem bedarf es der finanziellen Mittel für Experimente sowie die Bereitschaft, auch Misserfolge hinzunehmen.

Anhaltende Leistungssteigerungen in der Logistik

Zuverlässigkeit, Schnelligkeit und Flexibilität – an diesen Merkmalen der E-Commerce-Logistik wird intensiv gearbeitet. Die Lösungen dazu differenzieren sich immer weiter aus. Anbieter fragen sich, welches Leistungsniveau heute notwendig ist, welche Kosten sie dafür tragen können und wo sie sich allenfalls sogar durch Logistik im Wettbewerb differenzieren können. Für die Kunden werden die Zustelloptionen immer vielfältiger.

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Kanalübergreifende Geschäftskonzepte weiterhin von hoher Bedeutung

Anbieter bauen weiterhin physische und digitale Touchpoints auf. Doch die dahinterliegenden Multikanalkonzepte sind häufig noch nicht ausgereift. Nur wenige Anbieter schaffen es, eine durchgängige, kanalübergreifende Customer Experience zu bieten. Komplexität und Kosten der Organisationsanpassungen spielen dabei eine Rolle, aber als wirklich erfolgskritisch werden heute fehlende Strategien und das Mitziehen der Mitarbeitenden angesehen.

Neuer Schub im Mobile Payment

Im Schweizer Markt für mobile Zahlungssysteme stehen immer mehr Verfahren zur Verfügung. Sehr erfolgreich haben sich die Händler-Wallets verbreitet – native Apps mit integrierter Zahlungsfunktion. Besonders häufig werden sie im Ticketing eingesetzt. Bei der SBB hat der Smartphone-Umsatz 2016 den Onlineumsatz bereits überholt. Offene mobile Zahlungslösungen wie Twint oder Apple Pay stehen dagegen noch am Anfang. Die Schweizer Händler sind mit der Implementierung zurückhaltend. Zu viel Unsicherheit resultiert aus der Haltung der Twint-Banken.

Onlinehandel wächst weiter

Mancher stationäre Händler wäre froh, wenn sich die Umsatzverlagerung hin zum E-Commerce erschöpfen würde, aber das ist nicht abzusehen. Für das laufende Jahr erwarten drei Viertel der Teilnehmer des Studienpanels ein Wachstum des E-Commerce in ihrer Branche um 5% oder mehr. In der Fünfjahresperspektive erwarten knapp 40%, dass der E-Commerce-Anteil in ihrer Branche im Vergleich zu heute mindestens um die Hälfte zulegen wird.

Digitale Transformation im Übernachtungsgewerbe

Das Übernachtungsgewerbe, infolge der Euroabwertung ohnehin seit Jahren unter Druck, tut sich schwer mit der Digitalen Transformation. Zwar sind die Mechanismen, die dem Erfolg von Online-Buchungsplattformen zugrunde liegen, seit zwei Jahrzehnten bekannt. Auf das Ausmass des Verlusts an Direktbuchungen ist das Gewerbe in dieser Branche – wie in vielen anderen auch – trotzdem schlecht vorbereitet. Die politische Motion Bischof soll die Misere lindern. Ob sie das bewirken kann, daran herrschen im Studienpanel erhebliche Zweifel. Einfache Lösungen für diese Branche liegen nicht auf der Hand.

Themen im E-Commerce Report Schweiz 2017

  • Standortbestimmung für den Schweizer E-Commerce im Jahr 2017
  • Attraktivität des Handels für Investitionen
  • Kanalübergreifende Handelskonzepte
  • Aktuelle Entwicklungen in der Logistik
  • Aktuelle Entwicklungen bei Onlinemarktplätzen (Stichworte: siroop, Galaxus, BRACK.CH, Amazon, Zalando)
  • Jahresschwerpunkt: Digitale Transformation im Übernachtungsgewerbe (Stichworte: Buchungsplattformen, Metasuchmaschinen, Google, Airbnb, Vertriebskosten, Preisbindung, Motion Bischof)
  • Aktivitätsschwerpunkte im Jahr 2017
  • Ausblick für den Schweizer E-Commerce für fünf Jahre auf 2022

Die Studie kann hier kostenlos angefordert werden: www.e-commerce-report.ch/bestellungen

Über die Studie

Ziel

Der E-Commerce Report Schweiz untersucht jährlich Stellenwert, Wandel und Trends des vernetzten Handels – als einzige Schweizer Studie aus Sicht der Anbieter.

Methodik

  • Langzeitstudie, jährlich wiederholt, seit 2009
  • Empirisch, primär qualitativ
  • Erhebung: Expertengespräche und Fragebogen
  • Erhebungszeitraum: 13. Dezember 2016 bis 21. April 2017

Stichprobe

  • 36 potenziell marktprägende Online- und Multichannel-Anbieter von Konsumgütern und Dienstleistungen mit Sitz in der Schweiz
  • Zusammen repräsentieren sie ein E-Commerce-Volumen von über 4,7 Mrd. CHF
  • Auswahlkriterien: mehrjähriger Erfolgsausweis im E-Commerce, Bedeutung in der Branche, Neuigkeitsgrad des Geschäftsmodells
  • Liste der Studienteilnehmer: www.e-commerce-report.ch/panel

Realisation

Institut für Wirtschaftsinformatik der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW im Auftrag von Datatrans, dem führenden Schweizer Spezialisten für Internet-Zahlungen.

Studienleitung

Prof. Ralf Wölfle, Fachhochschule Nordwestschweiz
Leiter Kompetenzschwerpunkt E-Business