Die vergangenen Monate haben sehr deutlich gezeigt, dass Unternehmen viel rascher und besser reagiert haben, wenn sie die Digitale Transformation bereits vorgängig in einer Form in Angriff genommen haben. Ein wichtiger Faktor dafür ist der Verwaltungsrat. Wenn sich niemand im VR mit digitalen Themen auskennt, lohnt sich die Einführung eines Digital Beirats.
Unabhängig der Ausnahmesituation um Corona, haben sich die Ansprüche an Unternehmen in den letzten Jahren enorm gewandelt. Doch die die meisten Verwaltungsräte und Geschäftsführer führen ihre Unternehmen weiterhin mit antrainierten Denk- und Handlungsmustern aus der Vergangenheit. Sie stützen sich dabei auf ihre Erfahrung im Aufbau oder der Optimierung eines Geschäfts – jedoch nicht in der Digitalisierung. Doch es ist (gem. OR 716a) die nicht übertragbare Aufgabe des Verwaltungsrats, das Unternehmen für die Zukunft fit zu halten.
Will man der im Juni publizierten BDO Verwaltungsratsstudie Glauben schenken, so finden Verwaltungsräte von Schweizer KMUs die Digitalisierung zwar durchaus wichtig, sehen aber kaum Bedarf, jemanden mit Bezug auf die Digitalisierung ins Gremium zu holen. Mit Studien ist es aber wie mit den vielen Köchen… So hat nämlich die Studie der Beratungsfirma Deloitte und der Hochschule Luzern im Sommer 2019 herausgefunden, dass 45 % der Unternehmen ihren VR mit Personen ergänzen wollen, welche Spezialwissen im Bereich Digitalisierung aufweisen.
Veränderung
Leider sind viele Begriffe der «Digitalisierung» nicht eindeutig. Es empfiehlt sich daher, im Unternehmen gemeinsame Definitionen zu finden.
Die Digitalisierung ist längst kein Trend mehr. Trotzdem ist sie ein komplexes Thema und verlangt vom Führungsgremium neue Herangehensweisen. Nur verwalten ist nicht mehr möglich, es braucht Pioniergeist. Der klassische Verwaltungsrat mit einem breiten Branchenwissen, juristischen oder finanztechnischen Kompetenzen ist daher nicht mehr adäquat. Hier sind die Verwaltungsratspräsidenten genauso gefordert wie auch die Executive Search Unternehmen.
Guido Schilling von der schilling partners ag glaubt insbesondere, dass «die digitale Transformation in erster Linie nach Personen verlangt, die Erfahrung im Umgang mit umfassenden Veränderungsprozessen mitbringen und sich durch besonnene Entscheide unter Ungewissheit hervorgetan haben.»
Führung – nicht Technologie – ist entscheidend
Ein Patentrezept zur Digitalisierung gibt es leider nicht. Gemäss den Professoren Michael L. Tushman (Harvard) und Charles A. O’Reilly (Stanford) ist es jedoch erwiesen, dass «jedes Unternehmen, das bis anhin gescheitert ist, nie wegen deren Technologie gescheitert ist, sondern wegen Versagen in der Führung.» (Buchtipp: Lead and disrupt: How to solve the innovator's dilemma)
Auf operativer Ebene ist die Digitalisierung längst angekommen. Man hat neue Systeme angeschafft, digital-affine Mitarbeiter eingestellt, Digitales Marketing entwickelt etc. Viele haben aber unterdessen erkannt, dass es eben nicht nur um die Implementierung von neuer Hard- und Software geht.
"Die Digitalisierung bewältigt man nicht indem man einen Webshop aufsetzt, Microsoft 365 einführt, einen SAP-Vertrag unterschreibt oder eine tolle App lanciert."
Es geht um das Überdenken von Rollen und Kompetenzen, die Art und Weise der Zusammenarbeit und um eine neue Denk- und Wertehaltung. Digitale Projekte ermöglichen eine Auseinandersetzung, doch wenn diese Diskussionen und Entscheide nur auf operativer Ebene geführt werden, so ist ein Bruch im Unternehmen vorprogrammiert. Gerade deswegen ist es umso wichtiger, dass Digitale Kompetenzen in das oberste Führungsgremium geholt werden.
Digital Beirat
Hat ein Verwaltungsrat oder die Geschäftsleitung kein Mitglied mit digitalen Kompetenzen, bedeutet es nicht automatisch, dass das Unternehmen die Digitalisierung nicht meistert. Insbesondere aufgrund der Halbwertszeit digitaler Technik und digitalen Wissens, darf man durchaus die Frage stellen, welche Führungskräfte überhaupt in der Lage sein müssen, diesen Zyklen zu folgen. Jedoch ohne entsprechende Kompetenz erscheint es beinahe schon fahrlässig zu glauben, man würde die Digitalisierung erfolgreich meistern.
„Um den Wandel erfolgreich herbeizuführen, empfiehlt sich die Entwicklung eines Beirats.“
Ein Digital Beirat unterstützt den Verwaltungsrat und die Geschäftsführung bei den vielfältigen Themen rund um die Digitalisierung. Er ist Sparringpartner und ermöglicht eine neutrale Zweitmeinung. Zudem schlägt er die Brücke zum operativen Team, initiiert und begleitet Projekte. Der Digitalrat stellt explizit unbequeme Fragen, darf kein Branchen-Nerd sein und muss seine Unabhängigkeit ausweisen.
Mit einem Digital Beirat kann sich der gesamte Verwaltungsrat also über Chancen und Gefahren der Digitalisierung austauschen, neue Geschäftsmodelle, disruptive Technologien und alternative Arbeitsmethoden erklärt bekommen. Gleichzeitig werden so Denkmuster hinterfragt und eine schrittweise Veränderung findet statt, ohne dass die traditionellen Werkzeuge verdrängt werden. "Digitale Kompetenz" wird so gemeinsam, und aufs Unternehmen abgestimmt, nachhaltig erarbeitet.
Kevin Klak unterstützt Unternehmen im Spannungsfeld der Digitalisierung mit Fokus auf strategische Konzeption und Umsetzung. Sei es als unabhängiger Beirat für Geschäftsleitung und Verwaltungsrat oder ad Interim in der Umsetzung von strategischen Initiativen. Er ist Mitglied des Digitalrats, einem unabhängigen Netzwerk von Digital-Experten. www.digitalrat.ch
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