Rund 70 Prozent der befragten Personen berichten von Erfahrungen mit ethisch umstrittenen Projekten im Unternehmen. Das zeigt die Auswertung des «Stimmungsbarometers Digitale Ethik». Gleichzeitig wird sichtbar, dass die Relevanz ethischer Geschäftspraktiken von der Geschäftsleitung anerkannt wird.
Die Mehrzahl der Befragten berichtet von Erfahrungen mit ethisch umstrittenen Projekten im Bereich des Datenmanagements. Dies betrifft vor allem den Umgang mit gesammelten Daten, welche Datenanalysen und -auswertungen unter Einbezug von Kundendaten ermöglichen (77 %). Weitere Erfahrungen mit umstrittenen Projekten beinhalten Massnahmen, die zur Überwachung der Mitarbeitenden am Arbeitsplatz beitragen (33 %), sowie der Umgang mit neuen Technologien wie Gesichts- und Stimmerkennung (32 %). (Grafik 1)
Erwartungen an Unternehmen
Für die Befragten ist klar, dass die ethischen Aspekte der Digitalisierung reputationsrelevant sind. Deshalb beschäftigen sich die Schweizer Unternehmen bereits heute stark mit den Erwartungen der Gesellschaft, zum Beispiel nach einer verständlichen und transparenten Kommunikation im digitalen Raum. Hinzu kommen bald neue Regulierungen, denen sie sich bewusst sind. Dazu gehören insbesondere das verschärfte Datenschutzgesetz in der Schweiz, welches schon bald in Kraft tritt, sowie das Gesetz der EU zur Regulierung von Anwendungen von Künstlicher Intelligenz.
Mehrere Unternehmen haben bereits reagiert und ethische Themen in interne Dokumente und Prozesse integriert: Die Vorgaben sind Teil des Datenmanagements oder der Datenstrategie. Wichtig sind auch Ethik-Richtlinien sowie Vorgaben für die Entwicklung neuer Produkte. Generell bestätigt sich der Trend: An vielen weiteren Orten sind ethische Vorgaben geplant – unabhängig von der Grösse des Unternehmens.
Kundenvertrauen ist Chefsache
Erfreulicherweise sind die Erwartungen an vertrauenswürdige Produkte und Dienstleistungen auf der Chefetage präsent: 42 % der Befragten nehmen die Geschäftsleitung als wichtigen Befürworter war, wenn es darum geht, auch im digitalen Raum verantwortungsvoll zu handeln. Die wichtigsten Treiber sind aber Personen mit Bezug zum Datenschutz (68 %) und zur Unternehmensverantwortung (56 %). Dahinter folgen bei grossen Unternehmen die Digital- und Innovationsverantwortlichen, bei kleineren Firmen sind es Inhaberinnen und die Kommunikation.
Spannend ist auch eine weitere Erkenntnis: Für jede vierte Person ist nicht immer ganz klar, ob die datenbasierten Innovationen wirklich ein Problem lösen und im Interesse der Kundinnen und Kunden sind. Auch bei der Automatisierung gewisser Prozesse bestehen Zweifel, ob sie wirklich funktionieren. Dies unterstreicht die Wichtigkeit, dass Innovationen kein Selbstzweck sein sollten. Es lohnt sich, Geschäftspraktiken mit ethischen Richtlinien in Einklang zu bringen, welche die Werte des Unternehmens widerspiegeln.
Gute Kundenbeziehungen
Wer verantwortungsvoll mit Daten und neuen Technologien umgeht, investiert nicht nur in gute Kundenbeziehungen (74 %). Die Unternehmen versprechen sich davon auch einen Wettbewerbsvorteil, indem sie von einem positiven Image profitieren (68 %) und Risiken reduzieren (66 %). Bei vielen kleineren Unternehmen steht die innere Überzeugung sogar an erster Stelle. (Grafik 2)
Für die Umsetzung konkreter Massnahmen benötigen Unternehmen allerdings Hilfsmittel wie Standards oder Checklisten. Hier besteht Handlungsbedarf. Entsprechend wertvoll sind Initiativen der Schweizer Wirtschaft, zum Beispiel das Data Fairness Label vom Verband Swiss Insights oder das Digital Trust Label der Swiss Digital Initiative. Die Studie zeigt gleichzeitig, dass es flächendeckend an notwendigem Wissen fehlt, wie Digitale Ethik im eigenen Unternehmen integriert werden kann.
Interner Wissensaufbau
Die Mehrzahl der Unternehmen sensibilisiert Mitarbeitende und Führungskräfte für ethische Themen oder es ist geplant. Immer grösserer Beliebtheit erfreuen sich auch Aus- und Weiterbildungen. Denn nur wer sich mit der Digitalisierung auseinandersetzt, kann die damit verbundenen Chancen, Risiken und Nebenwirkungen erkennen – und verantwortungsvoll handeln. Digitales und ethisches Wissen aufzubauen stärkt gleichzeitig die Position als attraktive Arbeitgeber, so ein weiteres Fazit der Studie.
Zur Studie
Das «Stimmungsbarometer Digitale Ethik» misst die digitale Verantwortung von Unternehmen in der Schweiz. Die Studie hat das Centre for Digital Responsibility (CDR) zusammen mit der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) durchgeführt. Autorin ist Cornelia Diethelm, Studiengangsleiterin CAS Digital Ethics an der HWZ. An der Umfrage, welche von Mitte November bis Ende Dezember 2021 durchgeführt worden ist, haben sich 225 Teilnehmende beteiligt. Zukünftig sind jährliche Durchführungen geplant. Für Interessierte steht die gesamte Studie auf der Website der HWZ unter News als
Download zur Verfügung.
Die Autorin
Cornelia Diethelm gestaltet den digitalen Wandel an der Schnittstelle von Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft aktiv mit. Dazu gehört insbesondere der Aufbau des
Centre for Digital Responsibility. Ziel ist es, Brücken zwischen der Wirtschaft und den Erwartungen der Gesellschaft zu bilden sowie strategische Trends frühzeitig zu erkennen. Dieses Wissen gibt sie auch als Studiengangsleiterin und Dozentin für Digitale Ethik an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) weiter. Ausserdem ist sie Mitinhaberin der Datenschutzpartner AG.
Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 22-1
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