Die Smart Factory in der KMU-Realität – Chancen und Möglichkeiten

18.06.2021
6 Min.
Für Fertigungsunternehmen ist die Digitalisierung inzwischen Thema Nummer eins. Warum eigentlich? Nur, weil alle davon sprechen, muss man sich nicht von bestehenden Strukturen und klassischen Prozessen trennen. Oder doch? KMU erwarten vom digitalen Wandel einen konkreten Nutzen. Dazu braucht es klare Vorstellungen und Ziele. Die Devise lautet: Das Mögliche mit dem Machbaren verbinden.
 
Es grenzt schon an Verwegenheit, Sinn und Umfang der Digitalisierung auch nur annähernd in Frage zu stellen. Dabei wäre das in vielen KMU dringend nötig. Nicht als Grundsatzdebatte, sondern als konstruktive Diskussion über den individuell besten Weg in die digitale Zukunft. Diese bietet entscheidende Wettbewerbsvorteile, das ist unbestritten. Gerade in KMU gilt es aber sorgfältig abzuwägen, welche Möglichkeiten wann und wie genutzt werden sollen. Schliesslich ist die Bandbreite enorm und reicht von einfachen Cloud-Services bis zu komplett autonomen Produktionsanlagen. 
 
Abbildung: Das Modell der Smart Factory beruht auf der Vernetzung intelligenter Systeme, eingebettet in entsprechende Prozesse und gesteuert über Daten und Algorithmen. Im Zentrum steht das jeweilige Geschäftsmodell bzw. der Business Case. (Bild: myfactory)
 

Das Ziel zu kennen, ist die halbe Miete

Für ein KMU kann es sinnvoll sein, die Maschinenbestückung nicht zu digitalisieren, da das vorhandene menschliche Wissen und das flexible Umdenken der Mitarbeitenden jede Automatisierung übertreffen. Umgekehrt können aber auch viele Routineaufgaben, wie z. B. die Vergabe von Chargennummern, Rückmeldungen produzierter Mengen oder die Dokumentenerstellung (Einlagerungsbelege, Barcodes usw.) mit grossem Gewinn digital vorgenommen werden. Entscheidend sind die individuellen Anforderungen und Möglichkeiten jedes einzelnen Betriebs. Das herauszufinden, ist die halbe Miete. 
 
 

Erst der Bedarf, dann die Strategie

Die Klärung des digitalen Bedarfs beruht auf Zielen, Wünschen und Visionen. Zu berücksichtigen sind die Ist-Situation, die vorhandenen Möglichkeiten und das angestrebte Geschäftsmodell bzw. der Business Case. Dabei zählt nicht Wunschdenken, sondern eine ehrliche Auseinandersetzung mit den realen Gegebenheiten. 
 
Motivation für digitalisierte Fertigungsprozesse sind in den meisten Fällen die Produktivitätssteigerung, die Erfüllung regulatorischer Vorgaben (z. B. ökologischer Nachweis, Rückverfolgbarkeit), veränderte Kundenbedürfnisse und natürlich eine optimierte Wirtschaftlichkeit. Wie sieht das in Ihrem Unternehmen aus? Wo drückt der Schuh? Was möchten Sie verbessern? 
 
Betrachten Sie Ihre Digitalisierungsprojekte immer aus zwei Perspektiven: 
  1. Was können Sie in der heutigen Konstellation verbessern? 
  2. Welche Möglichkeiten gibt es für eine künftige Erweiterung? 
 

Smarte Systeme erfordern vernetztes Denken

Die «Smart Factory» ist – wie der Begriff Industrie 4.0 – ein konzeptionelles Modell (siehe Abbildung). Um die verschiedenen Einflussfaktoren koordiniert in Einklang zu bringen, braucht es ein vernetztes Denken. Nur so lassen sich (bestehende) Prozesse und Verfahren optimieren und neue Möglichkeiten nutzen. Finden Sie heraus, wo Sie den digitalen Hebel in Ihrem Unternehmen am smartesten ansetzen können und gehen Sie die Themen der Smart Factory konzentriert und kontinuierlich an. Eine Auswahl dazu finden Sie in der nebenstehenden Übersicht.
 
 
 

Die «Smart Factory»-Checkliste für KMU

Welche Bereiche sind für Ihr Unternehmen relevant? Wo könnten Sie Schwerpunkte setzen? Was ist schon vorhanden, aber ausbaufähig? Wie fit ist Ihr digitales Fertigungswissen? Nutzen Sie die folgende Übersicht als Impulse für Ihr KMU auf dem Weg zur Fabrik der Zukunft.
 
  • Digital Twin
    Als digitales Abbild physischer Produkte oder Anlagen erlaubt es der digitale Zwilling Prototypen, Funktionen oder Konzepte über den gesamten Lebenszyklus zu testen, zu optimieren und zu simulieren. Sie erleichtern die Entscheidungsfindung während der Entwicklung und helfen, Unternehmensprozesse zu verbessern.
  • Losgrösse 1
    Der Wunsch vieler Kunden nach individuellen Produkten in Kleinserien stellt Hersteller vor das Problem, kleinstmögliche Stückzahlen – also eine Losgrösse 1 – zu den Kosten der Massenfertigung zu ermöglichen. Eine sukzessive Annäherung lässt sich durch flexible Fertigung und (Teil-)Automatisierung erreichen.
  • Additive Fertigung
    Bekannt ist die additive Fertigung v. a. durch den 3D-Druck. Kunststoff, aber auch neue Werkstoffe wie Keramik und Metall werden für die Erstellung von Prototypen, Modellen und Kleinserien eingesetzt. Die Integration in bestehende Produktionsprozesse führt zu hybriden Prozessketten und bietet spannende Perspektiven.
  • Robotertechnologie
    Von autarken Roboteranwendungen bis hin zu kooperativen Assistenzrobotern (Mensch-Roboter-Kollaboration) können Produktionsprozesse schneller, flexibler, präziser und effizienter gestaltet werden. Der Einsatz von Robotern erhöht die Produktivität und entlastet Menschen von Routinearbeiten oder gesundheitsschädlichen Tätigkeiten.
  • Predictive Maintenance
    Die Senkung von Wartungskosten und eine vorausschauende Wartungsplanung sind entscheidende Vorteile von Predictive Maintenance. Das macht das Thema für KMU besonders interessant. Die Überwachung von Anlagen und Maschinen über Sensoren und deren Auswertung ermöglicht es Herstellern, innovative Servicemodelle anzubieten.
  • Mixed Reality
    Die Verbindung menschlicher Wahrnehmung mit digitalen Systemen unterstützt Menschen bei Produktions- und Serviceprozessen. Dazu zählen Assistenzsysteme (Assisted Reality), Erweiterungen realer Umgebungen um künstliche Objekte (Augmented Reality) sowie vollständig virtuellen Welten (Virtual Reality).
  • Smart Factory
    Die intelligente Fabrik verfügt über eine sich selbst organisierende Produktionsumgebung. Cyber-physische Systeme bilden die Basis dazu und beruhen auf der Vernetzung von Maschinen und Produkten. Dank der Kommunikationsfähigkeit von Anlagen mit Zulieferer- und Kundensystemen steuert sich die Smart Factory selbstständig. 
  • Prozessautomatisierung
    Die Fabrik der Zukunft nutzt verschiedene Technologien, um die Produktionsprozesse zu automatisieren. Dazu gehören z. B. Roboter, Sensoren, fahrerloser Transportsysteme und vieles mehr. Damit verbunden sind Ziele wie Produktivitätssteigerung, Flexibilität, Zeitgewinn, Kostenreduktion und Qualitätsverbesserung.
  • Blockchain
    Die Blockchain-Technologie bietet eine zuverlässige, digitale Grundlage, um Fertigungs- und Logistikprozesse effizienter zu machen. Sie gehört zu den Schlüsseltechnologien der Smart Factory und ermöglicht die sichere Steuerung von Warenflüssen und Produktionsanlagen sowie vernetzter Maschinen und Systeme. 
  • Künstliche Intelligenz (KI)
    Das Potenzial von KI für die Fertigung ist enorm und lässt sich u. a. im Qualitätswesen, zur Produktivitätssteigerung und Prozessoptimierung oder für Predictive Maintenance nutzen. Anwendungsbeispiele sind Spracherkennung, Assistenzsysteme, Datenauswertungen und selbststeuernde Systeme.
  • Cloud Services
    Die Smart Factory ist auf sichere Daten, interoperable Systeme und performante Rechnerleistungen angewiesen. Dabei spielen Cloud-Services eine zentrale Rolle. Sie bieten Kostenreduktion, höhere Flexibilität, Skalierbarkeit, schnelle Nutzung neuer Technologien, weltweite Bereitstellung der Services und mehr.
  • ERP-Software
    Auf Unternehmensebene bleibt das ERP-System auch in der Smart Factory die treibende Kraft. Nebst der Steuerung der Produktionsprozesse dient es als zentrale Datenbasis für die Integration sämtlicher Anwendungsbereiche wie Vertrieb, E-Commerce, Beschaffung, Finanzen usw. 
 
 

Der Autor

Dieser Beitrag wurde ermöglicht durch myfactory Software Schweiz AG, dem führenden Cloud ERP Anbieter für Schweizer KMU aus Handel, Produktion oder Dienstleistung. Der Autor David Lauchenauer ist Geschäftsführer und Gesellschafter der myfactory Gruppe.
 
myfactory Software Schweiz AG | 9000 St. Gallen | www.myfactoryschweiz.ch
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