Erich Kern: Ursprünglich komme ich aus der Lebensmittelindustrie. Durch das Erstellen von Logistik-Simulationen bringe ich ein tiefes Verständnis für die Unternehmensprozesse und deren Abbildung in Systemen, wie beispielsweise dem ERP-System, mit.
Erich Kern, Geschäftsleitung Polynorm Software AG
Nachdem ich einige Jahre in der Industrie tätig war, zog es mich zum Softwareanbieter, bei welchem ich Kunden aus unterschiedlichen Branchen bei der Einführung Ihres ERP-Systems begleitete. Somit kenne ich einerseits die Prozesse kundenseitig, bei welchen unterschiedliche Daten entstehen und andererseits das Abbilden von Prozessen herstellerseitig sehr gut.
Meine Praxiserfahrung erweiterte ich mit passenden Fortbildungen u. a. mit dem Master in Business Engineering und meiner Masterarbeit im Bereich "Big Data für KMU".
Was können wir uns unter dem Begriff Daten-Management vorstellen?
In Unternehmen wachsen die Datenberge und haben sich zu einer wettbewerbsentscheidenden Unternehmensressource entwickelt. Wichtige Entscheidungen werden datengetrieben getroffen, bestehende Prozesse datengetrieben optimiert. Das Kundenverhalten wird im Detail analysiert, um zukünftig noch treffender auf Bedürfnisse eingehen zu können. Unter dem Begriff „Daten-Management“ verstehe ich die ganzheitliche Betrachtung des Daten-Management-Prozesses; von der Erfassung von Daten, der Sicherstellung der Datenqualität, dem Transformieren von Daten bis hin zum Verfügbarmachen der Daten und Nutzen in verschiedenen Systemen.
Zuerst werden Daten aus unterschiedlichen Quellen erfasst. Um eine konstant gute Datenqualität sicherzustellen, werden die Daten regelmässig auf Vollständigkeit und Integrität geprüft. Im weiteren Verlauf können sie umgewandelt, ergänzt und mit anderen Daten kombiniert werden, sodass sie zum einen in anderen Systemen verwendet und zum anderen kontextbezogen dargestellt werden können. Ziel ist es, die erfassten Daten schnell und in optimaler Qualität am gewünschten Ort zur Verfügung zu stehen zu haben und für Entscheidungen verwenden zu können.
Welches sind aus Ihrer Sicht Anforderungen an Unternehmen, die erfolgreich Daten-Management betreiben möchten?
Damit Daten analysiert werden und zeitnahe Entscheidungen getroffen werden können, ist es wichtig, dass der sofortige Zugriff auf die wirklich relevanten Daten im entscheidenden Moment gewährleistet ist. Um die Geschwindigkeit in der Datenpflege bzw. in der Datenbereinigung zu steigern, sollten die jeweiligen Fachbereiche eingebunden werden, da dort das Wissen über die korrekten Datensätze liegt. Themen, wie Daten-Integrität und Daten-Geschwindigkeit sollten nicht mehr nur als Aufgaben der IT-Abteilung verstanden werden. Über strukturierte Prozesse sollten auch die jeweiligen Fachbereiche einbezogen werden. Dort können Daten sehr schnell auf Richtigkeit und Qualität überprüft werden.
Zielsetzung im Bereich des Daten-Managements sollte sein, Anforderungen bezüglich Daten-Integrität und Daten-Geschwindigkeit gleichermassen zu erfüllen. Datenbestände im Unternehmen sollten stets aktuell, vollständig und in durchgängig hoher Qualität zur Verfügung stehen. Wichtig dabei ist, eine einzige Datenquelle zu schaffen, über welche das Unternehmen die alleinige Kontrolle hat, um einen „Flickenteppich“ aus unterschiedlichen Systemen zu vermeiden. Sobald integrierte Daten in korrekter und aktueller Form vorliegen, können beispielsweise gesetzliche Vorgaben ohne Probleme eingehalten werden.
Welche sind Ihre persönlichen Empfehlungen für KMU, die eine nachhaltige Daten-Management-Strategie aufbauen möchten?
Angesichts der dynamischen Datenstruktur ist es vor allem für KMU wichtig, klein und agil zu beginnen und erste Quickwins zu generieren. Daten-Management bedeutet nicht, zuerst die perfekte Situation zu schaffen und im zweiten Schritt mit der Umsetzung zu beginnen. Sonst kann es leicht passieren, dass sich die Ausgangslage bis zur Umsetzung bereits wieder verändert hat und kein profitabler Zustand erreicht werden kann.
Anfangs sollte man sich die Frage stellen, ob es im Unternehmen Daten gibt, welche einer Abteilung nicht zur Verfügung stehen und es aufgrund fehlender Synchronisation vorkommt, dass beispielsweise Dokumente an die falsche Kunden-Adresse geschickt werden. Wenn mit unterschiedlichen Systemen gearbeitet wird, kann das leicht passieren.
Folgende drei Punkte sollten unbedingt angegangen werden:
- Selfservice-Zugriff auf Daten: Anstelle den Zugriff nur auf einzelne Abteilungen zu begrenzen, sollten Benutzer des gesamten Unternehmens einen Selfservice-Zugriff auf Unternehmensdaten bekommen, um für eine kontinuierliche Daten-Governance zu sorgen.
- Durchgängige Datenqualität: Data-Quality- und Governance-Funktionen sorgen für verlässliche Daten und eine durchgängige Daten-Verwaltung. Durch passende Workflows werden der Fachabteilung, welche die jeweiligen Datensätze am besten kennt, Data Stewardship-Aufgaben zugeteilt.
- Einheitliche Umgebung: Mit der Schaffung einer einheitlichen Umgebung kann der Datenlebenszyklus automatisiert werden und somit die Total Cost of Ownership gesenkt, Zeit und Ressourcen gespart und die Produktivität erhöht werden.
Was sind typische Anwendungs-Beispiele aus der Praxis?
Das Synchronisieren von Daten aus verschiedenen Systemen, wie zum Beispiel dem ERP und dem CRM-System ist ein beliebtes Anwendungsszenario. Angefangen beim Abgleichen von Kundenkontaktdaten, wie der Telefonnummer, aus unterschiedlichen Systemen bis hin zur 360-Grad-Kundenansicht, bei der alle zum Kunden vorhandenen Informationen auf einen Blick sichtbar gemacht und analysiert werden. Um diese Analyse mit Daten aus unterschiedlichen Quellen durchführen zu können, ist das Verfügbarmachen von Datensätzen aus diversen Systemen wie dem ERP (z. B. SAP), dem Aufgabenmanagement oder dem CRM (z. B. Salesforce) wichtig.
Daten-Management betrifft weiterhin die üblichen ETL Prozesse. Daten werden aus transaktionsorientierten Systemen, wie dem ERP-System, in ein zentrales Datawarehouse oder Data Lake übernommen.
In welche Richtung entwickelt sich der Bereich Daten-Management aus Ihrer Sicht?
Aus meiner Sicht geht der Trend dahin, dass die im Unternehmen vorhandenen bislang getrennten Datenquellen verknüpft und mit externen Datenquellen angereichert werden. Die Herausforderung ist es, Daten verschiedener Formate und aus unterschiedlichen Technologien mithilfe eines Werkzeuges greifen und kombinieren zu können.
Ein Beispiel ist die Verwendung von öffentlich zur Verfügung stehenden Informationen. Wenn beispielsweise Kundenadressdaten aus dem CRM oder dem ERP mit öffentlichen Geo-Koordinaten verknüpft werden sollen, um diese für eine kartenbasierte Auswertung zu verwenden, fehlt der Link zwischen den Koordinaten und den vorliegenden Adressdaten. Unterschiedliche Datenformate verschiedener Quellen sollten zusammengebracht und verarbeitet werden können, sodass die Auswertung am Ende auf einer Plattform erfolgen kann.
Auch der Trend zu Cloud-Lösungen bringt ein enormes Potenzial, aber auch Herausforderungen mit sich. Oft sind die Ressourcen der internen IT mit dem Betrieb der bestehenden Systeme bereits aufgebraucht. Wenn Daten von überall ins Unternehmen gelangen und in unterschiedlichen Systemen verwendet und auch wieder extern verfügbar gemacht werden sollen, ist die Nutzung von Daten-Plattformen as a Service äusserst hilfreich. So kann auch von technologischen Weiterentwicklungen, z. B. im Bereich Machine Learning, BigData, AI profitiert werden, ohne dass die interne IT zu stark belastet wird. Beliebige Datenquellen können so intelligent und effizient miteinander vernetzt werden ohne Abstriche in der Qualität machen zu müssen.
Wie bereits erwähnt, sollte die Datenpflege als eine Art Teamsport gesehen werden, da eine durchgängig hohe Datenqualität nur als Team sichergestellt werden kann. Unabhängig von Titel und Rolle des jeweiligen Mitarbeiters sollte jeder in seinem Bereich bei der Prüfung und dem Korrigieren von Dubletten einbezogen werden.
Man sollte sich von der Denkweise lösen, dass Daten-Management immer mit einem grossen Projekt verbunden sein muss. Auch wenn klein und agil gestartet wird, kann von Anfang an profitiert werden.
Vielen Dank für das spannende Interview!
Interview:
Alain Zanolari
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