46 Prozent der Energieversorgungsunternehmen (EVU) beschäftigen sich bereits mit Massnahmen, die den Einsatz von Blockchain-Technologien vorbereiten und knapp 80 Prozent glauben, dass Blockchain die Energiewirtschaft verändern wird. Allerdings wird es laut der Hälfte der Befragten mindestens noch zwei Jahre dauern, bis Blockchain die Marktreife im Energiemarkt erreichen wird. Dies sind Ergebnisse einer aktuellen Detecon-Studie zur möglichen Bedeutung der Blockchain als disruptive Technologie in der Energiewirtschaft.
Die Energiebranche steht mitten in einem sich stark verändernden Marktumfeld. Der Umstieg auf regenerative Stromerzeugung verbunden mit einer dezentralisierten Energieproduktion sowie die Digitalisierung stellen die EVU vor grosse Herausforderungen. Der Erzeugungsmix wird immer kleinteiliger, was sich auf Netz, Messwesen und Vertrieb auswirkt. Die EVU müssen die dezentralen Energieerzeuger aggregieren, die entstehenden Daten sicher organisieren und nachhalten. Zudem müssen sie kleinste Energieflüsse und Steuerungssignale zu geringen Transaktionskosten verwalten und gleichzeitig neue Vertriebsmodelle entwickeln.
Blockchain stellt Geschäftsbeziehungen auf den Kopf
Bietet die Blockchain-Technologie vor diesem Hintergrund die Chance, den Energiemarkt disruptiv zu verändern? „Blockchain hat das Potenzial die Beziehungen der Marktteilnehmer auf den Kopf zu stellen. Intermediäre werden auf Dauer vom Markt verschwinden. Dank Blockchain interagieren Erzeuger und Verbraucher direkt miteinander, was den Energiehandel und -vertrieb komplett verändern wird“, sagt Rüdiger Schulze, Partner bei Detecon. So werden laut Studie der Handel und der Vertrieb an Bedeutung verlieren.
Im Wesentlichen getrieben wird die Relevanz der Blockchain-Technologie in der Energiewirtschaft durch intelligente Stromzähler – Smart Meter – und das Internet der Dinge. Dem haben mehr als 80 Prozent aller Befragten zugestimmt. Zudem wird sie neue Geschäftsmodelle unterstützen – vor allem in den Bereichen E-Mobilität und Nachbarschaftsmodelle, sogenannte Microgrids.
Hier können zum Beispiel Prosumer selbst erzeugten Solarstrom untereinander handeln. Die Transaktionen werden über die Blockchain automatisch zwischen den Teilnehmern ausgeführt und dokumentiert, da sie direkte und sichere Transaktionen zwischen mehreren Parteien ermöglichen. Eine mögliche Anwendungsform bieten grosse Peer-to-Peer Handelsplattformen, über die EVU Stromgrosshandel ohne Intermediär betreiben. Diese Plattformen verbessern die Effizienz und erhöhen die Geschwindigkeit der Transaktionen.
Blockchain automatisiert Transaktionen an E-Ladesäulen
Die Blockchain kann auch den Aufbau der Ladeinfrastruktur für E-Mobilität unterstützen, sind knapp 70 Prozent der Befragten überzeugt. So lassen sich Transaktionen zwischen Ladesäule und Stromabnehmer automatisieren und damit Kosten reduzieren. Ein bereits eingesetzter Anwendungsfall sind „Smart Contracts“, die den Abrechnungs- und Bezahlprozess beim Aufladen und Nutzen von Ladeinfrastruktur revolutionieren und damit die Prozesse des Anbieters zwischen Laden und Bezahlen deutlich effizienter und günstiger gestalten.
Die Blockchain trägt auch zur Stabilisierung des Stromnetzbetriebs und damit zur Versorgungssicherheit und -qualität bei. Ein niederländischer Netzbetreiber wendet die Blockchain bereits für sein Engpassmanagement an. Auf Basis vernetzter Heimspeicher und Ladestationen von Elektrofahrzeugen greift der Netzbetreiber mittels Blockchain je nach Netzsituation flexibel auf dezentrale Kapazitäten zu, was der Nutzung eines virtuellen Kraftwerks gleichkommt.
„Wir empfehlen den EVU Blockchains zunächst in einem geschützten Raum zu pilotieren“, sagt Energieexperte Rüdiger Schulze „Denn die Einführung der Blockchain stellt Unternehmen vor grosse technische und organisatorische Herausforderungen. Ein Pilot hilft, die Technologie zu verstehen und sorgt innerhalb der Organisation für Akzeptanz.“ Dafür sei es sinnvoll ein multifunktionales Team aus IT, Vertrieb, Controlling, Marketing und Technik aufzustellen und Kunden in den Prozess einzubinden.
Studiendesign
Für die Studie wurden 65 Vertreter von EVU aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt. Mehr als die Hälfte der Befragten sind Vorstände oder arbeiten eine Ebene unter dem Vorstand. Die Befragung erfolgte schriftlich im Zeitraum Mitte Mai bis Mitte Juli 2018.
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