Desinformation erkennen, verstehen, abwehren

27.10.2025
5 Min.

Gezielte Desinformation ist längst nicht mehr nur ein politisches Problem. Sie bedroht auch Wirtschaft und Gesellschaft. Das neue kostenlose Handbuch «33 Desinformationstechniken» von ReclaimTheFacts zeigt, wie Manipulation funktioniert – und wie wir uns schützen können. Gerade für Schweizer KMU und IT-Fachkräfte ist das Thema hoch relevant: von russischer Propaganda bis zu Angriffen auf Entwicklungen wie 5G, Windkraft und eFuels.

 

Desinformation als Gefahr für Wirtschaft und Gesellschaft

Fake News sind kein Randphänomen mehr. Sie sind ein strategisches Instrument – ob in der russischen hybriden Kriegsführung, bei Kampagnen gegen den Ausbau der 5G-Infrastruktur oder im Widerstand gegen Windkraftanlagen. Gemeinsam ist all diesen Fällen: Es geht nicht nur um Meinungsbildung, sondern um die gezielte Schwächung unserer Gesellschaft und Wirtschaft.
 
Für die Schweiz ist das besonders relevant. Investitionen in die Energieversorgung oder in die digitale Infrastruktur können durch orchestrierte Desinformationskampagnen massiv verzögert oder gar verhindert werden. Damit entstehen nicht nur volkswirtschaftliche Schäden, sondern auch Risiken für die Versorgungssicherheit.
 

Das Handbuch: 33 Techniken auf einen Blick

Das von ReclaimTheFacts veröffentlichte kostenlose Handbuch «33 Desinformationstechniken» bietet erstmals eine systematische Übersicht. Die Methoden reichen von emotionalisierenden Übertreibungen über logische Fehlschlüsse bis hin zu Verzögerungstaktiken, die politische Prozesse blockieren. Jede Technik wird anhand von Beispielen erläutert und macht sichtbar, wie subtil oder plump Manipulation ablaufen kann.
 
Die Struktur des Handbuchs ist praxisnah: Fünf Kategorien ordnen die 33 Tricks. So werden narrative Manipulation, selektive Faktendarstellung oder auch die gezielte Verwirrung durch Informationsflut nachvollziehbar erklärt. 
 
Neu ist der systematische Ansatz: Statt Einzelbeispiele zu sammeln, wird ein «Werkzeugkasten der Manipulation» vorgestellt, der auch die Dynamik beschreibt – etwa wie Desinformationstechniken kombiniert und verstärkt werden, um maximale Wirkung zu erzielen.
 

ReclaimTheFacts: Erfahrung seit 2020

Herausgeber des Handbuchs ist ReclaimTheFacts, eine Initiative, die sich seit 2020 intensiv mit Desinformation befasst. In Projekten, Workshops und Analysen hat sie Muster, Netzwerke und Wirkungen von Fake News untersucht und wertvolle Erfahrungen gesammelt. Dieses Wissen ist in das Handbuch eingeflossen, das sich nicht nur an politische Akteure richtet, sondern auch an Unternehmen, Schulen und Medien. Hauptautor ist Rui Biagini, Informatiker und langjähriger Experte für digitale Manipulationsstrategien, der sich seit Jahren bei ReclaimTheFacts engagiert.
 

Kampagnen gegen den Verbrennungsmotor

Ein besonders aufschlussreiches Beispiel für Desinformation sind die Kampagnen gegen den Verbrennungsmotor. Hierbei werden PR-Berichte als angebliche Studien getarnt, die auf fragwürdigen Annahmen beruhen. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Produktion von eFuels ineffizient sei und die Zukunft der Mobilität ausschliesslich elektrisch sein müsse.
 
Dabei werden mehrere Techniken kombiniert: Rosinenpicken (Auswahl einzelner Daten), falsche Dichotomie (nur Elektro oder Verbrenner) und Pseudo-Experten (PR-Berichte als «Studie»). Solche Narrative verschweigen zentrale Aspekte: eFuels lassen sich klimaneutral herstellen, sie sind speicher- und transportfähig und sichern die Treibstoffversorgung auch in Bereichen, wo Batterien nicht praktikabel sind – etwa bei Langstreckenflügen oder im Militär.
 

5G, Windkraft und eFuels – typische Methoden

Bei 5G-Kampagnen zeigt sich häufig die Technik des Schürens von Angst: Gefahren für Gesundheit werden behauptet, obwohl keine wissenschaftliche Evidenz besteht. Hinzu kommt das Berufen auf Pseudo-Experten, die mit scheinbarer Autorität Panik verbreiten.
Windkraftgegner setzen gerne auf falsche Analogien («Windräder zerstören Landschaften wie Autobahnen») sowie auf Übertreibungen zu angeblichen Gesundheitsfolgen. Oft wird auch die Verschiebung der Zielpfosten genutzt: Sobald Argumente entkräftet sind, werden neue Gründe gegen den Ausbau erfunden.
 
Gegner von eFuels greifen, wie beschrieben, zu selektiver Faktendarstellung und Verzögerungstaktiken, indem sie endlose neue Studien fordern, obwohl die Grundlagen längst geklärt sind.
 

Beispiele aus dem Handbuch

Besonders hilfreich sind die konkreten Beispiele, die das Handbuch liefert. So wird etwa die Technik der falschen Analogie erläutert: Windkraftgegner vergleichen Windräder mit «Umweltzerstörern», obwohl diese pro erzeugter Kilowattstunde deutlich weniger Fläche beanspruchen als fossile Energieformen.
 
Ein weiteres Beispiel ist die Überflutung mit Halbwahrheiten – auch bekannt als «Feuerwehrschlauch der Lüge». Dabei werden so viele Behauptungen gleichzeitig gestreut, dass es kaum möglich ist, alle zu widerlegen.
 
Ein Klassiker ist auch das Rosinenpicken: Gegner von 5G oder eFuels greifen gezielt einzelne Studien oder Datenpunkte heraus, die scheinbar ihre Position stützen, und verschweigen den breiten wissenschaftlichen Konsens.
 
Hinzu kommen die Personalisierung und Ablenkung: Statt über die Sache zu diskutieren, werden einzelne Personen diffamiert oder ihre Motive infrage gestellt. Gerade in lokalen Debatten über Windkraft wird so versucht, Kritiker mundtot zu machen.
 
Das Handbuch liefert dazu nicht nur Definitionen, sondern auch Hinweise, wie man solche Techniken in der Praxis erkennen kann. Auf der Website www.ReclaimTheFacts.com finden sich auch Checklisten und weitere Tipps. Für Führungskräfte, Kommunikatoren und IT-Fachleute sind dies wertvolle Werkzeuge, um Debatten sachlich zu halten und Manipulation frühzeitig zu entlarven.
 

Relevanz für die Schweiz

Die Schweiz ist stark vernetzt und exportorientiert. Stabilität und Verlässlichkeit gehören zu ihren Markenzeichen. Wenn Desinformation diese Grundlagen angreift, steht weit mehr als ein politisches Detail auf dem Spiel: Es geht um die Glaubwürdigkeit unserer Institutionen und um die Planbarkeit für Unternehmen.
 
Ein anschauliches Beispiel sind Kampagnen gegen Windenergie: Sie bremsen nicht nur den Ausbau erneuerbarer Energien, sondern gefährden auch die Versorgungssicherheit und die Umsetzung der Energiestrategie. Dasselbe gilt für die gezielte Verunsicherung beim Thema 5G, die Investitionen und Innovationen hemmen kann.
 

Vorbeugen und schützen

Das Handbuch von ReclaimTheFacts will nicht belehren, sondern befähigen. Wer die 33 Techniken kennt, erkennt sie schneller und kann ihnen besser begegnen. Für Unternehmen bedeutet das: 
  • Sensibilisierung der Mitarbeitenden, insbesondere in Kommunikation und IT
  • Monitoring von Kanälen, um koordinierte Desinformation frühzeitig zu identifizieren
  • Transparenz in der eigenen Kommunikation, um Angriffen weniger Angriffsfläche zu bieten
  • Kooperation mit Branchenverbänden und Behörden, um Schutzmassnahmen zu koordinieren

Ein Beitrag zur Resilienz

Desinformation ist Teil der digitalen Realität – ob als Werkzeug autoritärer Staaten, wirtschaftlicher Konkurrenten oder lokaler Interessengruppen. Entscheidend ist, wie wir damit umgehen. Das Handbuch «33 Desinformationstechniken» ist ein wertvolles Instrument, um die eigene Resilienz zu stärken. Für Führungskräfte, die Verantwortung für Unternehmen und Mitarbeitende tragen, lohnt sich die Lektüre in jedem Fall.
 
Das Handbuch gibt es digital (kostenlos) und als Taschenbuch: www.reclaimthefacts.com/handbuch
 
 

Die Autoren

Rui Biagini engagiert sich seit Jahren bei ReclaimTheFacts und ist Hauptautor des Handbuchs.

Peter Metzinger, auch bekannt als Mr. Campaigning, ist Gründer von ReclaimTheFacts und hat wichtige Inputs für das Buch geliefert.
www.reclaimthefacts.com