Urs Prantl beschäftigt sich in seiner Kolumne heute mit dem perfekten Kundenmanagement - und wie die Bemühungen eben oft daneben gehen
Wer kennt sie nicht, die unzähligen Ratschläge für perfektes Kundenmanagement: Mehr vom Kunden her denken! Fokus auf den Kunden! Der Kunde ist König! Oder auf Neudeutsch, ganz einfach – Customer First! Die Praxis sieht allerdings völlig anders aus. Dort steht der Kunde zwar im Mittelpunkt, damit aber auch im Weg. Nachfolgend fünf Gründe, wieso das so ist.
Vordergründig wird stets dem Kunden gehuldigt, praktisch wird er jedoch in vielen Unternehmen zum blossen Umsatzlieferanten degradiert. Entsprechend werden Budgets gemacht, Sales-Kampagnen gefahren und die Kundschaft nach ihren Umsatzbeiträgen in A-, B- oder – die sowieso unerwünschten, weil kaum rentablen – C-Kunden eingeteilt. Die Kunden – und damit ihre Zufriedenheit – rangieren somit als Mittel zum Zweck und nicht umgekehrt, als das eigentliche Ziel der unternehmerischen Tätigkeit.
Oft entsteht auch den Eindruck, Kunden dienen primär dem eigenen Ego und werden dementsprechend gesammelt wie Trophäen. Wer hat die bekanntesten Kunden? Wer hat die grössten Kunden? Wer hat die coolsten und hippsten Kunden? Ob die angebotene Leistung passt und einen messbaren Mehrwert stiftet, ist dann eher sekundär.
Der Hauptgrund für «störende» Kunden ist allerdings die weit verbreitete Unsitte, dass «auf Biegen und Brechen» verkauft wird, statt dass der Kunde zum selbst kaufen animiert und begleitet wird. Dahinter liegt die antiquierte Vorstellung, Kunden würden sich immer zieren und müssten daher mehr oder weniger aggressiv überredet werden. Wer so agieren muss, hat jedoch ein anderes Problem. Offensichtlich ist das eigene Angebot dermassen unattraktiv, dass es aufgeschwätzt werden muss. Oder so kompliziert oder, noch schlimmer, für den Kunden gar nicht so richtig passend, so dass es tatsächlich in den Markt gedrückt werden muss. Wahrlich keine guten Voraussetzungen für «Customer First».
Tief in unseren Firmen vergraben machen wir uns aber oft auch ein falsches, zumindest ein unzureichendes Bild von der Welt unserer Kunden. Wir sehen dann nur das, was uns selbst direkt betrifft und blicken kaum über den Tellerrand. Dabei könnte es ja sein, dass die Prioritäten des Kunden gerade ganz woanders sind. Wer dann nicht die richtigen Fragen stellen und neugierig zuhören kann, der kriegt davon nichts mit. Und hat damit auch nicht die Gelegenheit, das eigene Angebot entsprechend an die Kundenprioritäten anzupassen.
Und zu guter Letzt noch der Klassiker: Unsere Organisation und unsere Prozesse sind uns in der Regel heilig. Da stört der Kunde bloss, insbesondere dann, wenn er davon abweichen möchte. Dieser Umstand führt bei vielen Unternehmen dazu, dass Organisationen um Kunden herum gebaut werden, um der Komplexität im Markt gerecht zu werden. Wenn auch mit der höchst unerwünschten Folge, dass es im Prozessgebälk knirscht und in der Folge ineffizient und teuer wird. Völlig logisch, steht dann der Kunde bloss im Weg.
Für grossartige Lösungen fehlt mir in dieser Kolumne leider der Platz. Eines ist aber absolut sicher. Software (allein) macht aus keiner Firma eine «Customer First»-Organisation.
Urs Prantl kreiert mit seinem Unternehmen KMU Mentor GmbH zukunftssichere und gesund wachsende IT-Unternehmen und begleitet ihre Unternehmerinnen und Unternehmer bei der Unternehmensnachfolge und beim Firmenverkauf. Gleichzeitig ist er Host des Podcasts Prantls 5A, in welchem er die Einzigartigkeit erfolgreicher IT-Unternehmen direkt mit ihren Inhaberinnen und Inhabern diskutiert.
Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 25-1
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