Back to Home-Office, back to Livestream. Am 29. Oktober 2020 fanden die Dept Talks Live zum Thema “New reality, new work” statt, dieses Mal aufgrund der sich zuspitzenden Corona-Situation und zum Thema passend – wieder als reiner YouTube- Livestream.
(Bild: Dominico Loia, Pixabay)
Erodiert Home-Office die Firmenkultur? Wie funktioniert Selbstorganisation in der Krise? Welche Rolle spielt die physische Präsenz in der Zusammenarbeit? Diese und andere Fragen stellen wir uns in Zeiten von Corona wohl alle. Simone Bobst, Head of People & Culture @Dept, Barbara Josef, Co-Founderin @5TO9 AG und Pascal Dulex, Culture Coach & Creative Director @FREITAG haben sie beantwortet. Während die Zuschauerinnen und Zuschauer gespannt von Zuhause aus die Talks verfolgten, schalteten sich Simone Bobst und Barbara Josef aus unserem Office-Studio in Zürich zu. Pascal Dulex meldete sich aus der FREITAG-Zentrale, welche nur ein paar Stockwerke tiefer liegt.
Simone Bobst – Erodiert Home-Office die Firmenkultur?
„Das Home Office erodiert die Firmenkultur”, mit dieser These begann Simone Bobst ihren Beitrag bei den vergangenen Dept Talks. Denn Firmenkultur manifestiert sich oft sehr physisch – das zeigt auch das Mood-Barometer, welches im Monatsverlauf die Stimmung unserer Schweizer Deptster abbildet.
Von Work-Life-Blending über Zoom-Fatigue bis hin zu leeren (virtual) Lunch-Rooms: Home Office bedingt durch Corona ist eine grosse Herausforderung für die Kultur und den Teamspirit. Eine Umfrage im Team von Dept Schweiz zeigt: Es fehlt die spontane, soziale Interaktion, welche besonders teamübergreifend im Home Office kaum noch stattfindet. Denn die Kernteams die ohnehin zusammenarbeiten haben auch in den Corona-Monaten viel Gemeinschaftsgefühl bewiesen, während dieses auf der gesamten Dept Schweiz Ebene unter der räumlichen Trennung gelitten hat. So kam Simone Bobst zum Zwischenfazit: „Teamspirit im Kleinen, Erosion im Grossen”.
Corona-Zeit ist auch die Zeit der Werte
Simone Bobst ging noch weiter und nahm auch den Aspekt der Werte in die Diskussion mit auf: „Corona-Zeit ist auch die Zeit der Werte. Aber Werte muss man leben können. Durch die physische Absenz müssen wir nun neue Wege finden und Gewohnheiten etablieren”. Sie appelliert an die Zuschauer, sich die eigenen Firmenwerte in Erinnerung zu rufen und sich zu fragen: Was sind eigentlich unsere Werte und wie setzen wir diese um? Und sie ergänzt: „Genau das haben wir bei Dept gemacht und neue Gewohnheiten, wie Lunch-Roulette, Weekly-Secrets und die Surprise-Initiative mit Kurzgeschichten, Zauberei und Co. etabliert.”
Um die anfängliche Frage abschliessend zu beantworten, zog Simone Bobst am Ende ihres Vortrags noch einmal Bilanz und gab sich kämpferisch. Sie ist sich sicher, dass das Home-Office die Firmenkultur nicht erodiert, aber macht klar: „Wir müssen auch etwas dafür tun. Das Home-Office ist eine Herausforderung und wir alle müssen uns auf diese Challenge einlassen, diese als Chance sehen. So können wir es schaffen die Identifikation mit der Firma in dieser Zeit sogar zu steigern.”
Pascal Dulex – Was macht Selbstorganisation mit einem Unternehmen in der Corona-Krise?
Eine ganz andere Perspektive zeigte Pascal Dulex von FREITAG in seinem Beitrag auf. Das Unternehmen ist seit vier Jahren selbstorganisiert. Bei der sogenannten Holokratie geht es darum, ein Unternehmen fernab von persönlichen Hierarchien in Rollen zu organisieren. Diese Rollen sind alle der zentralen Frage gewidmet: Welchen Zweck hat das Unternehmen und wie können die verschiedenen Rollen diesem Zweck dienen?
Auch wenn die Organisationsform eine völlig andere ist, stimmte Pascal Dulex seiner Vorrednerin Simone Bobst klar zu: „Auch uns fehlt das Physische sehr stark. Es gab zwar online auch viele schöne Momente, zum Beispiel als alle auf der ganzen Welt verteilt zusammen Happy Birthday gesungen haben. Trotzdem ist der soziale Zusammenhalt nicht mehr so einfach zu pflegen wie vorher.”
Eine zentrale Frage die sich Pascal Dulex und FREITAG deshalb stellten: Was macht die Krise mit den Menschen in der Selbstorganisation?
Viele Mitarbeitende von FREITAG sind und waren in Kurzarbeit – und das teilweise sogar zu 100 %, als die Geschäfte geschlossen hatten. Diese Leute waren dann Zuhause isoliert, während andere teilweise nonstop arbeiteten. Das ist gerade in der Selbstorganisation sehr gefährlich, sagte Pascal Dulex und erklärte: „Wenn ich über Jahre dazu sozialisiert werde, dass ich meine Arbeit flexibel gestalten kann und das plötzlich für manche nicht mehr möglich ist, während andere immer noch die Freiheit haben, dann führt das zu Konflikten.”
Das mündete in eine breit angelegte Mitarbeiterbefragung – die erste bei FREITAG – welche das Thema Schattenhierarchie als Baustelle zum Vorschein brachte. Denn besonders in der Krise werden weitreichende Entscheidungen in deutlichen kleineren Gremien als normal üblich gefällt. Bei den Mitarbeitern warf das die Frage auf, ob es an diesem, von persönlicher Hierarchie befreiten Organisationsmodell vorbei, doch gewisse Hierarchien gibt.
Abschliessend zog Pascal Dulex Bilanz und ist sich sicher, dass die Organisationsstruktur sich für FREITAG bewährt hat. Allerdings führen Themen wie ungleich verteilte Kurzarbeit zu sozialen Spannungen, die es abzubauen gilt. „Arbeit am Beziehungsraum ist sehr wichtig. Daher führen wir seit dem Sommer Kreisreviews auch auf persönlicher Ebene durch. Wir wollen sozialen Spannungen eine Bühne geben, um sie sichtbar und verhandelbar zu machen.”
Ein abschliessender Tipp: Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation.
Barbara Josef – Jede Begegnung muss Quality Time sein
Ganz nach dem Motto „Zukunft braucht Herkunft”, beginnt Barbara Josef mit einer Zeitreise durch die verschiedenen Phasen der Arbeitswelt. Wofür es früher noch den Isolator (siehe Bild) gab, haben wir heute eine Firmenkultur, die es den Menschen erlaubt, das Büro auch mal zu verlassen und woanders ungestört zu arbeiten. Doch was passiert, wenn diese Firmenkultur auf einmal von Corona und Home Office ausgehebelt wird? Und was können wir tun, um die Krise als Chance zu nutzen und neue Wege zu gehen?
Wir müssen Präsenz viel höher gewichten
Auch wenn Vieles in diesen Zeiten unsicher ist, in einem ist sich Barbara Josef sicher: „Wir müssen jetzt pragmatische Lösungen finden, aber auch mutige Zukunftsbilder entwickeln. Man sollte die Zukunft immer mit einem optimistischen Bild gestalten und muss Reflexionsräume schaffen. Statt in die Effizienz müssen wir jetzt auch in die Gemeinschaft investieren.” Wir alle sind uns einig, dass wir den Wert von Gemeinschaft bisher unterschätzt haben, wenn es darum ging unsere Arbeitszufriedenheit zu messen.
Barbara Josef ermutigt daher Organisationen, sich über neue Kennzahlen Gedanken zu machen, um eben diese Gemeinschaft zu erfassen und so auch stärken zu können. Auch wenn diese sich nicht nur durch Präsenz äussert ist sie sich sicher: „Wir müssen Präsenz viel höher gewichten, denn das ist unser höchstes Gut. Wenn wir mit weniger Präsenz auskommen müssen, dann muss jede Begegnung Quality Time sein”.
Auch wenn die Gemeinschaft darunter gelitten hat, haben viele zunächst von der neu gewonnenen Flexibilität profitiert, die ihnen das Home-Office bietet. Inzwischen hat sich aber bei einigen das Gefühl breit gemacht, dass Arbeitszeiten in den eigenen vier Wänden kaum noch existieren und eine Trennung von Arbeit und Privatleben nur schwer möglich ist.
Auf die Frage aus dem Publikum hin, ob das Home-Office vom Rückzugsort zum Ort der Selbstausbeutung werden kann, schlägt sie als Lösung das Coworking-Abo vor. Denn einen Rückzugsort braucht es unbedingt, aber das muss laut Barbara Josef nicht zwingend das Home-Office sein. Sie würde sich wünschen, dass Firmen, die zum Beispiel durch das Herunterfahren der Büroarbeitsplätze Kosten einsparen, einen Teil davon in die Mitarbeitenden reinvestieren und zum Beispiel durch die Beteiligung an Coworking-Spaces neue Orte des Rückzugs und der Vernetzung schaffen.
Wir brauchen Werte, Quality Time und ganz viel Kommunikation
In einem sind sich alle Referierenden einig, die Corona-Zeit ist eine enorme Herausforderung, aber auch eine grosse Chance neue Wege zu gehen und die Gemeinschaft zu stärken. Was es dazu braucht? Werte, Quality Time und ganz viel Kommunikation!