Die Fachabteilung hat eine zündende Idee, doch die IT-Abteilung keine Ressourcen? Low-Code-Plattformen sorgen dafür, dass digitale Anwendungen rasch entstehen, ohne dass viel programmiert werden muss. Die Demokratisierung der Softwareentwicklung hat aber noch viele weitere Vorteile.
(Symbolbild: E_Q_digital / Adobe Stock)
In den letzten zwei Jahren haben sich Unternehmen in Richtung einer beschleunigten und zielgerichteten Unternehmens-Digitalisierung bewegt. Diese neu geschaffene Realität hat dazu geführt, dass Unternehmen wie ihre Mitarbeitenden den digitalen Mindset vermehrt verinnerlicht haben und zu digitaler Innovation anhand von Selbstentwicklungen bereit sind.
Der Trend dahin, mehr zu digitalisieren, aber dabei möglichst wenig zu codieren, ist dem Fachkräftemangel geschuldet. Es bieten sich den Unternehmen dadurch aber auch Chancen, indem die Softwareentwicklung «demokratisiert» wird und sich neue, auf Low-Code spezialisierte Plattformen etablieren.
Low-Code in der Softwareentwicklung ist quasi vergleichbar mit einem Thermo-Multikocher in der Küche. Dieses einfach bedienbare Multifunktionsgerät macht aus jeder Person einen «Citizen Koch». Ebenso fördert Low-Code mit der «Demokratisierung» der Softwareentwicklung das «Citizen Development». Auch wenn diese beiden Anwendungsbereiche sehr unterschiedlich sind, verfolgen beide dasselbe Ziel: Mit wenig vertieftem Wissen und Können soll eine Erfolgsgarantie des Gelingens sichergestellt werden.
Softwareanwendungen per Drag & Drop
Low-Code hilft Menschen mit wenig Entwicklungserfahrung, ihre eigene Softwarelösung zu erstellen. Entsprechende Low-Code-Entwicklungsumgebungen parallelisieren die Softwareerstellung in einem Unternehmen, denn jedermann kann vorgefertigte Komponenten aus einem Baukastensystem selbständig mit «Drag&Drop»-Elementen zusammenführen und miteinander verbinden. Der kleine Anteil, der gegebenenfalls als Code integriert werden muss, ist für IT-affine Personen rasch erlernt.
Dieser innovative Ansatz verändert nicht nur die klassische Softwareentwicklung. Er bewegt auch die DevOps-Welt, sich mit dieser Demokratisierungsbewegung auseinanderzusetzen. Dabei geht es nicht primär um die Frage, ob die gesamte Entwicklung auf Low-Code-Entwicklungsplattformen verlegt werden soll, sondern vielmehr darum, wie die Unternehmen die verschiedenen Stossrichtungen mit den Unternehmensinteressen hinsichtlich Sicherheit, Integrität, Performance, Skalierbarkeit, Monitoring etc. vereinen können.
Beschleunigte Time-to-Market aus den Fachabteilungen
Ein wertvoller Nutzen entsteht dabei, wenn die Fachbereiche mit Prozessen aus der Softwareentwicklung sowie den Low-Code-Systemen befähigt werden, ihre digitalen Projekte im Sinne der letzten Meile selbständig und direkt umzusetzen. Einerseits ist der Fachbereich froh um die sofortige Implementation seiner Idee ohne Gedankenbruch und andererseits bietet die IT-Fachabteilung mit strukturierten Prozessen und Vorgehensweisen eine Grundlage, so dass kein chaotischer Wildwuchs entsteht. Insgesamt wird der Ansatz gefördert, «Everything as a Code» im Unternehmen abzubilden.
In einem solchen Mix gewinnen Unternehmen an Innovationskraft, denn für disruptive, neuartige Geschäftsprozesse und -modelle wird das breite Know-how über verschiedene Generationen, Erfahrungen und Technologien genutzt. Während die «Citizen Developer» oft Apps für die betriebliche Effizienz entwickeln, nutzen die Softwareentwickler diese Möglichkeit, um Prototypen zu generieren. Ein weiterer Einsatzbereich sind mitunter Adaptionen für «Legacy-Systeme», um diese für den Kunden und Markt weiterhin zu optimieren. In Kombination mit den Abläufen innerhalb der «IT-Operation for Digital Age» (IO4DA) wird das digitale Leistungsportfolio eines Unternehmens stetig erweitert, optimiert und für die entstehende «Citizen Developer Community» vereinfacht.
Demokratisierte Softwareentwicklung schafft viele Vorteile
Fasst man diese Aspekte für ein Unternehmen zusammen, dann ergeben sich viele Vorteile durch eine Demokratisierung der Softwareentwicklung.
- Time to Market: Indem die Grundaufbauten der Softwareentwicklung entfallen, entstehen durch die «Citizen Developer» MVPs (Minimal Viable Products) in Designsprints und können weiter verfeinert werden. Softwareentwickler können sich auf die nicht funktionalen Anforderungen wie beispielsweise Skalierbarkeit, Performanz und Sicherheit innerhalb der Kernfunktionen fokussieren.
- Lean Deployment: Durch eine gesamtheitliche Automatisierung der Deployments können neu erstellte Softwareprogramme, Features oder Anpassungen prozessual über ein GitOps-Modell mit abgestimmten CI/CD Pipelines sofort in produktive Umgebungen deployed werden. Diese Effizienzsteigerung erlaubt den Unternehmen, sich auf das unmittelbare Feedback der Kunden und aus dem Markt zu konzentrieren.
- Agilität: Dank der intuitiven Zusammenstellung vorgefertigter Bauelemente können «Citizen Developer» ihre Anwendung in agilen Strukturen und Vorgehensweisen entwickeln. Die Softwareentwickler können in den bekannten agilen Strukturen ihre Sprints durchführen.
- Höhere Qualität: Durch Bündelung und Streuung des Know-hows über Fachbereiche hinweg wird die «Citizen Developer Community» innerhalb eines Unternehmens gestärkt. Die verschiedenen Ideen fördern kreative Lösungen, welche bereits ein hohes Mass an Qualität mit sich bringen.
Im Zuge dessen ist es zu erwarten, dass die Anzahl der Anbieter von Low-Code-Plattformen in den nächsten Jahren stark ansteigen wird und mit einem vergrösserten Funktionsumfang und einer Intensivierung der Bewegung hin zum «Citizen Development» zu rechnen ist. Marktleader dabei sind aktuell gemäss Gartners «Magic Quadrant» vom August 2021 OutSystems, Mendix, Microsoft sowie Salesforce & ServiceNow. Als Herausforderer mit guten Erfolgschancen werden Appian, Oracle und Pega aufgelistet. Nischenplayer im Markt sind Newgen, Kitone, Quickbase und Creatio. Im Vergleich dazu ist interessant, was die Kundenauswahl als Insight wiedergibt: Hier sind Appian, Oracle sowie OutSystems und ServiceNow die Leader. Neue Player, die als «strong Performer» angesehen werden, sind Joget, Quickbase, Quixy und Zudy (Gartner: Dez. 2021).
Diese Vielfalt zeigt, dass Unternehmen sich in ihrer Beurteilung einer Low-Code-Plattform Gedanken über die Breite und Tiefe eines Anbieters machen müssen. Ebenso ausschlaggebend sind die einsetzbaren Funktionen und Prozesssteuerungen/-automatisierungen für verschiedene Anwendungsbereiche wie beispielsweise Hyperautomation, mobile App-Entwicklung, IOT- und/oder Data-driven Development. Zudem ist zu beachten, dass die gewählten Plattform sich einfach in das Ökosystem des Kunden integrieren lässt und Teil der «IT-Operation for Digital Age» (IO4DA) wird, bei welcher ein GitOps-Modell als Grundlage dient, ohne dass eine starre Abhängigkeit vom Anbieter entsteht (LockIn Avoidance).
«Everything as code» in no time
Wir nähern uns immer mehr dem Ziel, dass die für digitale Geschäftsprozesse benötigten IT-Dienstleistungen zur Laufzeit in der richtigen Grösse am richtigen Ort in «no time» zur Verfügung stehen. Die «Demokratisierung» der Softwareentwicklung und Bewegung hin zum «Everything as code» mit «Citizen Development» unterstützt die Lean-Ansätze in einem Unternehmen und stützt sich über die agile Arbeitsweise auf Technologien wie z. B. Low-Code-Plattformen. Zudem werden die gebündelten digitalen und sozialen Erfahrungen der letzten zwei Jahre vermehrt durch den «Citizen Developer» als Code im Unternehmen abgebildet, wodurch die Bandbreite an internen und externen Serviceleistungen eines Unternehmens steigt.
Die traditionelle Softwareentwicklung hat weiterhin ihre Berechtigung. Die Entwickler können sich aber vermehrt auf die nichtfunktionalen Anforderungen sowie die Reduktion der Komplexität innerhalb der Frameworks und der Bausteine konzentrieren. Damit dieser Transformationsprozess reibungslos und effizient gelingt, lohnt es sich, einen verlässlichen Partner ins Boot zu holen, der das Unternehmen dabei unterstützt, die Digitalisierungsstrategie in der Wertschöpfung abzubilden und durch die Roadmap zu den «IT-Operation for Digital Age» (IO4DA) zu führen. Denn der nächste Schritt wird bereits sein, dass sich die entstandene «Citizen Developer Community» mit der DevOps-Welt vereint bzw. beides ineinander aufgeht.
Der Autor
Steven Henzen, Lead Innovation & Technology bei
T-Systems in der Schweiz, leitet seit über sechs Jahren den Bereich Innovation & Technology. Zuvor war er während gut drei Jahren als Senior Enterprise Architect bei dem Unternehmen beschäftigt. Henzen lancierte seine Karriere beim Finanzdienstleister SIX, wo er 2002 als Application Development Engineer einstieg und ab Ende 2009 als ICT Architect beschäftigt war. Parallel schloss der Diplominformatiker einen Master of Advanced Studies in IT-Reliability an der Fachhochschule für Technik in Zürich ab.
Dieser Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 22-2
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