Vor gut einem Jahr hielt der CEO von Löwenfels Partner AG, Oliver Meyer an der Big Data Minds in Berlin einen Vortrag zum Thema Big Data im Verkaufsprozess. Dabei wies er auch auf die Rolle der künstlichen Intelligenz hin und zeigte Szenarien für deren Einsatz auf. Wir wollen von ihm nun wissen, wie es weitergeht.

 

Löwenfels: Oliver Meyer, wie liegst du rückblickend mit deinen Voraussagen?

Oliver Meyer: Die von mir aufgezeigten Technologien im Rahmen von „Big Data“ und „Künstliche Intelligenz“ sind definitiv verschmolzen. Oft tragen sie heute den Titel „Cognitive Computing“. Ebenso hat der „Digitalisierungsvirus“ die Wirtschaftswelt endgültig ergriffen. Insofern lag ich richtig. Die Entwicklung lag allerdings auf der Hand. Und ich bin überzeugt, dass in diesem Thema noch sehr viel Potenzial steckt. Das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht.

Was ist die nächste Etappe in der Entwicklung.

Ich bin überzeugt, dass der Digitalisierungshype abklingt. Analog dem Thema E-Business zu Beginn des Jahrtausends. Damals wurde erkannt, dass es nicht eine „E-Business Welt“ und eine „nicht-E-Business Welt“ geben kann. Das Internet brachte die technologischen Möglichkeiten, die Teil der bestehenden Wirtschaftswelt sind. Die Technologien haben einzelne Branchen grundlegend verändert. Und verändern sie heute noch. Genauso sieht die „Digitalisierung“ aus. Sie ist die nächste Reifestufe in dieser Entwicklung.

Das tönt fundamental, sollten wir uns vor der Digitalisierung fürchten?

Nein, ich denke, das ist die falsche Reaktion. Das ist, als wenn unsere Väter und Grossväter aus Angst Dinge wie Pferdekutschen, Handsägen, Sensen und Dampfmaschinen nicht durch effizientere und sicherere Produktionsmittel ersetzt hätten. Wichtig erscheint mir, dass wir die Chancen darin erkennen und diese auch Nutzen.

Wie erkennt man Chancen?

Dies zu tun ist eine Kunst, keine Wissenschaft. Es gibt aber eine Grundregel: Die Kunden- und Marktbedürfnisse stehen im Mittelpunkt.

Ein Beispiel: Apple hat vor Jahren schon erkannt, dass sich mit dem mobilen Internet neue Geschäftsmöglichkeiten ergeben. Und, dass viele Menschen eitel sind. Apple verbindet daher moderne Technologie und Prestige auf höchstem Niveau. Wer heute ein 4-jähriges iPhone besitzt, ist nicht „up to date“. Also wird wesentlich häufiger ein neues Telefon gekauft. Nicht weil es gebraucht wird, sondern weil das Schöne und das Aktuellste überwiegen. Zusätzlich sorgen Apple-Accounts für Kundenbindung im Consumermarkt. Ein Plattformwechsel des Handys kommt somit teuer. Der Account bietet zudem täglich – privat, beruflich oder vergnügungsmässig – neue Möglichkeiten. Es macht einen effizienter. Folglich: weshalb nicht bei Apple bleiben, wenn sie das Kundenbedürfnis genau treffen?

Wir haben von Chancen gesprochen. Es gibt aber auch viele Stimmen, die behaupten die Digitalisierung würde tausende von Jobs auslöschen.

Das schliesse ich nicht aus. Volkswirtschaftlich gesehen gibt es für mich hier zwei Szenarien:

  • Szenario „sanft“: Ähnlich wie E-Business um die Jahrtausendwende verändert die Digitalisierung einzelne Geschäftsmodelle elementar. Nicht aber die ganze Wirtschaft. Das bedeutet, dass es viele Profiteure und wenige Verlierer gibt. Der Beweis: Das Smartphone. Wenn die Nutzung der Internettechnologien (E-Business) durch die breite Masse, etwas Negatives wäre, dann hätte das Smartphone wohl kaum die Bedeutung erlangt, die es heute hat.
  • Szenario „radikal“: In diesem Szenario vergleiche ich die Digitalisierung mit der Industriellen Revolution. Sollte die Kraft der Digitalisierung gleich sein, wie damals die Kraft der industriellen Revolution, dann kommt einiges auf uns zu. Heute arbeiten in der Schweiz von 100 Beschäftigten rund vier im ersten, 25 im zweiten und 71 im dritten Sektor. Die Möglichkeiten der Digitalisierung schaffen vor allem im dritten Sektor Chancen. Das heisst von hundert Beschäftigten müssen sich 71 überlegen, ob es ihr Berufsbild in Zukunft noch gibt.

Immer noch kein Grund zur Angst?

Nein, denn auch im Szenario „radikal“ stecken Chancen. In der Schweiz beschäftigen wir viele Menschen im dritten Sektor. Dies hat damit zu tun, dass es im Laufe der Zeit gelang, mit neuen Dienstleistungs-Geschäftsmodellen die Arbeitskräfte aus dem ersten und zweiten Sektor im dritten Sektor weiter zu beschäftigen.

Wichtig war damals, dass sich die Menschen vom Bewährten gelöst haben und Neues entstand. Das ist auch heute nötig. Mut und Innovation sind gefragt: Wir dürfen als Antwort auf die Digitalisierung nicht nur über Robotersteuern und bedingungsloses Grundeinkommen diskutieren. Ebenso müssen wir uns fragen, wo die neuen Wirtschaftsmöglichkeiten liegen. Für die frei werdenden Arbeitskräfte müssen vorzeitig Jobs geschaffen werden. Sonst nützt auch die Digitalisierung nichts.

Hierzu ein Beispiel: Angenommen künftig gibt es den digitalen Anwalt für Arbeitsrecht. Die Leute haben aber alle keine Jobs. Dann gibt es auch keine arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen. In der Konsequenz ist dann auch der digitale Anwalt arbeitslos. Und wir wollen jetzt nicht beginnen darüber zu diskutieren, ob der digitale Anwalt Anrecht auf Arbeitslosenentschädigung erhält, weil solche Roboter zum Steuern zahlen verpflichtet wurden.

 

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