Was haben CRM-Funktionen in einem ERP-System zu suchen? Sehr viel, sagen Knut Mertens und Fabian Baumgartner von dynasoft. Leadgenerierung und Kundenbindung gehörten schliesslich mit zu den wichtigsten Unternehmensaufgaben. Der CRM-Gedanke sei darum tief in der DNA eines ERP verankert. Doch um dieses Potenzial zu nutzen, brauche es mehr als reine Softwarefunktionen. Neugierig? Dann lassen Sie uns den beiden Experten auf den Zahn fühlen.
Christian Bühlmann, Chefredaktor topsoft Fachmagazin, im Gespräch mit Knut Mertens, Vertriebs- und Marketingleiter dynasoft Gruppe, und Fabian Baumgartner, Presales Consultant bei dynasoft AG.
CRM ist mehr als eine Ansammlung von Softwarefunktionen und Automatismen. Software follows strategy – das wiederum setzt eine entsprechende Geisteshaltung voraus, sagen Fabian Baumgartner (l.) und Knut Mertens von dynasoft.
Wer mich kennt, weiss, dass ich bei den Themen ERP und CRM schwach werde. Ich bin daher sehr gespannt auf die These, dass ein CRM in der DNA eines ERP-Systems fest verdrahtet ist. Doch zuerst meine Frage an Sie: Wie definieren Sie den Begriff CRM?
Knut Mertens (KM): Eine heimtückische Einstiegsfrage, die sich nicht so ohne Weiteres beantworten lässt. Natürlich gibt es die klassischen Lehrbuch-Definitionen. Meine Erfahrungen in der Praxis zeigen jedoch ein sehr individuelles Bild, was Unternehmen unter CRM verstehen. Ich würde heute sagen, dass es sich dabei um flexible, kundenindividuelle Prozesse handelt, welche durch Business Software unterstützt werden und der Leadgenerierung sowie der Kundenbindung dienen.
Fabian Baumgartner (FB): Dem pflichte ich bei. Schaut man sich unsere Kunden an, wird deutlich, wie unterschiedlich ein und dieselbe Software ganz verschieden eingesetzt werden kann. Das Spektrum reicht vom Opportunity-Management über die Vertriebssteuerung bis hin zu automatisierten Mail-Workflows und zur Omnichannel-Bewirtschaftung.
Auf der Website von dynasoft steht: «CRM ist kein eigenständiges Softwaremodul, sondern entsteht aus dem Zusammenspiel von Prozessen über eine Vielzahl von tosca-Modulen hinweg.» Wie gehen Sie im Verkaufsprozess bei Kunden mit dieser philosophischen Aussage um?
KM: (lacht): Gegenfrage – wäre es besser, wenn wir einfach hundert Funktionen aufzählen würden? Spass beiseite, wir versuchen den Kunden klarzumachen, dass CRM mehr ist als nur Software und Daten. CRM ist eine Geisteshaltung, welche natürlich diese digitalen Grundlagen benötigt, doch deren Anwendung setzt viel kreative Freiheit frei. Mit tosca geben wir den Kunden ein Werkzeug in die Hand, mit dem sie Prozesse je nach Bedürfnis ihrer Kunden formen können.
FB: Wir stellen die Interessenten und deren Kunden ins Zentrum und nicht das Werkzeug. Es mag verlockend sein, sich von imposanten Features beeinflussen zu lassen. Unserer Überzeugung nach beginnen erfolgreiche CRM-Projekte in den wenigsten Fällen mit der Wahl des Werkzeugs. Lassen Sie mich ein Beispiel machen: Wann haben Sie das letzte Mal zu Hause den Hammer aus der Werkzeugkiste geholt und ziellos in der Wohnung herumgehämmert?
Das haben Sie hoffentlich noch nie getan… Die Anforderungen und die Ziele kommen immer vor der Werkzeugwahl. Wenn Sie einen Nagel einschlagen wollen, wählen Sie den Hammer, wenn ein Brett gekürzt werden soll die Säge und wenn Sie einen Dübel setzen wollen die Bohrmaschine.
Und in welchem Zusammenhang steht diese Einstellung mit der Aussage, dass das CRM fester Bestandteil der DNA eines ERP-Systems ist?
FB: Da möchte ich gleich mein Werkzeugbeispiel aufgreifen. Vielleicht kommen Sie zur Erkenntnis, dass für die Erreichung Ihres Ziels gar kein Hammer nötig ist, sondern eine Bohrmaschine, welche Sie notabene bereits haben. Die Möglichkeiten, welche ein modernes ERP-System bietet, umfassen alles, was Sie für die Leadgewinnung und Kundenbindung brauchen. Stamm- und Bewegungsdaten, Auswertungen, automatisierte Workflows und vieles mehr sind schon vorhanden, also untrennbare Bestandteile der DNA eines ERP-Systems.
Werfen wir einen Blick auf die Anwender: Welche Bedeutung hat das CRM-Denken heute in KMU?
KM: Da gibt es sicher noch Luft nach oben. Wir stellen aber fest, dass das Thema zunehmend an Bedeutung gewinnt. Leider fokussieren sich zu viele KMU auf die Software und Funktionalität. Zuerst das Produkt, dann der Plan. Dass das nicht funktioniert, zeigt das Beispiel mit der Stichsäge. Wohlgemerkt, unser ERP-System tosca kann durchaus mit vielen CRM-Funktionen auftrumpfen. Doch was wir wollen, sind zufriedene Anwender, die einen hohen Nutzen mit unserer Software erzielen. Und das geht eben nur über eine kreative Auseinandersetzung mit den Zielen und Anforderungen. Ganz im Stil von «software follows strategy».
Kaum jemand macht gerne Kaltakquise, daher gewinnt die Automatisierung von Sales- und Marketingprozessen an Bedeutung. Was halten Sie von meiner These?
FB: Das sehe ich nur bedingt so. Die Gespräche in der Kaltakquise können extrem spannend und horizonterweiternd sein. Es finden aber sicher lange nicht alle Freude daran. Wieso ist das so? Vermutlich weil wir in der Kaltakquise viel mit Absagen umgehen müssen. Wenn dieser Prozess vollständig automatisiert werden soll, überschätzen Vertriebsmitarbeitende entweder die heute eingesetzten Systeme oder sie unterschätzen sich selbst. Wie soll ein Stück Software in der Kommunikation zwischen zwei Menschen etwas erreichen, was wir selbst nicht schaffen? Naturgemäss funktionieren Automatisierungen in breiten Märkten am besten. Man könnte dazu auch Giesskannenprinzip sagen. In diesen Märkten, welche oftmals im Bereich B2C unterwegs sind, werden Vertriebsmitarbeitende durch die Systeme von den Absagen «geschützt». Wer nicht absagt, landet am Ende als Lead beim Vertriebsteam.
KM: …was wiederum sehr für die Kombination aus ERP und CRM spricht. Hier haben unsere Kunden alle Daten zentral an einem Ort und können damit gezielte Massnahmen aufbauen, die auch auf persönlicher Ebene sehr gut funktionieren und die ganze Bandbreite der Customer Journey abdecken. Eine Lanze möchte ich noch für die telefonische Akquise brechen. Ist diese intelligent aufgesetzt, erzielt man richtig gute Ergebnisse.
Trotzdem möchte ich nochmals nachfragen: Nehmen Sie die Anbieter von Automatisierungssoftware als Konkurrenz wahr?
KM: Nein, ganz und gar nicht. Es sind wertvolle Tools für ausgewählte Zielgruppen mit entsprechenden Voraussetzungen wie Marktvolumen, Standardisierungspotenzial sowie personellen und finanziellen Ressourcen. Aber auch hier gilt wie zuvor erwähnt: Erst der Plan und die Zieledefinition, dann das Werkzeug. Denn auch die beste Software führt nicht automatisch zu Verkaufsabschlüssen.
FB: Die konsequente Weiterentwicklung von CRM-Prozessen kann durchaus zu einer punktuellen Automatisierung führen. Auch das unterstützen wir mit tosca. Wir bieten Hand für das Beste aus beiden Welten (schmunzelt). Automatisierung ja, aber nicht zu jedem Preis.
Fairerweise möchte ich erwähnen, dass es nicht selten die grossen spezialisierten Anbieter sind, welche mit neuen Funktionen für Inspiration und Denkanstösse sorgen. Diese Funktionen führen nicht per se zu mehr Umsatz. Sie können jedoch zu einem wichtigen Puzzleteil einer Umsatzsteigerung werden.
Lassen Sie uns zum Schluss noch konkret werden. Was würden Sie einem Kunden empfehlen, wenn dieser seinen Sales-Funnel noch mehr füllen möchte?
FB: Leider gibt es kein Patentrezept, aber immerhin nachahmenswerte Beispiele, wie unsere Kunden beweisen. Das etwas abgedroschene «Den Kunden ins Zentrum stellen» muss man aus ERP-Sicht neu denken. Zuerst nachdenken, was für die Kunden wichtig ist. Danach schauen, wie man das mit der Software unterstützen kann. Dabei unterstützen wir unsere Kunden, denn wir kennen tosca und seine Möglichkeiten am besten.
Natürlich müssen Interessenten heutzutage an allen Touchpoints – sowohl digital als auch analog – abgeholt werden. Wenn es einen Sinn hat und die Qualität der Kundenbetreuung nicht leidet, auch gerne mit Automatisierungssystemen.
KM: Auch wenn das jetzt wie Eigenwerbung tönt, aber je besser ein ERP in der Lage ist, CRM-Prozesse zu modellieren und zu automatisieren, desto grösser ist der gesamthafte Nutzen. Deshalb bieten wir nicht einfach Out-of-the-box-Prozesse an, sondern definieren mit jedem Kunden die beste, weil individuelle und flexible Lösung. Wir setzen dabei auf Beratung, Coaching und stehen als Sparring-Partner zur Verfügung.
Und wenn ich Sie schon am Tisch habe: Was ist ihr persönlicher Geheimtipp aus der ERP-CRM-Küche?
KM: Natürlich tosca einführen (lacht)! Im Ernst, ich empfehle, keine fixfertigen Lösungen zu akzeptieren, sondern die eigenen Erfolgsfaktoren zu definieren und sie dann im System abzubilden.
FB: Bei aller Freude an der Digitalisierung und Automatisierung steht der persönliche Kontakt immer noch im Zentrum. Das Mensch-zu-Mensch-Interface funktioniert auch in Zukunft.
Der Autor
Christian Bühlmann ist Chefredaktor des topsoft Fachmagazins und profunder Kenner der Schweizer Business-IT-Landschaft
Dieser Beitrag wurde ermöglicht durch dynasoft AG mit Hauptsitz in Solothurn, dem Anbieter des modular aufgebauten ERP-Systems tosca.
Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 22-4
Das Schweizer Fachmagazin für Digitales Business kostenlos abonnieren
Abonnieren Sie das topsoft Fachmagazin kostenlos. 4 x im Jahr in Ihrem Briefkasten.