Dank Kundenbindung erfolgreich im Digital Commerce. Aber wie?

15.05.2019
5 Min.

Onlinehändler müssen es schaffen, ihre Kunden an sich zu binden, um weiter zu bestehen.Kundenbindung funktioniert aber nur, wenn es gelingt, für seine Kunden relevant zu sein. Dabei sollte nichts dem Zufall überlassen werden: Ein Aufruf zu mehr Nachhaltigkeit und dem Verfolgen eines Plans im Digital Commerce.

Der Wettbewerb ist hart geworden im Digital Commerce. Einen einfachen Onlineshop aufbauen, ein paar Produkte aufschalten, Dropshipping aus China: Das kann mittlerweile jede 15-Jährige. Wie kann es einem Händler heute noch gelingen, mit seinem Onlineshop zu bestehen?

Herausforderungen im Digital Commerce nehmen zu

Der grosse Vorteil des Internets, nämlich jederzeit von jedermann gefunden zu werden, ist gleichzeitig sein grösster Nachteil: Gefällt der Onlineshop nicht, so ist der nächste nur einen Klick entfernt. Wer heute einen Onlineshop eröffnet, kann sich mit einer guten Suche und einem einfachen Checkout längst nicht mehr differenzieren. Diese Hygienefaktoren müssen von Anfang an erfüllt sein. Für die meisten Händler ist das leider noch immer einfacher gesagt als getan.

Auf einen weiteren vergleichbaren Onlineshop, der etwa Taschen und Accessoires verkauft, hat ausserdem niemand gewartet. Kein Kunde kommt hier ‘zufällig vorbei’. Als Folge muss Traffic teuer erkauft werden bei den US-amerikanischen Monopolisten Google, Facebook und Amazon. Diese Plattformen halten sich nach wie vor als Gatekeeper zwischen Verkäufer und Käufer. Anfangs nur bei der Produktrecherche, inzwischen und im Falle von Amazon auch beim Produktkauf. Ein ebenso verbreitetes Mittel, um Traffic zu generieren sind breit ausgelegte Rabatt-Aktionen. Black Friday oder Singles Day bieten sich dafür besonders an. Alle diese Marketing-Massnahmen mögen auf kurze Sicht zwar effektiv erscheinen, sind aber vor allem eines nicht: Nachhaltig.

Dank Kundenbindung zum Erfolg

Doch eben diese Nachhaltigkeit ist es, die am Ende den Unterschied macht zwischen erfolgreichen und nicht erfolgreichen Onlinehändlern. So sind es denn auch diese Ansätze im Digital Commerce, die Nachhaltigkeit versprechen, auf welche Onlinehändler vermehrt ihren Fokus setzen. Sie alle zielen auf eines ab: Die Intensivierung der Kundenbindung, die Verstärkung des Lock-in-Effekts.

Vereinfacht erklärt ist der Lock-in dann erreicht, wenn der Kunde den Nutzen der Loyalität zu einem bestehenden Anbieter als höherwertig einstuft als die Kosten, die bei ihm bei einem Anbieterwechsel entstehen würden. In der Onlinewelt sind diese Wechselbarrieren zunächst grundsätzlich tief und beschränken sich auf nur einen Klick. Und doch gibt es einige Onlinehändler, denen es mit verschiedenen Ansätzen gelingt, Lock-ins zu erzielen. Die Ausprägungen sind vielseitig und reichen von Mitgliedschaften über Personalisierung bis hin zu Abo- und Miet-Modellen. Alle diese Modelle verfolgen ein einfaches Ziel: Die Erhöhung der Kundenloyalität und Wiederkaufsrate und damit eine Kostensenkung bei der Neukundenakquise und die Reduktion von Gatekeeper-Abhängigkeiten. Die Rückbesinnung auf die wertvollen bestehenden Kunden und deren Potenzial sowie auf die eigene Plattform mit direktem Kundenkontakt und Datenhoheit muss wieder ins Zentrum des Marketingfokus gelangen.

Mitgliedschaften

Eine Möglichkeit ist, dies durch Mitgliedschaften zu erreichen. Das bekannteste Beispiel dafür ist Amazon-Prime: Eine Mitgliedschaft, die seinen Mitgliedern eine ganze Reihe von Vorteilen für das gesamte Amazon Ökosystem bietet, ausserdem hochpersonalisiert auf den einzelnen Nutzer abgestimmt. Weltweit bezahlen mehr als 100 Millionen Kunden jährlich 69 Euro dafür und werden auf geschickte Weise gebunden. Dies zahlt sich für Amazon aus: So sind es gerade diese Prime-Mitglieder, welche die höchsten Warenkorbwerte und Bestellfrequenzen aufweisen.

Ein Beispiel aus der Schweiz liefert Ex Libris mit seinem Club, der attraktive Rabatte und Angebote für seine Mitglieder verspricht. Ähnlich wie bei Amazon Prime ist es eine Zusammenstellung attraktiver Vorteile zu einem Gesamtangebot, das den Kunden von diesem Loyalitäts-Programm für CHF 12 pro Jahr überzeugen soll.

Etwas weniger umfassend, dafür radikal ist die vor kurzem gestartete Box40 von Modomoto. Der auf Curated Shopping spezialisierte Modehändler verspricht seinen Kunden bei einer Jahres-Mitgliedschaft zum Preis von 119 Euro dauerhaft 40% Rabatt auf alle Bestellungen. Gleichzeitig kündete Gründerin Corinna Powalla an, ihre Kampagnen auf den Plattformen auf ein Minimum zu reduzieren.

Abo- und Mietmodelle

Eine weitere Möglichkeit, Kunden langfristig zu binden, sind Abo-Modelle. Blacksocks machte es schon lange vor: Warum sich um ein banales Produkt wie schwarze Socken kümmern, wenn ich es bequem dank meinem Abo regelmässig geliefert haben kann? Dasselbe gilt für Rasierklingen oder frisches Gemüse. Eine Ausprägung des Abos ist der Bestell-Button, wobei hier eine Bestellung erst nach Aktiv-werden des Nutzers ausgelöst wird.

Ein ähnliches Konzept verfolgen Mietmodelle. Sie haben wohl durch die Sharing-Economy noch mehr Aufmerksamkeit erhalten. Hier sorgte kürzlich Globus für Schlagzeilen, der vorerst testweise Modeartikel von Luxuslabels seinen Kunden zur Miete anbietet. Fast zeitgleich kündigte Beliani an, per Mitte 2019 seine Möbel nicht mehr nur zum Verkauf anzubieten, sondern auch zur Miete.

Ein Kompass und ein Plan

Wie aber gelingt es, für den Kunden relevant zu werden? Auch in den Zeiten der Digitalisierung haben sich die Grundpfeiler erfolgreicher Geschäftsmodelle nicht grundsätzlich verändert: Das eigene Why kennen, beim Kunden anfangen und dabei ganzheitlich lösungsorientiert denken.

Wer getreu nach diesen drei Prinzipien handelt und alles andere ihnen unterordnet, hält einen Kompass in der Hand und droht nicht, gleich im ersten Sturm neuster Entwicklungen den Kurs zu verlieren. So banal dieser Kompass klingt, so schwer fällt es den meisten, ihn zu etablieren: Es fängt damit an, dass es vielen schon Mühe bereitet – ganz nach Simon Sineks – zu erklären, warum sie das tun, was sie tun. Die grosse Mehrheit kommuniziert weiterhin von aussen nach innen. Sie argumentieren, dass sie jetzt eine tolle neue Funktion im Onlineshop haben, die man so und so nutzen kann und vergessen dabei zu vermitteln, warum der Nutzer denn davon Gebrauch machen sollte. Sie können es vor allem dann nicht, wenn die neue Funktion dem Nutzer gar keinen Mehrwert bietet, womit wir beim zweiten Prinzip sind: Kundenfokussierung. Wer seine Kunden und dessen Bedürfnisse nicht kennt, der entwickelt ins Leere und läuft schliesslich Gefahr, nicht ganzheitlich lösungsorientiert zu denken.

Doch: Einen Kompass zu nutzen allein reicht nicht. Er ist nur ein Werkzeug. Wertlos, wenn man das Ziel nicht kennt. In unserer schnelllebigen Welt wird dies leider immer häufiger als unwichtig abgetan. Alles muss schlank und agil sein. Planung passt vielen nicht mehr. Das ist gefährlich. Ein Händler muss wissen, wohin er möchte. Sonst strandet er am Ende irgendwo, nur nicht dort, wo er hin wollte. Wer einen Onlineshop und seine Reise weder mit Ziel noch mit Kompass beginnt, wird nie relevant und erfolgreich, sondern ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

 

Der Autor

Thomas Lang ist Geschäftsführer und Inhaber der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business und E-Commerce. Er ist Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Referent an internationalen Konferenzen zum Thema E-Commerce und Digitale Transformation im Handel.