Nun wollen wir der Frage nachgehen, warum uns dieses Leben im Rhythmus der Planeten heute mehr Mühe bereitet als früher, und warum Zeit Geld ist.
Der Wirtschaft scheint unser Bedürfnis nach Lebensrhythmen egal zu sein. Sie zwingt uns in einen Dauerlauf, zur Nachtarbeit und Sonntagsarbeit. Vor allem der Tag-Nacht-Rhythmus kommt im Wirtschaftsalltag der 24-Stunden7-Tage-Nonstop-Gesellschaft durcheinander. Moderne Kommunikationsmittel zwingen uns, permanent mit der ganzen Welt online in Kontakt zu sein. Aus dieser Hyperaktivität resultieren gesundheitliche Beschwerden wie Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Störungen und Stoffwechselprobleme. Weil sich der Lebensrhythmus der Menschen, Tiere und Pflanzen an den Planetenrhythmen orientiert, bräuchten Lebewesen jedoch Zeit zur Regeneration – Erholungszeit. Dass wir uns diese Erholungszeit nicht mehr erlauben (dürfen), hat
vor allem mit der dritten Art von Zeit zu tun: Der Zeit der Wirtschaft – Zeit ist Geld.
Die Zeit der Wirtschaft – Zeit ist Geld
Haben Sie sich auch schon überlegt, warum Zeit Geld ist? Wenn Sie nun die simple Antwort auf diese Frage erfahren, werden Sie vermutlich überrascht sein, wie einfach sie ist. Und trotzdem haben Sie darüber kaum je gelesen und schon gar nichts an der Schule gelernt. Und dies, obwohl es von ausserordentlicher Wichtigkeit ist, dass sich die Menschen präzis mit dieser Frage befassen: Warum ist Zeit Geld? Haben wir verstanden, wie Zeit zu Geld wird, erkennen wir auch, warum wir alle so rennen. Wir können einwandfrei erkennen, dass die Zeit der Wirtschaft – «Zeit ist Geld» – hauptsächlicher Treiber des Hamsterrades ist, in dem wir alle mitrennen. Wir könnten jedoch auch erkennen – und das ist die gute Nachricht –, dass genau im Wissen darum, warum Zeit Geld ist, der Schlüssel zu finden ist, mit dem wir das Hamsterrad gemeinsam stoppen könnten.
Warum ist Zeit Geld?
Zeit ist Geld, weil wir das Geld aufgrund verschiedener Gesetzmässigkeiten und Vereinbarungen an die Uhrenzeit gekoppelt haben. Diese Koppelmechaniken sind überall dort zu finden, wo Buchhalterinnen und Buchhalter «Fixkosten» verrechnen. «Fixe Kosten» heissen fix, weil sie «fixiert» oder «festgemacht» sind an der Uhrenzeit – also an den Planetenbewegungen. Zu diesen Koppelmechaniken gehört beispielsweise der Hypothekarzins, die Leasingprämie, der Monatslohn, der Stundenlohn, die Monatsprämie oder der Mietzins. Die Erde dreht sich um die eigene Achse, der Mond dreht um die Erde, die Erde kreist um die Sonne und synchron mit diesen Bewegungen werden Stundenlöhne, Tageslöhne, Monatslöhne, Monatszinsen, Mietzinsen, Jahreszinsen, Monatsprämien, Jahresprämien und Leasinggebühren auf bestimmte Termine hin fällig. Diese Erkenntnis scheint zunächst banal. Bei näherer Betrachtung steckt jedoch präzis in dieser Erkenntnis die Möglichkeit, nach Ursachen und Lösungen für die dringendsten Sozialprobleme
der heutigen Zeit zu suchen.
Sozialpartnerschaft neu verstehen
Die Fragen um soziale Gerechtigkeit lassen sich anhand der Koppelmechaniken der fixen Einnahmen und fixen Kosten zwischen Gläubiger und Schuldner wertneutral analysieren. Beziehungen zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden, Kapitalbesitzenden und Schuldnern erscheinen plötzlich in einem neuen Licht. Es lassen sich systemische Fehler in der Geldorganisation aufdecken – gängige Feindbilder lösen sich auf. Der Unternehmer wird plötzlich nicht mehr als Arbeitgeber, sondern vielmehr als Lohnschuldner verstanden. Je mehr Lohn er seinen Mitarbeitenden schuldet, desto mehr Arbeitsleistung muss er von diesen verlangen. Der Mitarbeiter wiederum muss durch seinen Lohn in der Lage sein, seine privaten Fixkosten zu decken. Wir stecken also alle in einer Fixkostenspirale.
Wie könnten wir das Hamsterrad stoppen?
Wollen wir das Hamsterrad – also diese Fixkostenspirale – stoppen, ist eine Tatsache sehr zentral und deshalb ganz besonders hervorzuheben: Überall dort, wo jemandem fixe Kosten entstehen, steht auf der anderen Seite stets jemand, der fixe Einnahmen bei sich verbuchen kann. Geld ist immer in einem Kreislauf und fliesst von Mensch zu Mensch oder von Unternehmen zu Unternehmen, respektive von Bürgerinnen und Bürgern zum Staat und vom Staat zu Bürgerinnen und Bürgern. In der Beziehung Arbeitgeber/Arbeitnehmer heisst dies: Die fixen Lohnkosten des Unternehmens müssen dem Mitarbeitenden helfen, seine privaten Fixkosten zu decken. Erst wenn eine Demokratie die Wirkungsweise dieser Fixkostenspirale wertneutral untersucht hat, wird
man wirksame Lösungen finden, für eine Entschleunigung der Arbeitswelt.
Kennen wir also den Unterschied zwischen der Zeit und der Uhr – und wissen wir warum Zeit Geld ist, finden wir Wege zum Stoppen des Hamsterrades. Wie? Dies wollen wir in der nächsten Ausgabe des topsoft Magazins besprechen.
Ivo Muri ist Gründer des Zeitwirtschaftssystem-Anbieters ZEIT AG und Zeitforscher in Sursee.
An der Zeitakademie, die seinem Unternehmen angegliedert ist, hält er Vorträge und berät Unternehmen, Verbände und Institutionen für einen lebensnahen Umgang mit der Zeit.
Als Gastautor stellt Ivo Muri im topsoft Magazin einige Erkenntnisse aus seiner Zeitforschung vor.
Weitere Informationen:
www.zeitmensch.ch
www.zeitag.ch
ivo.muri@zeitag.ch